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Spitzentreffen von Fußball und Polizei:

Feindbilder ins Abseits – Dialog für Sicherheit im Fußball

Frankfurt a. M.

„Feindbilder ins Abseits“ – so lautete das Motto eines gemeinsam vom Deutschen Fußball-Bund (DFB), dem Ligaverband und der Gewerkschaft der Polizei (GdP) veranstalteten Kongresses für mehr Sicherheit im Fußball in Frankfurt am Main. Rund 300 Teilnehmer aus Verbänden, Vereinen, der Polizei und Fangruppierungen waren der Einladung gefolgt, um über gemeinsame Wege und neue Ansätze in der Präventions- und Fan-Arbeit zu diskutieren.

DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger stellte in seiner Begrüßung die positive Kraft des Fußballs heraus. „Wir sollten bei dieser wichtigen, notwendigen, häufig emotional geführten Diskussion nicht vergessen, dass jedes Wochenende in Deutschland rund 80.000 Fußballspiele stattfinden, die bis auf wenige Ausnahmen alle friedlich verlaufen. Gewalt ist ein gesellschaftliches Phänomen mit vielfältigen Ursachen. Unser Fußball kann Menschen aus unterschiedlichen kulturellen oder sozialen Kreisen zusammen führen und er muss all diejenigen stärken, die sich für dieses friedliche Miteinander einsetzen. Nachhaltig wirkende Präventionsarbeit ist der richtige Weg zu noch mehr Sicherheit, polemische Interessenpolitik ist dabei fehl am Platz.“

In der vergangenen Saison kam es von der Bundesliga bis zur Regionalliga und im DFB-Pokal bei 1973 Spielen zu 13 Vorfällen, die als Gewalttaten im engeren Sinn, also Gewalt gegen Personen, erfasst wurden. Das entspricht 0,66 Prozent. Für Helmut Spahn, den Sicherheitsbeauftragten der DFB, ein erfreulicher Trend, der fortgesetzt werden soll: „Verfestigte Feindbilder abzubauen war unser Ziel, damit sich die Spirale gegenseitiger Vorhaltungen nicht weiter dreht und Alibi für diejenigen ist, die die Bühne Fußball für ihre Zwecke missbrauchen. Das haben wir erreicht. In Zukunft müssen gemeinsame Lösungen gefunden werden, um Fußballspiele noch sicherer zu machen. Sicherheit darf hierzu kein Selbstzweck sein, sondern hat immer der Maxime zu folgen ‚Soviel Sicherheit wie nötig, bei so wenig Einschränkungen wie möglich’. Hierzu sind alle aufgefordert ihren Beitrag zu leisten!“

Mehr Respekt, mehr Dialog: Fans und Polizei sollten mehr voneinander wissen, sagte GdP-Vorsitzender Bernhard Witthaut. Zudem müsse die Sozialarbeit im Fußball deutlich gestärkt werden. Bitte klicken Sie für die Wiedergabe des DFB-TV-Berichts auf das Foto. Eine ausführliche Videoberichterstattung finden Sie nach dem Klick in das DFB-TV-Archiv.

Holger Hieronymus, stellvertretender Vorsitzender der DFL-Geschäftsführung, sagt: „Es war wichtig und notwendig, dass wir in aller Offenheit über die unterschiedlichen Zwänge, aber auch gemeinsame Ideen und neue Handlungsansätze gesprochen und den belastbaren Dialog mit allen Beteiligten weiter vertieft haben. Wir legen großen Wert darauf, auch in Zukunft gemeinsam konkrete Maßnahmen für mehr Sicherheit im Fußball herbei zu führen. Unser Ziel muss es weiterhin sein, pragmatische Lösungen zu suchen und konsequent für deren Umsetzung zu kämpfen.“
Für einen engen Dialog mit dem Fußball setzt sich Bernhard Witthaut, der Bundesvorsitzende der GdP, ein: „Unsere Sorgen über die wachsende Gewalt im Umfeld des Fußballgeschehens und die damit verbundene polizeiliche Belastung dürfen nicht allein bei den Fußballverbänden und den Vereinen abgeladen werden. Mit dieser Erkenntnis kommen wir unserem gemeinsamen Ziel ein gutes Stück näher, deutlich zu machen, dass Verbände, Vereine, Polizei und Fußballfans keine Gegner, sondern Teamplayer sind. Notwendig zu einem solchen Prozess sind natürlich deutliche Worte, aber auch konkrete Maßnahmen wie beispielsweise Alkoholverbote in Zügen der deutschen Bahn bei Risikospielen.“
„Wir leisten in vielen Fällen Sozialarbeit“, sagte GdP-Chef Bernhard Witthaut
im Interview mit DFB.de-Redakteur Thomas Hackbarth

Vor dem Kongress-Anpfiff: Fußball und Polizei sind sich einig; der Dialog muss intensiviert werden. (v.l.) GdP-Vorsitzender Bernhard Witthaut, Wolfgang Niersbach (DFB-Generalsekretär), DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger und der Vize-Präsident des Ligaverbandes und Präsident des Bundesligisten FSV Mainz 05, Harald Strutz. Foto: Zielasko

In Kurzreferaten stellten Wissenschaftler, Polizisten, Journalisten und Fan-Vertreter verschiedene Themen vor, die sich mit dem Thema Sicherheit im Fußball befassen. Zu den Referenten gehörten Harald Strutz, Vize-Präsident des Ligaverbands, Prof. Dr. Gunter A. Pilz (Wissenschaftler und Fanforscher), Christian Kusch (Bundesbereitschaftspolizei), Thomas Beckmann (Leiter Fanprojekt Mainz und BAG-Sprecher), Sandra Smisek (Polizistin und ehemalige Nationalspielerin), Johannes Liebnau (Chosen Few, Ultragruppe Hamburg), Heinz Lennartz (Hundertschaftsführer Mönchengladbach), Christoph Ruf (freier Journalist) und Jens Volke (Fanbeauftragter Borussia Dortmund).

Bei einer abschließenden Podiumsdiskussion erörterten GdP-Bundesvorsitzender Bernhard Witthaut, der stellvertretende Vorsitzende der DFL-Geschäftsführung Holger Hieronymus, der DFB-Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn, Michael Gabriel als Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) und Wilko Zicht vom Bündnis aktiver Fußball-Fans (BAFF) mit den Kongressteilnehmern die aktuelle Situation und künftige Maßnahmen. In einem waren sich am Ende des Kongresses alle einig: Feindbilder gehören ins Abseits.



Statement (pdf) des GdP-Vorsitzenden Bernhard Witthaut anlässlich des gemeinsamen Kongresses von DFB, DFL und GdP unter dem Motto
„Feindbilder ins Abseits“ – Polizei, Fans, Verbände und Vereine im Dialog"
in Frankfurt a. M. am 12. Januar 2011

Am 15. Mai 2009 haben Experten und Praktiker auf dem Symposium „Fußball und Gewalt“ der Gewerkschaft der Polizei im Olympiastadion in Berlin ein realitätsnahes und daher eindrucksvolles Bild der polizeilichen Anforderungen und den physischen und psychischen Belastungen vermitteln können, die Fußballeinsätze mit sich bringen. Und in der Tat: Die Fakten sprechen für sich.

So hat allein im Fußballgeschehen die Einsatzbelastung der Polizeien der Länder und des Bundes in der Saison 2008/2009 einen Rekordwert von über 1,5 Millionen Einsatzstunden erreicht. Das entspricht der Jahresarbeitszeit von 1.174 Polizeibeamten und –beamtinnen. Bei Einsätzen rund um den Fußball hat es in den letzten neun Jahren einen Anstieg von rund 600.000 Arbeitsstunden gegeben. In der Saison 2008/2009 mussten also gegenüber der Saison 2000/2001 460 Polizeibeamte mehr eingesetzt werden, die, rein statistisch, nicht anderes machen, als von morgens bis abends und das ganze Jahr über problematische Fangruppen zu begleiten.
Ein Ende dieser wachsenden Einsatzbelastung ist nicht in Sicht. Die Vergleichsdaten für die Saison 2009/2010 liegen uns noch nicht vor.

Ein Blick allein auf die Begegnungen in der Bundesliga spricht jedoch Bände. So waren bei den 306 Spielen der 1. Bundesliga in der Saison 2008/2009 537.000 Einsatzstunden zu erbringen, in der Saison 2009/2010 574.000. In der 2. Bundesliga erhöhte sich die Zahl der Einsatzstunden bei 306 Spielen von 292.000 Einsatzstunden in der Saison 2008/2009 auf 409.000 Einsatzstunden in der Saison 2009/2010. Nicht unwesentlich dazu beigetragen hatte in dieser Saison der Aufsteiger Fortuna Düsseldorf. Düsseldorf mit seinem Ambiente und vor allem der Kneipenkonzentration in der Düsseldorfer Altstadt wurde zu einem beliebten Reiseziel auswärtiger Fans. Genau diese Entwicklung führte hingegen in der 3. Liga bei 380 Spielen zu einem merkbaren Rückgang nämlich von 336.000 Einsatzstunden in der Saison 2008/2009 auf 259.000 Einsatzstunden in der Saison 2010.

Alkoholmissbrauch schafft Gewalt: GdP-Vorsitzender Bernhard Witthaut bei seinem Grundsatzstatement. Foto: Zielasko
So viel steht fest: Für die Polizei ist das Limit erreicht. Nicht nur, was die Belastung der einzelnen Kolleginnen und Kollegen betrifft, die kein freies Wochenende mehr haben, sondern was die personellen polizeilichen Ressourcen überhaupt betrifft.

In nahezu allen Bundesländern liegen aufgrund der Haushaltssituation Pläne für einen weiteren Personalabbau in den Schubladen. Einige werden künftig nicht mehr in der Lage sein, einen größeren Einsatz ohne Unterstützungskräfte aus anderen Bundesländern überhaupt zu leisten. Ein solcher Kandidat ist das Land Brandenburg, das die Polizei reduziert, die Fußballszene aber um einige besonders prekäre Vereine bereichert hat. Bundesländer, die wie Nordrhein-Westfalen, von einer restriktiven Personalpolitik durch erhöhte Einstellungszahlen nicht zuletzt aufgrund der überzeugenden Argumente der Gewerkschaft der Polizei längst Abstand genommen haben, haben hier das Nachsehen, da sie unaufhörlich Unterstützung über die Landesgrenzen hinaus leisten müssen.

Den gewaltigen Anstieg an Polizeieinsätzen hat nicht der Fußballsport zu verantworten. Der Deutsche Fußballbund, die Deutsche Fußballliga

und die Vereine bemühen sich nach Kräften, die Stadien und den Spielbetrieb sicherer zu machen. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen spielen sich überwiegend am Rande von Fußballbegegnungen auf öffentlichem Boden und dem Schienennetz ab.

Dass der Fußball für gewaltbereite Gruppen oft nur eine Nebenrolle spielt, zeigt ein Ereignis vor wenigen Wochen: Per Telefon verabredeten sich drei Gruppen in der Nacht zum 28. November vergangenen Jahres vor dem Moselstadion in Trier. Mit einem Großaufgebot konnte die Polizei die Massenschlägerei von rund 40 Personen vor dem leeren Stadion verhindern, die zum Teil aus Gelsenkirchen und Koblenz angereist waren. Dieses Phänomen ist in England bereits bekannt. Nach dem Vorbild so genannter „Firms“-Gruppierungen verabredet man sich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, die nicht einmal am Rande von Fußballspielen stattfinden sollen, sondern dort, wo überhaupt nicht gespielt wird.

Am Fußball macht sich eine Gewaltentwicklung fest, die in unserer Gesellschaft zu lange ignoriert oder verharmlost wurde. Deshalb ist es eine unsinnige Forderung, die Vereine mit den Kosten der Polizeieinsätze zu belasten. Wer glaubt, dass eine Sonder-Sicherheitsabgabe von Fußballvereinen angesichts der äußerst leeren Staatskassen und angesichts der massiv zupackenden Schuldenbremse tatsächlich der Polizei zu Gute käme, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Nein, diese Forderung ist politisch unsinnig und juristisch falsch, denn unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung müssten alle Veranstalter zusätzlich zur Kasse gebeten werden. Auch Bürgerfeste, Weinfeste, Herbstfeste und andere gesellschaftliche Veranstaltungen leiden mittlerweile unter Gewalteskalationen und benötigen nicht selten zusätzlichen Polizeischutz. Da verabredet sich ein gewalttätiger Mob per Handy oder Internet, irgendwo und nur so zum Spaß so ein Fest zu überfallen.
Es wäre allerdings verfehlt, die seit den 60er Jahren berühmt gewordenen sogenannten „gesamtgesellschaftlichen Ursachen“ verantwortlich zu machen und sich entspannt zurückzulehnen.

Das Fußballgeschehen ist nicht die Ursache, aber es kristallisiert diese gesellschaftlichen Erscheinungen, die sich natürlich auch an den 1,7 Millionen Fußballspielen jährlich festmachen und uns alle zu Konsequenzen zwingen. Für die Polizei habe ich den Wendepunkt markiert: mehr personelles Engagement können wir nicht leisten. Es ist ohnehin die Frage, ob es nicht eine Zumutung ist, dem normalen Bürger, der mit seinen Steuern die Polizei bezahlt und der ein Recht auf innere Sicherheit hat, weiterhin jährlich eineinhalb Millionen Einsatzstunden „seiner“ Polizei vorzuenthalten.

Deshalb bleiben die Forderungen der GdP weiterhin auf der Agenda, aus denen ich einige Schwerpunkte zitiere:
  • Entzerrung der Spielpläne durch Rücksichtnahme auf feststehende und flexible Termine und Reaktion auf kurzfristig auftretende Situationen/Terminkollisionen – notfalls bis zur Spielabsage.
  • Konsequente Durchsetzung der Sicherheitsvorschriften aus den Sicherheitsrichtlinien auch bei unteren Ligen (4. + 5).
  • Stadionverbote müssen einheitlich gehandhabt werden – auch in klassentieferen Ligen. Stadionverbote sollten verstärkt zu Transportverboten der Deutschen Bahn führen.
  • Ausbau der Fanbetreuung auch bei Vereinen in niedrigeren Ligen – auch mittels finanzieller Unterstützung DFB (oder DFL – da Vereine der 1., 2. und auch 3. Liga Interesse daran haben müssen, dass Fußball kein negatives Image erhält).
  • Vereine müssen animiert werden, entschiedener gegen Gewalttäter vorzugehen.
  • Zuverlässigkeit der Ordnungsdienste in unteren Ligen sicherstellen.
  • Einwirken auf Politiker, dass genügend qualifiziertes Personal vorgehalten wird, um Einsatzgeschehen inklusive Fußballeinsätze sicherzustellen.
  • Einwirken auf die Justizminister der Länder, ausreichend Personal bereitzustellen, um Problemspiele zu begleiten und eine schnelle Reaktion auf Straftaten (Haftbefehle) sicherzustellen.
  • Das Nationale Konzept Sport und Sicherheit muss häufiger mit den polizeilichen Gefahrenprognosen abgeglichen werden.
Meine Damen und Herren,
zunehmend erreichen uns Klagen und Beschwerden von Bürgern, die sich auf bestimmten Routen am Wochenende kaum noch trauen, Fern- und Nahverkehrszüge der Bahn zu benutzen. Viele hatten schon das Erlebnis, dass sich das viel beworbene „Schöne-Wochenende-Ticket“ als Eintrittskarte zu einer Dschungelcamp-Aufzeichnung mit versteckter Kamera entpuppte, wenn sie unvermittelt in einen Fußballfan-Transfer gerieten.

Daher fordern wir eine bessere Berücksichtigung der Reisewege von Fans bei Spielbetrieb/-plan. Auch sollten ausschließlich Kombitickets für den Stadionbesuch und die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ausgegeben werden. Das soll verhindern, dass statt eingesetzter Sonderzüge mittels Sonderangeboten der Bahn die Regelzüge genutzt werden. Ebenso ist es nötig die Gestellung von Sonderzügen durch die Bahn zu verstärken.

Wir haben mit großer Freude zur Kenntnis genommen, dass eine alte GdP-Forderung offenbar immer mehr Zustimmung erfährt. So hat die erste Polizeibehörde in Nordrhein-Westfalen damit begonnen, Alkoholverbote in Zügen der deutschen Bahn bei Risikospielen durchzusetzen. Oder sollten wir nicht dem Beispiel von Privatbahnen folgen, in denen ein generelles Alkoholverbot gilt. Die Rolle des Alkoholkonsums in unserer Gesellschaft, sein gesundheitlicher, sozialer und volkswirtschaftlicher Schaden, wird immer noch verniedlicht, gemessen an dem Aufwand, dem wir der Bekämpfung anderer umwelt- oder gesundheitsschädlicher Stoffe und Verhaltensweisen angedeihen lassen. Alkohol- und natürlich auch Rauschgiftkonsum spielt bei nahezu allen Gewalttaten eine Rolle. Auch die Gewalt im Fußballgeschehen und anderer Veranstaltungen ist ohne die Bekämpfung des Alkohols nicht zu bändigen.

Gerade Sport und Alkoholkonsum gehören nicht zusammen. Das sollten Veranstalter von Sportereignissen ernst nehmen, auch wenn lukrative Einnahmen aus dem Verkauf von Alkohol winken.

Ich danke für die Aufmerksamkeit
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