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Veranstaltungsreihe "Polizeitage 2016" in München

Gewalt gegen Polizeibeamte: Strategien, Vermeidung und Eigenschutz

München.

Die diesjährige Ausgabe der Veranstaltungsreihe „Polizeitage“, die der Behördenspiegel zusammen mit der GdP einmal jährlich in München ausrichtet, beschäftigte sich mit dem Phänomen „zunehmende Gewalt gegen Polizeibeamte“. Die Eröffnungsrede hielt Innenminister Joachim Herrmann, der zunächst an den in Georgensgmünd getöteten Kollegen erinnerte und an die Vielzahl von Gefahren im Polizeidienst erinnerte. Umso wichtiger, so Herrmann, sei es, dass die Kolleginnen und Kollegen, die im Dienst Opfer eines Angriffs werden, unter dem besonderen Schutz des Staates stehen.

Deshalb sollte es einen eigenen Tatbestand im Strafgesetzbuch geben, der diese Angriffe unabhängig vom Widerstand gegen Vollstreckungshandlungen und herkömmlicher Körperverletzung unter Strafe stellt. Den sogenannten Reichsbürgern sagte er den Kampf an: wer die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehne, könne nicht erwarten, etwa einen Waffenschein zu besitzen. Und in den eigenen Reihen der Polizei dulde er diese Gesinnung ebenso wenig. Herrmann nannte ein ganzes Maßnahmenpaket zum besseren Schutz der Beamten: neben einer guten und modernen Schutzausrüstung müsse die Aus- und Fortbildung in diesem Bereich stetig fortgeschrieben werden. So ist beispielsweise das Training von „lebensbedrohlichen Einsatzlagen“ wie z.B. bei Situationen in Paris 2015 oder beim Amoklauf in München Bestandteil der aktuellen Ausbildung. Darüber hinaus müsse der Dienstherr seine Fürsorgepflicht bei verletzten Kollegen wahrnehmen, was der Freistaat mit der Übernahme nicht einholbarer Schmerzensgeldtitel im Wert von über 500,- € macht. Die Schutzausstattung für die Polizeibeamten wurde in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert, erst kürzlich wurde das Pilotprojekt zur Einführung von Bodycams gestartet, von dem man sich ebenfalls stark abschreckende Wirkung auf potentielle Gewalttäter erhofft.

GdP-Landesvorsitzender Peter Schall erinnerte an die GdP-Aktion „Auch Mensch“, in der die Problematik steigender Gewalt und sinkenden Respekts gegenüber Polizeibeamten plakativ dargestellt wird. Er schilderte, wie die Uniform als Symbol des Staates immer mehr zur Zielscheibe werde und tägliche Gewaltvorfälle die betroffenen Kollegen in ihrem Dienst verunsichern. Außerdem zeugten auch die hohen Fallzahlen im GdP-Rechtsschutz vom starken Anstieg der Gewalt gegen Polizeibeamte. Er forderte die Justiz deshalb auf, schneller und härter durchzugreifen, um potentielle Gewalttäter, die es leider zuhauf gebe, stärker abzuschrecken. Schall griff auch den Punkt von Innenminister Herrmann auf und unterstrich die GdP-Forderung nach einem eigenen Paragraphen §115 im StGB, der Angriffe auf Polizeibeamte und andere Rettungskräfte unter Strafe stellt. Neben einer aktiven und beständigen Öffentlichkeitsarbeit in diesem Punkt stellte Schall auch eine moderne Schutzausstattung in den Mittelpunkt seiner Forderungen. Dazu gehöre in Zeiten der Terrorbedrohung vor allen Dingen die Beschaffung einer zeitgemäßen Dienstwaffe, die die GdP schon seit Langem eindringlich fordere.

In einer Reihe von Vorträgen aus dem Behördenbereich wurden als typische Tatverdächtige vorbestrafte männliche 20-50-Jährige unter Alkohol- oder Drogeneinfluss oder mit psychischen Störungen ausgemacht, die vor allem in den Nachtstunden des Wochenendes „zuschlagen“. Michael Laumer vom Bayer. LKA stellte seine Studie zur „Gewalt gegen Polizeibeamte in Bayern“ vor, in der er die zuvor genannten Punkte als Hauptkriterien von Gewaltbereitschaft festmacht. Vor allem der starke Alkoholkonsum zur Nachtzeit lasse hier die Hemmungen spürbar sinken. Zugleich unterstrich er aber, dass von nüchternen und unbescholtenen Bürgern nur selten Aggressionen gegen Polizeibeamte ausgingen. Zuvor hatte schon Landespolizeipräsident Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer vor den neuen Gefahren des internationalen Terrorismus gewarnt. Unsere Kollegen müssten meist als Erstkräfte an die Tatorte und ständen oftmals haushoch überlegenen Tätern gegenüber, die ihre Waffen problemlos im Darknet besorgen könnten. Ebenso nannte Schmidbauer die 21.631 Einsätze in Asylbewerberunterkünften in 2015 als enormen Risikofaktor. Dennoch sehe er die Bayerische Polizei mit ihren immens hohen Aufwänden zum Schutz der Polizeibeamten gut gerüstet gegen diese Gefahren. Dr. Hans Peter Schmalzl vom Zentralpsychologischen Dienst (ZPD) ging in seinem Vortrag auf die große Bedeutung von Einsatzkompetenz zur Deeskalation ein. Den Polizisten stünden zu Beginn von schwierigen Einsatzlagen stets Möglichkeiten offen, diese durch bestimmte Handlungsmuster zu entschärfen. Mit Eigenschaften wie Aufmerksamkeit, positivem Erscheinungsbild, Selbstsicherheit sowie der Fähigkeit zur Aufgaben- und Teamorientierung können Polizeibeamte sich selbst und anderen in brenzligen Lagen das Leben retten, so Schmalzl.

Mehrere Sponsoren aus der Wirtschaft hatten bei der Tagung die Gelegenheit den anwesenden Kolleginnen und Kollegen ihre Beiträge zur Bewältigung dieses Themas vorzustellen. So wurden z.B. das Distanz-Elektroimpulsgerät und die Bodycam der Firma Taser, der ballistische Kopfschutz für Streifen- und Bereitschaftspolizisten der Fa. Ulbrichts Protection und ein mobiler Koffer mit digitaler Erkennungsdienstlösung der Fa. Secunet vorgestellt.

Zuletzt lud der Chefredakteur des Behördenspiegels, R. Uwe Proll, die innenpolitischen Sprecher der Landtagsfraktionen und LV Schall zu einer Podiumsdiskussion ein: hier wurden noch einmal die zuvor besprochenen Lösungsansätze diskutiert. Einig war man sich auch hier, dass die Justiz trotz aller Belastung schneller handeln müsse, um dem sinkenden Respekt in manchen Teilen der Gesellschaft entgegen zu wirken. Ob man nun den Strafrahmen anhebt oder nur die vorhandenen Gesetze besser ausschöpft, darin unterschieden sich schon wieder die Meinungen. Des Weiteren wurde eine bessere Alkoholprävention als Vorschlag zur Problemlösung gebracht, wofür z.B. die Sperrstunde wieder verlängert werden müsste. MdL Gantzer machte den interessanten Vorschlag, nach der Schulausbildung wieder ein verpflichtendes soziales Jahr einzuführen – in seinen Augen sei die Identifikation mit dem Staat nach Abschaffung des Wehr- bzw. Ersatzdienstes deutlich gesunken. Alle MdL nutzten zudem die Gelegenheit, der Polizei und ihren Beschäftigten für ihren außerordentlichen Einsatz zu danken. LV Schall betonte zuletzt noch die Bedeutung der Bürgernähe der Beamten als wesentlichen Aspekt. Diese dürfe nicht gänzlich verloren gehen. In Hinblick auf eine immer mehr steigende Aufrüstung zum Schutz der Kollegenschaft müsse immer deutlich bleiben, dass wir eine zivile Polizei sind und bleiben wollen. MWi          

Ausführliche Berichte der einzelnen Vorträge finden Sie hier in einer Sonderausgabe des Behördenspiegel-Newsletters zum Polizeitag in München

Ein volles Haus konnten der gastgebende Behördenspiegel und die GdP bei den "Polizeitagen" im Hotel Maritim mal wieder verbuchen

GdP-Landesvorsitzender Peter Schall nutzt die Gelegenheit zum direkten Austausch mit Innenminister Joachim Herrmann

Neben StM Herrmann und LV Schall waren auch etliche Behördenleiter zu Gast: Landespolizeipräsident Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer und u.a. die Polizeipräsidenten Hubertus Andrä, Robert Kopp, Gerhard Kallert und Robert Heimberger

Innenminister Joachim Herrmann bei seiner Eröffnungsrede.

GdP-Landesvorsitzender Peter Schall schilderte die Gewalterfahrungen, die Kolleginnen und Kollegen tagtäglich machen und berichtete von den Aggressionen, denen sie im Dienst ausgesetzt sind. Zudem erläuterte er die Forderungen der GdP zur Verbesserung der Lage.

Landespolizeipräsident Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer berichtete über aktuelle Gefahrenlagen und polizeiliche Handlungsoptionen

Michael Laumer vom Bayerischen Landeskriminalamt stellte die Studie "Gewalt gegen Polizeibeamte in Bayern" vor und zeigte die Ursachen und Risikofaktoren auf

Dr. Hans Peter Schmalzl vom Zentralpsychologischen Dienst Bayern zeigte in seinem Vortrag Wege zur Deeskalation von Gewalt

Regelmäßige Gäste der „Polizeitage“: Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD), MdL und GdP-Mitglied, LV Schall, Eva Gottstein (FW), MdL, R. Uwe Proll, Katharina Schulze (Grüne), MdL, Manfred Ländner (CSU), MdL (v.l.)

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