FINANZHAUSHALT AU HASARD
Das schöne altfranzösische Wort „hasard“ steht für „Würfelspiel“. Es fand auch Eingang in Synonyme, wenn jemand unkalkulierbare hohe Risiken eingeht und dabei seine Sicherheit lieber einem wohlgesonnenen Schicksal überantwortet. Es könnte auch für die Haushaltspolitik in Bezug auf die Bundespolizei gelten.
Denn mindestens seit 2014 wird das gleiche Würfelspiel gespielt: Die Bundespolizeiführung stellt „maßvolle“, d. h. ohnehin zu niedrige Mehrforderungen für Personal und Sachausstattung, um den Polizeiauftrag zu erfüllen, das Bundesinnenministerium streicht diese zusammen (sattelt aber gelegentlich noch Zusatzaufgaben drauf), anschließend kürzt das Bundesfinanzministerium nochmals. Zum so verbliebenen bescheidenen Rest heben dann die Mitglieder des Bundeskabinetts die Hand und verabschieden – am tatsächlichen Sicherheitsbedarf vorbei – ihren Regierungsentwurf zum Bundeshaushaltsgesetz. Dessen Druckerschwärze ist noch nicht einmal trocken, da verkündet entweder der Finanzminister oder wahlweise der Innenminister, dass der eigene Beschluss schon wieder irgendwie doch nur Makulatur sei; man werde – Regierungsbeschluss hin oder her – nun im parlamentarischen Verfahren alles daran setzen, den eigenen Haushaltsansatz aufzuheben, d. h. verbessern zu lassen. Diese politischen Selbstüberholungen nennen sich dann „Sicherheitspakete“ oder so ähnlich …
Leider weiß am Anfang niemand so genau, was bei diesem Spiel „Ich ‚überwürfele‘ meine eigene Haushaltsforderung“ am Ende dann herauskommt.
Vieles dem Zufall geschuldet
Im letzten Jahr hatten die Tarifbeschäftigten Glück: Die Parlamentarier folgten der Forderung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zu 1033 Hebungen der niedrigsten Entgeltgruppen. So wird mit den jetzt für 2017 beabsichtigten weiteren Anhebungen von Entgeltgruppen – dank unseres Tarifvertrages – die Bewertungsstruktur für Arbeitnehmer der Bundespolizei revolutioniert und auf die Höhe der Zeit gebracht – was der Bundesinnenminister gar nicht gewollt hatte.
Glück hatten auch eine große Zahl von „Alt-POM“ und anderen Beförderungswartenden, dass die Abgeordneten beschlossen, nicht nur dreimal jährlich 1000 Zusatzstellen für Vollzug und Verwaltung einzurichten, sondern diese auch mit Beförderungsplanstellen zu unterlegen; auch das hatte die Regierung nicht gefordert.
Pech haben nun in diesem Jahr bisher die Bahnpolizisten und die Grenzpolizei. Denn der abgespeckte Regierungsentwurf zum Haushaltsgesetz hat die Forderungen der Bundespolizei radikal „rasiert“. Ohnehin war ein „Attraktivitätsprogramm“ nur für die Spitze in Form der Anhebung der Präsidentenstellen vorgesehen. Die überfällige weitere Stellenhebung vom mittleren in den gehobenen Dienst war ebenso wenig angedacht, wie die dringend notwendige und auch mögliche Erhöhung der Zahl der A11er-, A12er- und A13er-Planstellen.
Aber auch die selbstbescheidenen Forderungen aus Potsdam zur Verbesserung der Sicherheitslage fanden beim Finanzminister und den anderen keine Gnade. Von 350 Mehrforderungen für die Flughäfen blieben Null übrig, auch 240 geforderte Zusatzstellen für die Aus- und Fortbildung wurden mit der Folge des weiteren Personalabzuges aus den „Operativdiensten“ auf Null gesetzt. Die Mehrforderung der Bundespolizei nach 300 Bahnpolizisten schrumpfte am Kabinettstisch auf 100 zusammen.
Doch es war seither noch nicht einmal wieder Vollmond gewesen, da wurde der gerade beschlossene Haushaltsentwurf schon wieder zum „Irgendwie nicht so gemeint …“ erklärt und weitere Zusatzstellen in einem ominösen „mittleren vierstelligen Bereich“ in Aussicht gestellt. Diese sollen nun im parlamentarischen Verfahren „eingewoben“ werden.
Zu viele offene Fragen – zu viel bleibt unbeantwortet
Man fragt sich: Warum eigentlich nicht gleich so? Was soll das, einen Gesetzentwurf der Unterdeckung zu beschließen, von dem jeder ausgeht, dass er nicht gehalten wird?
Was ist das für eine politische Weitsicht, die es dem freien Spiel der Parlamentskräfte überlässt, ob nun die Grenzpolizei oder die Bahnpolizei verstärkt werden oder vielleicht doch die Bereitschaftspolizei? Was ist das für eine Politik, die sich einerseits zu einer neuen FRONTEX Verordnung auf EU-Ebene entschließt, aber die personellen Konsequenzen dieser Entscheidung im eigenen Haushaltsentwurf nicht berücksichtigt? Gilt der alte Führungsgrundsatz: „Wer befiehlt, stellt sicher“, nicht mehr? Wie soll man das nennen, wenn die Regierung zwar ein PNR-Verfahren bestimmt, aber kein Personal bewilligt? Wie soll man das bezeichnen wenn einerseits Masseneinstellungen beschlossen werden, aber das dafür nötige Ausbildungspersonal verweigert wird? Da werden amtlich „Zentrale Bearbeitungsstellen für Fahrgelddelikte“ (ZBFD) mit Bundespolizeilichen Unterstützungskräften eingerichtet, aber im Regierungsentwurf die „Entsperrung“ derer Stellen verweigert.
Wer sich noch an die „Evaluation der Neuorganisation“ erinnert, wird sich auch an das Ergebnis erinnern, dass die politisch versprochenen „1000 Mann mehr auf die Straße …“ dort nie angekommen sind. Die Regierungsantwort im Haushaltsentwurf 2017 lautet, einen zusätzlichen Schutzauftrag dem Kanzleramt „aufzudrücken“ und lieber noch einen zusätzlichen Direktionsstab zu planen, weil es der Bundespolizei an Stäben statt an Leuten auf der Straße fehlt?
Dabei liegen die wahren Personalbedarfszahlen auf dem Tisch. Die Bahnpolizei, die Bereitschaftspolizei, die Mobilen Kontroll- und Überwachungseinheiten und die Grenzpolizei, vor allem auch an den Westgrenzen, müssen deutlich aufgestockt werden; die Bedarfe der Flughäfen sind bekannt.
Das System der letzten Jahre, diese auf dem Tisch liegenden, durchgerechneten und von der Bundespolizeiführung geforderten Mehrbedarfe am Kabinettstisch erst „wegzustimmen“, um dann im Gesetzgebungsverfahren das genaue Gegenteil zu fordern, schafft kein Vertrauen bei den Bundespolizistinnen und -polizisten.
Ohne Frage: Den Innenpolitikern und den Haushaltspolitikern von CDU/CSU und SPD gebührt aufrichtiges Lob für ihre Anstrengungen der letzten Jahre. Ohne ihr Interesse, ohne ihre Initiative, hätte es die durchgreifenden Verbesserungen nicht gegeben. Und es ist auch lobenswert, den Gesetzentwurf der Regierung positiv zu verändern.
Das lässt allerdings die Frage offen, warum zum dritten Mal in Folge der Regierungsentwurf den sicherheitspolitischen Anforderungen wieder nicht genügt und von seinen Verfassern selbst als verbesserungswürdig deklariert wird?
Was man vermisst, ist eine klare sicherheitspolitische Linie. „Kein Ziel, nirgends“ lautet die Befürchtung, wenn das in „hasard“-Manier so weitergeht.
Die seit vielen Jahren auch im Sachhaushalt unterfinanzierte Bundespolizei, die sich in einer „Melange“ aus Spritsparanordnungen, fehlender Ausstattung, teilweise Uralt-Kfz, fehlendem Geld für Hubschrauber und Boote und teils verrotteten Dienststellen (wie z. B. in Passau) bewegte, schlingert sich dank der Hilfe der Parlamentarier einer hoffentlich besseren Zukunft entgegen. – Aber das genügt nicht.
Ein klares, langfristig angelegtes Konsolidierungsprogramm tut not
„Zehn mal Tausend“ bringt es die GdP in ihrem Vorschlag für ein solches Programm auf den Punkt: zehn Jahre lang tausend Zusatzeinstellungen. Und wir wissen uns darin mit den Führungskräften sehr einig. Planmäßig steuerbar, politisch verlässlich und mutig die Bundespolizei auf die Höhe ihrer (wachsenden) Aufgaben zurückbringen – das ist unser Anspruch an Sicherheitspolitik.
Wir werden nun in den kommenden Wochen sehen, wie sich dieses Vorhaben in den Haushaltsberatungen umsetzen lässt. Als GdP setzen wir auf unsere vertrauten Gesprächspartner in der Union und der SPD, weil es bei der Frage der Einsatzbereitschaft und der Zukunftssicherheit der Bundespolizei keine zwei Meinungen geben kann.