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Gleichgeschaltet – Polizei und Polizeigewerkschaft im Nationalsozialismus




Polizeigewerkschaften
Nach der Machtergreifung Ende Januar 1933 begannen die Nationalsozialisten im Zuge ihrer „nationalsozialistischen Revolution“ sofort damit, die Polizeiorganisation nach ihren Vorstellungen umzubauen. Ein erster Schritt auf diesem Weg lag in der Zerschlagung der Polizeigewerkschaften.

Der Großteil der Polizeiverbände - und unter ihnen im Besonderen der Schrader-Verband - hatten sich durch ihre demokratische Haltung den Hass der Nationalsozialisten zugezogen. Indem sie ihre Organisationen zerstörten, entzogen die Nazis etwaigen Widerstandsbestrebungen republikanisch gesinnter Beamter den Boden. Gleichzeitig nutzten sie die bestehenden Strukturen, wie beispielsweise die Verbands-Zeitungen, um ihre Propaganda zu verbreiten und die Gleichschaltung der Polizei und ihrer Vereinigungen voranzutreiben. So wurden die Eintrittserklärungen zum neu geschaffenen nationalsozialistischen „Kameradschaftsbund Deutscher Polizeibeamter e. V.“ als Beilage mit der Augustausgabe der Verbands-Zeitung, des am 29. Juli 1933 aufgelösten Schrader-Verbandes, verschickt.


5.3.1933: Nationalsozialistischer Hilfspolizist und Schutzpolizist am Tag der Reichstagswahl in Berlin / Süddeutsche Zeitung Photo.


Am 17. Juli verkündete der spätere Bundesleiter des Kameradschaftsbundes, Willi Luckner, per Erlass , dass sämtliche Polizeiverbände bis zum 31. August ihre satzungsgemäße Auflösung zu vollziehen hätten. Ihre Mitglieder wurden unter starkem Druck der NSDAP in den am 1. September 1933 offiziell gebildeten Kameradschaftsbund überführt. Dieser richtete seine Geschäftsstelle in der Lützowstraße 73 in Berlin ein und war über einzelne Landesbünde gegliedert, die sich wiederum in Gaue unterteilten. Das es sich bei der nationalsozialistischen Polizeiorganisation keineswegs um eine Interessenvertretung nach gewerkschaftlichen Maßstäben handelte, verdeutlicht die Satzung des Kameradschaftsbundes; Landesbund Preußen. Darin hieß es unter anderem:
  • §1 - Zur Zusammenfassung der deutschen Polizeibeamten im Sinne der Aufgaben des nationalsozialistischen Staates ist der Kameradschaftsbund Deutscher Polizeibeamten mit dem Sitz in Berlin gegründet worden. Er ist in das Vereinsregister eingetragen. Die Mitglieder des Kameradschaftsbundes Deutscher Polizeibeamten sind gleichzeitig Mitglieder des Reichsbundes der Deutschen Beamten gem. § 3, Abs. 3 der Satzung des Reichsbundes der Deutschen Beamten.
  • §2 Der Bund hat den Zweck und die Ziele:
      1. unter seinen Mitgliedern echte deutsche Kameradschaft zu pflegen, die auf der Verbundenheit durch deutsches Blut und deutschen Boden auf nationalsozialistischer Weltanschauung und nationaler Überlieferung beruht und geeignet ist, die Mitglieder zur vollen, freiwilligen und selbstlosen Hingabe an die Führer des Staates und an das Volk zu erziehen.
  • §11 Der Bund wird nach dem Führerprinzip geleitet und verwaltet. Der Leiter des Bundes wird vom Reichsminister des Innern berufen. Der Leiter des Bundes, im Verhinderungsfalle der von ihm ernannte Stellvertreter, ist Vorstand im Sinne des § 26 BGB. Der Bundesleiter führt sein Amt nach den Weisungen des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern. Die Aufgaben des Reichsbundes der Deutschen Beamten sind im Einvernehmen mit dessen Reichswalter zu berücksichtigen.[…] 2
Damit war die gewerkschaftliche Organisation der Polizeibeamten in Deutschland an ihrem vorläufigen Ende angelangt. Eine echte Gewerkschaft, die sich nicht auf die propagandistische Unterstützung der Regierung und die Verwaltung von Selbsthilfe-Einrichtungen beschränkte, entstand erst wieder nach dem Ende des 2. Weltkrieges.

Der in der Satzung erwähnte „Reichsbund der Deutschen Beamten“ (RDB) war aus dem von den Nationalsozialisten ebenfalls übernommenen und gleichgeschalteten Deutschen Beamtenbund (DBB) hervorgegangen. Er fungierte als Dachverband für die Beamtenschaft, wurde in der Realität aber nur zu deren „Umerziehung“ im Sinne des nationalsozialistischen Systems missbraucht. Eine Interessenvertretung der Beamtenschaft war im Nationalsozialismus weder vorgesehen, noch wurde sie für notwendig gehalten.

Der Reichsinnenminister, Wilhelm Frick, formulierte die Auffassung der Nationalsozialisten in einem Erlass vom 17. Juli 1933 wie folgt:



Die „Säuberung“ der Polizei
Nachdem die Polizeigewerkschaften auf diese Weise beseitigt worden waren, wurde auch die Polizei selbst nach den Vorstellungen der Nationalsozialisten umgebaut. Am Anfang stand die politische „Säuberung“ der Polizei. In Preußen wurde diese von Hermann Göring, seit dem 30. Januar 1933 Landesinnenminister und damit oberster Dienstherr aller Polizeibeamten im Land, koordiniert. Dieser ersetzte den bisherigen Ressortchef der preußischen Polizei Klausner, einem Mann der den republikanischen Polizeibeamtenverbänden besonders nahe stand, durch Kurt Daluege.


1933: Nationalsozialistische Hilfspolizisten erhalten ihre Ausweise / Süddeutsche Zeitung Photo.

Daluege, Anführer der Berliner SA und bis zur Machtergreifung der Nazis als Ingenieur bei der Berliner Müllabfuhr beschäftigt, begann umgehend damit, politisch unliebsame Beamte aus dem Dienst zu entfernen. Die preußische Polizei galt den Nazis als besonders von „marxistischer Gesinnung“ durchsetzt. Nutzte man vorerst nur die im Polizeibeamtengesetz festgelegten Mittel, wurde am 7. April 1933 mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufbeamtentums“ eine rechtliche Grundlage geschaffen um oppositionelle und „nicht-arische“ Beamte aus dem Staatsdienst zu entlassen.

Darin heißt es:
  • §1
    • (1) Zur Wiederherstellung eines nationalen Berufsbeamtentums und zur Vereinfachung der Verwaltung können Beamte nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen aus dem Amt entlassen werden, auch wenn die nach dem geltenden Recht hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
    • (3) Beamte im Sinne des Gesetzes sind auch Beamte im einstweiligen Ruhestand.
  • §2
    • (1) Beamte, die seit dem 9. November in das Beamtenverhältnis eingetreten sind, ohne die für ihre Laufbahn vorgeschriebene oder übliche Vorbildung oder sonstige Eignung zu besitzen, sind aus dem Dienst zu entlassen. Auf die Dauer von drei Monaten nach der Entlassung werden ihnen ihre bisherigen Bezüge belassen.
  • §3
    • (1) Beamte, die nichtarischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand […] zu versetzen. Soweit es sich um Ehrenbeamte handelt, sind sie aus dem Amtsverhältnis zu entlassen.
  • §4 Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten, können aus dem Dienst entlassen werden. Auf die Dauer von drei Monaten nach der Entlassung werden ihnen ihre bisherigen Bezüge belassen. Von dieser Zeit an erhalten sie drei Viertel des Ruhegeldes (§8) und entsprechende Hinterbliebenenversorgung. […] 4
Neben den offiziellen Entlassungen kam es auch überall in Deutschland zu Racheakten. Besonders SA-Männer sahen die Chance, sich für vergangene Verhöre und Festnahmen zu rächen. Zudem wurden politische Gegner, darunter viele ehemalige Gewerkschaftsfunktionäre, in „Schutzhaft“ genommen und erst in Gefängnisse später auch in neu errichtete Konzentrationslager gebracht. Das schon früher bekannte Mittel der Schutzhaft wurde von den Nationalsozialisten ins Gegenteil verdreht. Nicht die Verhafteten galt es nach ihrem Verständnis zu schützen, sondern die Gesellschaft sollte vor ihnen geschützt werden.

Die nach dem Reichstagsbrand am 28. Februar 1933 verkündete „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ (auch Reichstagsbrandverordnung genannt) lieferte ihnen dafür die rechtliche Grundlage. Der darin erklärte Notstand, der die fundamentalsten Rechte der Menschen außer Kraft setzte, wurde erst nach Zusammenbruch des NS-Regimes aufgehoben.

Bereits am 1. Februar 1934 konnte Dalueges an Hitler berichten:„Die Säuberung der Polizeioffizierskorps und der Beamtenschaft von wesensfremden und national unzuverlässigen Elementen ist zum größten Teil durchgeführt.“ 5


Polizei im Nationalsozialismus
Die Geschichte der Polizei im Nationalsozialismus hat in den letzten Jahren eine gute Aufarbeitung in den Geschichtswissenschaften erfahren. An dieser Stelle sollen nur einige ideologische und frühe organisatorische Grundzüge dargestellt werden.


1933: Hermann Göring inspiziert Berliner Polizisten / Süddeutsche Zeitung Photo.

Es wäre grundlegend falsch zu behaupten, dass die Polizei durch den NS-Staat missbraucht und damit selbst nur Opfer des Terrorregimes gewesen sei. Erkennbar ist jedoch, dass durch die systematische Aussonderung politisch oppositioneller und aktiver Beamter jene Polizeibedienstete, die neutral oder sogar republikanisch eingestellt, aber politisch nicht aktiv waren, sicher massiv eingeschüchtert wurden. Der organisatorische Umbau der Polizei begann schon kurz nach der Machtergreifung.

Mit seinem Erlass vom 28. Februar 1933 verfügte Göring die Aufnahme von SA und SS-Mitgliedern als „Hilfspolizei“ in den Polizeidienst. Bis Dezember wurden 3.669 Mitglieder aus Stahlhelm, NSDAP, SA und SS als Hilfspolizisten in die preußische Polizei aufgenommen. Daneben entstand schon 1933 die Geheime Staatspolizei (Gestapo), die zur Verfolgung politischer Gegner eingesetzt wurde. Neben dieser und der SS und SA, welche man in den folgenden Jahren ebenfalls mit polizeilichen Aufgaben betraute, versahen die Sicherheitspolizei (Sipo), die Ordnungspolizei (Orpo) und der Sicherheitsdienst der Partei (SD) im Nationalsozialismus Polizeiarbeit. Ab 1936 ging die Polizeihoheit von den Ländern auf das Reich über. In einem Leitartikel von 1941 mit dem Titel „Die Ordnungspolizei auf dem Weg zur Einheit von SS und Polizei“ zog man Resümee:



Die Ideologie hinter der Polizei war im Nationalsozialismus deckungsgleich mit der der Partei. Als „innere Wehrmacht“ war sie einzig dem Willen der NSDAP und ihrem Führer unterstellt und hatte diesen auf der Straße durchzusetzen. Dies äußerte sich nicht zuletzt darin, dass Polizeioffiziere nicht länger, wie in der Weimarer Republik, der Verfassung ihre Treue schwuren, sondern den Eid allein auf Adolf Hitler ablegten. Dieser setzte die Polizei nicht nur im Reich ein, um sein Terrorregime durchzusetzen, sondern auch in den während des 2. Weltkrieges besetzten Ostgebieten. Das zivile Polizeiverständnis der Weimarer Demokratie wurde ebenfalls zurückgenommen und durch ein militärisches ersetzt.

Die Polizei im Nationalsozialismus war ein streng hierarchisch gegliedertes Machtinstrument in den Händen der NSDAP, das zur Unterdrückung jeglichen, auch nur vermuteten Widerstands rücksichtslos eingesetzt wurde.

Quellenangaben:

1 Zitiert nach Gniesmer S. 34
2 Zitiert nach Gniesmer S. 32
3 Zitiert nach Leßmann S. 381-382
4 Zitiert nach Erb S. 214-215
5 Zitiert nach Volquardts S. 76
6 „ Die Deutsche Polizei“ vom 15.09.1941, Jg. 9 Nr. 18


Quellen:

Erb, Dirk (2001): Gleichgeschaltet. Der Nazi-Terror gegen Gewerkschaften und Berufsverbände 1930 bis 1933 ; eine Dokumentation. 1. Aufl. Göttingen: Steidl.

Gniesmer, Friedrich (1980): Der Weg zur und mit der GdP. In: A. Dietel (Hg.): Die deutsche Polizei. Ihre Geschichte, ihre Gewerkschaft, Daten, Fakten Meinungen ; 1950 - 1980 ; 30 Jahre Gewerkschaft der Polizei. Hilden.

Gruchmann, Lothar (2001): Justiz im Dritten Reich. 1933 - 1940 ; Anpassung und Unterwerfung in der Ära Gürtner. 3. Aufl. München: Oldenbourg (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, 28).

Kosthorst, Erich (1983): Konzentrations- und Strafgefangenenlager im Dritten Reich. Beispiel Emsland. Düsseldorf: Droste.

Leßmann, Peter (1989): Die preußische Schutzpolizei in der Weimarer Republik. Streifendienst und Straßenkampf. Düsseldorf: Droste.

Reuter, Manfred (2012): "In Treue fest". Eine Studie über ausgewählte Polizeigewerkschaften und Polizeigewerkschafter in der Weimarer Republik. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Verlag für Polizeiwissenschaft (Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Polizeigeschichte e.V, 14).

Schütz, Dieter (1992): Zwischen Standesbewußtsein und gewerkschaftlicher Orientierung. Beamte und ihre Interessenverbände in der Weimarer Republik

Volquardts, Elisabeth (2001): Beamtenverbände im Nationalsozialismus. Univ, München, Kiel.
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