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20. Ordentlicher Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Mai 2014:

"Es ist nicht das Leben der Polizei, systematisch bestimmte politisch motivierte Straftaten zu verdecken"

Rede des GdP-Bundesvorsitzenden Oliver Malchow zum Antrag des DGB-Bundesjugendausschusses mit dem Thema "Wiederaufnahme des NSU-Untersuchungsausschusses"

Berlin.

"Wir versprechen uns in der Antragsberatungskommission von einem neuen NSU-Untersuchungsausschuss, der diesen Prozess der Umsetzung aufhalten würde, eigentlich nichts Neues und empfehlen deshalb, diesen Antrag abzulehnen und eher auf die Umsetzung der Ergebnisse zu drängen", sagte Ernst Scharbach, Sprecher der Antragsberatungskommission und GdP-Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz. Zu diesem Antrag meldete sich auch der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow zu Wort. Bitte lesen Sie seinen Beitrag im Wortlaut oder schauen Sie sich das Video seines Redeauftritts an.



Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich vor zwei Tagen zum Thema ziviler Ungehorsam hier gesprochen habe, fiel mir das bei weitem nicht so schwer, wie das bei diesem Thema der Fall ist. Ich habe mir auch nicht umsonst mein dunkles Jacket angezogen.

Ich bin in meinem anderen Leben über zehn Jahre bis Mai letzten Jahres Leiter einer Kriminalpolizei im Landkreis Ostholstein – das ist die Ostseeküste hoch – gewesen. Der Untersuchungsausschuss hat festgestellt, dass auf der Insel Fehmarn die drei Mörder, also die Angehörigen der Gruppe NSU, über viele Jahre ihren Urlaub verbracht haben. Ich bin, als dann die Ermittlungen so weit waren, als uns mitgeteilt wurde, dass sie dort über viele Jahre ihren Urlaub verbracht haben, aufgefordert worden, eine Stellungnahme dazu abzugeben, warum es mir nicht möglich war als Leiter der Kriminalpolizei, dieses festzustellen.

Die Antwort ist vielleicht in diesem Fall banal und traurig wegen der Folgen, aber sie ist Realität: Menschen, die in Schleswig-Holstein Urlaub machen, werden von der schleswig-holsteinischen Polizei nicht beobachtet. Sie werden nicht verfolgt, und man spioniert ihnen nicht nach. Ich möchte, dass diese Aussagen wahrgenommen werden unter dem, was ich am Anfang gesagt habe, dass es mir schwerfällt, überhaupt zu diesem Thema zu sprechen. Das fällt nicht nur mir schwer, sondern auch meinen Kolleginnen und Kollegen, die, seit die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses da sind, an ganz vielen Stellen geschwiegen haben. Sie haben geschwiegen, obwohl es Vorwürfe gegen sie gab, weil sie in dem Moment, in dem sie sich geäußert hätten, den einen oder anderen der Hinterbliebenen der zehn Opfer möglicherweise erneut zu Opfern gemacht hätten. Deswegen haben wir als Gewerkschaft der Polizei nichts dazu gesagt. Wir könnten zu manchen Ermittlungsergebnissen, die nicht zu den Tätern geführt haben, aber die im Rahmen der Ermittlungen zu Straftaten, auch zu gravierenden Straftaten geführt haben, einiges sagen. Aber das spielt an dieser Stelle keine Rolle.

Es geht mir mit meinen Ausführungen nicht um die Frage, ob wir einen erneuten Untersuchungsausschuss benötigen oder nicht. Es geht bei mir um die Frage: Was drückt der Antragsteller aus, was ist seine Motivlage für das Thema eines erneuten Untersuchungsausschusses? Wir haben hier ja einige Beiträge gehört. Es geht um die Frage, ob es in staatlichen Stellen – ich würde mal sagen, damit werden wohl Polizei, Verfassungs- und Staatsschutz gemeint sein – institutionellen Rassismus gibt, vielleicht das Mitmachen, das Mitfinanzieren von Zellen.

Wenn sich drei Menschen in Deutschland über mehrere Jahre auf den Weg gemacht haben, Menschen zu ermorden – übrigens, ein Opfer ist unsere Kollegin, eine Polizeibeamtin; auch diese ist ermordet worden -, wenn drei Leute hier in Deutschland konspirativ agieren, nicht über das Internet kommunizieren, sich nicht zu Taten bekennen, nichts sagen, sondern Taten begehen, dann haben es Ermittlungen und die, die sie leiten, äußerst schwer, weil es für viele Dinge dann keine Anhaltspunkte gibt.

In meiner Funktion als Leiter einer Kriminalpolizei war ich selber dabei, als die Verantwortlichen der Sonderkommission in Schleswig-Holstein – das haben sie in jedem Bundesland gemacht – alle Leiter von Kriminalpolizeien zusammengerufen haben, um ihren Ermittlungsstand darzustellen und zu sagen: Wir wissen nicht weiter, wir wissen nicht, in welche Richtung wir noch ermitteln sollen, wir haben keine Anhaltspunkte dafür, in welche Richtung wir weiter schauen müssen. Kann es sein, dass ihr durch das, was wir euch hier als Ermittlungsergebnisse präsentieren, vielleicht den einen oder anderen Hinweis habt, sodass wir weiterkommen?

Wir reden hier über Leute, die in der Phase der Ermittlungen nichts von Arbeitsschutz und Arbeitszeiten kennen, die nichts von Einheit von Beruf und Familie kannten, die nächtelang nicht schlafen konnten, obwohl sie zwei oder drei Stunden Zeit hatten, weil sie sich auf den Weg gemacht haben, um Mörder in Deutschland dingfest zu machen. Das ist das Leben der Polizei. Es ist nicht das Leben der Polizei, systematisch bestimmte politisch motivierte Straftaten zu verdecken oder finanziell zu unterstützen oder andere Kollegen auf den Irrweg zu bringen. Diese Kollegen sind mit den Berichten und solchen Unterstellungen das zweite Mal brüskiert und verletzt worden. Diese haben sich Mühe gegeben, um Straftäter schlimmster Art zu er-mitteln. Sie haben tage-, wochen-, monatelang Überstunden geschoben, die sie in ihrem gesamten Berufsleben nicht abbauen werden, weil sie sie nicht bezahlt kriegen und so viele Stunden haben, dass sie sie nicht weg kriegen. Das machen sie, weil sie ein Berufsethos haben und sagen: Wir müssen da handeln. Polizisten in Mordkommissionen ist es völlig egal, ob das ein Mann, eine Frau, jemand mit Migrationshintergrund, groß, klein oder sonstwas ist. Es geht um die Aufklärung von Taten.

Ich bitte Euch darum, das bei Eurer Bewertung zu berücksichtigen. Wir zeichnen sonst ein falsches Bild. Der Untersuchungsausschuss hat einiges dargestellt, was schiefgelaufen ist. Wir haben uns als Gewerkschaft der Polizei dazu bekannt und haben gesagt: Gemeinsam müssen wir da hingucken, das ist eine Schande für uns als Apparat. Wir haben deutlich unsere Grenzen aufgezeigt bekommen. Aber – das verzeiht mir als Letztes hier sagen zu dürfen – Polizei darf sich nur in dem ihr zugewiesenen Recht aufhalten. Ich hatte nie das Recht, Touristen, die in Schleswig-Holstein Urlaub gemacht haben, zu überprüfen, und das will ich auch nicht haben. - Herzlichen Dank. (Beifall)

Oliver Malchow
Berlin, 15. Mai 2014
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