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3. Verkehrsforum der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Potsdam am 24. und 25. April 2012

„Verbotene ‚Stoffe‘ im Straßenverkehr“

Potsdam.

Lesen Sie bitte nach dem Klick die einführende Rede des stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Frank Richter im Wortlaut.



Sehr geehrte Damen und Herren,

Das Verkehrsforum der Gewerkschaft der Polizei findet heute und morgen zum bereits dritten Mal statt. Ich freue mich daher auch heute wieder sowohl Experten aus den Reihen der Polizei, wie auch aus Wissenschaft und Verbänden hier versammelt zu sehen. Damit sind aus meiner Sicht die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Veranstaltung geschaffen.

Ziel der Verkehrsforen ist es, aus Sicht der polizeilichen Praxis aktuelle Fragen zur Verkehrssicherheit im Austausch zwischen polizeilicher Praxis, Wissenschaft und Verbänden zu erörtern. Wir hoffen, so nicht nur zum besseren Verständnis für die jeweilige Position beizutragen. Letztlich geht es uns auch darum, Empfehlungen für den Umgang sowohl mit neuen, als auch mit bestehenden Herausforderungen zu geben.

Genau damit haben wir es bei der Frage des Umgangs mit Verbotenen Stoffen im Straßenverkehr zu tun: Alkoholmissbrauch ist sicher kein neues Problem, sondern eines, dass bereits die alten Römer beschäftigt haben dürfte. Vor diesem Hintergrund unterhalten wir uns also über eine Fragestellung, für die eine zufriedenstellende Lösung nach doch recht langer Zeit immer noch aussteht. Jedenfalls nimmt das Thema Alkohol in der Unfallstatistik nach wie vor einen prominenten Platz ein.

Drogen, im Sinne von illegalen Rauschmitteln, sind ebenfalls kein ganz neues Phänomen, soweit es um die klassischen Drogen geht. Allerdings haben wir es hier mit einem neueren Phänomen zu tun, dass uns als Praktiker vor allem vor ein beweistechnisches Problem stellt: Mit den sogenannten Designerdrogen kommen immer neue Abwandlungen bekannter Stoffe, aber auch ganz neue Stoffklassen auf uns zu. Gleichzeitig entwickeln sich diese Drogen sehr schnell.

Designerdrogen sind die dunkle Seite der pharmazeutischen Segnungen, von denen wir alle mehrfach in unserem Leben profitieren. Die Versorgung mit Medikamenten unterschiedlichster Art war für breite Schichten der Bevölkerung noch nie so leicht, wie heute. Auch die Qualität der Medikamente war wohl nie höher. Einerseits helfen Medikamente in vielen Fällen, die Verkehrstüchtigkeit zu erhalten oder wieder herzustellen.

Andererseits wirkt eine Vielzahl von Medikamenten sich auch negativ auf die Verkehrstüchtigkeit eines Fahrzeugführers aus. Und zwar nicht erst dann, wenn sie missbräuchlich eingenommen werden. Die Antwort auf die Frage der Verkehrstüchtigkeit hängt dabei gleichzeitig nicht immer nur vom einzelnen Wirkstoff ab. Eine qualifizierte Antwort erfordert die Berücksichtigung einer Reihe weiterer Faktoren: Welche Erkrankung liegt zu Grunde, welche weiteren Medikamente werden eingenommen. Da kann man als pharmazeutischer Laie schon mal durcheinander kommen: Wirkstoffe, die für sich genommen unbedenklich sind, führen in der Kombination zu kognitiven und reaktiven Einschränkungen.

Aus polizeilicher Sicht hat der Umgang mit diesen Fragestellungen immer zwei Seiten: Am einen Ende stellt sich die Frage der gesetzlichen Eingriffsgrundlage und des gerichtsfesten Nachweises eines Verstoßes. Hier stellen sich beim Thema Alkohol zunächst die Fragen der Angemessenheit der aktuell geltenden Grenzwerte. Von praktischer Bedeutung ist aber auch die Frage der Gewinnung gerichtsfester Nachweise. Das Reizwort für Polizisten lautet hier richterliche Anordnungskompetenz.

Erfreulicherweise sinkt die Zahl der durch Alkohol mit verursachten Verkehrsunfälle seit Jahren kontinuierlich. Und das sogar gegen den aktuellen Trend insgesamt wie-der steigender Verkehrsunfallzahlen.

Aber: Über 15.000 Verkehrsunfälle mit Personenschaden in der Bundesrepublik in 2010, für 342 Verkehrsteilnehmer mit tödlichem Ausgang sind aber immer noch eine nicht zu tolerierende Größenordnung. Alkoholunfälle zeichnen sich immer noch durch ihre überdurchschnittliche Schwere aus: Die genannten 15.000 entsprechen 5,2 Prozent aller Verkehrsunfälle. 342 getötete Personen entsprechen aber 9,4 Prozent aller Verkehrstoten 2010 in der Bundesrepublik. Das ist fast jeder zehnte Verkehrstote in 2010.

Zu berücksichtigen ist auch, dass wir bei Alkoholunfällen aller Wahrscheinlichkeit nach immer noch von einer nicht zu unterschätzende Dunkelziffer ausgehen müssen: In der Statistik landen schließlich nur Fälle, bei denen eine Alkoholisierung durch die Polizei auch tatsächlich festgestellt wird. Ich möchte die Alkoholunfälle ganz bewusst auch in den Zusammenhang mit einem anderen Unfalltyp stellen: Überhöhte Geschwindigkeit ist der Killer Nummer 1 auf deutschen Straßen.
Über die Hälfte aller Alkoholunfälle sind sogenannte Fahrunfälle, bei denen der Fahrzeugführer ohne Zutun Anderer die Kontrolle über sein Fahrzeug verliert. Im Unfallbericht steht dann ‚nicht angepasste Geschwindigkeit.’

Alkoholunfälle laufen auch in der zeitlichen Verteilung gegen den Trend: Zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr morgens passieren lediglich 9,2 Prozent aller Verkehrsunfälle. Anders beim Thema Alkohol: Fast die Hälfte aller Alkoholunfälle entfallen auf diesen Zeitraum. Aus polizeipraktischer Sicht wirft das ein Problem auf: Der normale Richter – und es sei ihm gegönnt - schläft um diese Zeit.

Beim Thema Alkohol am Steuer, aber auch beim Umgang mit Drogen zeigt sich aus polizeilicher Sicht vor allem eines: Sind gesetzliche Grenzen erst einmal abgesteckt, ist es vor allem die polizeiliche Kontrolldichte, die dazu führt, dass weniger Verkehrsteilnehmer das Risiko eingehen, erwischt zu werden.

Vor diesem Hintergrund finde ich es einfach nur zynisch, wenn die ein oder andere Landesregierung zwar weiterhin große Plakate an den Autobahnen aufhängen lässt, die auf die Gefahren von Alkohol am Steuer hinweist, aber gleichzeitig durch Einsparungen bei der Polizei dafür sorgt, dass das Entdeckungsrisiko tatsächlich sinkt. So sehen Placebos aus. Das hat mit verantwortungsbewusster Verkehrssicherheitsarbeit nichts zu tun. Ich wage zu behaupten, dass der überwiegenden Mehrheit derer, die sich unter Alkoholeinfluss ans Steuer eines PKW setzen, ziemlich klar ist, dass das eigentlich nicht o.k. ist. Die machen das trotzdem und die werden das nur lassen, wenn sie erwischt werden.

Ein letzter Aspekt zum Thema Alkohol im Straßenverkehr, den ich in die Diskussion werfen möchte: 3486 aller Beteiligten an Alkoholunfällen, das ist fast jeder Vierte, sind Fahrradfahrer. Das ist deutlich mehr, als aufgrund des Anteils von Fahrradfahrern an der Gesamtunfallzahl zu vermuten wäre. Wer meint, er handelt richtig, wenn er für die Kneipentour das Auto stehen lässt und stattdessen das Fahrrad nimmt, begibt sich und andere in Lebensgefahr.

Für Alkohol im Straßenverkehr und auch für den Umgang mit den wichtigsten Substanzgruppen bei illegalen Drogen hat der Gesetzgeber bereits im §24a StVO Regelungen getroffen, die den §§315c/316 StGB vorgelagert sind. Demgegenüber fällt bei Medikamenten auf, dass keine Grenzwerte für eine absolute Fahrunsicherheit festgelegt sind. Im Bereich der Ordnungswidrigkeiten sind Medikamente nicht verankert. Erst bei Ausfallerscheinungen greifen die Straftatbestände des Strafgesetzbuches.

Dem entsprechend liegt auch bei der Polizei der Fokus im Rahmen von Verkehrskontrollen auf dem Katalog des §24(2) StVO. Tests, die sich vor Ort bei allgemeinen Verkehrskontrollen anwenden lassen sind für diese Stoffe, wenn auch im Einzelnen nicht ganz ausgereift, vorhanden. Für eine breite Anzahl an Wirkstoffen, die sich auf die Fahrtüchtigkeit auswirken können, fehlen sie weitestgehend. Ein umfangreiches sogenanntes „Medikamentenscreening“, findet auch im Rahmen einer angeordneten Blutentnahme kaum statt. Dafür sind nicht nur Kostengründe ausschlaggebend. Es mangelt auch an Kapazitäten bei den Laboren, die mit einer Untersuchung beauftragt werden.

Das Bild, dass sich damit bietet, ist folgendes: Zum einen haben wir es oft mit einem nicht vorhandenen Problembewusstsein bei Konsumenten zu tun: Nur zwei Zahlen dazu: Nach Einschätzung der Bundesdrogenbeauftragten gelten bis zu 1,2 Millionen Bundesbürger als abhängig von Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Und: 70 Prozent der in der Bundesrepublik verkauften Medikamente zur Selbstmedikation sind Schmerzmittel.

Zum anderen liegt es aus meiner Sicht nahe, von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Verlässliche Zahlen zum Anteil der durch Medikamente verursachten Verkehrsunfälle liegen nicht vor, aber klar ist, dass Fahrzeugführer sich und Dritte mit einer Vielzahl von Medikamenten potentiell gefährden. Vor diesem Hintergrund sollten wir vor allem über drei Fragen diskutieren: Zum einen eine eindeutige Kennzeichnungspflicht für Medikamente. Und zwar nicht versteckt im Beipackzettel, sondern außen auf der Packung. Zum anderen über eine entsprechende Ergänzung der Tatbestände im Bereich der Ordnungswidrigkeiten. Und zuletzt über verbesserte Überprüfungsmöglichkeiten durch die Polizei vor Ort.

Polizei schafft Verkehrssicherheit. Erste Voraussetzung ist, dass sie dabei nicht durch übereifrige Haushälter sabotiert wird. Zweite Voraussetzung ist, dass die Politik und die Gesellschaft klare Regelungen für den Umgang mit gefährlichen Stoffen im Straßenverkehr definiert. Dritte Voraussetzung ist, dass die Polizei auch in die Lage versetzt wird, diese Regeln auch praktisch Geltung zu verschaffen.

Ich möchte es bei diesen kurzen Impulsen belassen und hoffe, dass es mir gelungen ist, in die Diskussionen der nächsten zwei Tage einzuführen. In diesem Sinne hoffe ich auf zwei Tage mit anregenden, im Einzelfall vielleicht sogar im positiven Sinn be-rauschenden Debatten. Aber vor allem hoffe ich auf einen Erkenntnisgewinn und klare Empfehlungen an die Politik.

Vielen Dank.

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Der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende, Frank Richter, ist im Geschäftsführenden GdP-Bundesvorstand verantwortlich für Verkehrspolitik.
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