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Dienstunfälle – Das geht uns alle an!

Sachstands- und Positionspapier der GdP

Hamburg, Mai 2012.

Wie war es? Wenn eine Polizeibeamtin oder ein Polizeibeamter in Hamburg einen schweren Dienstunfall erlitt und er oder sie in der Folge schwer erkrankten, konnte man in Hamburg in jedem Fall sicher sein, dass diese erheblichen gesundheitlichen Folgen durch die oberste Dienstbehörde, dem Personalamt, nicht anerkannt wurden.

Durch die ständig zunehmende Gewalt gegen Polizisten sind schwere gesundheitliche
Dauerfolgen leider keine Einzelfälle mehr. Auf Kolleginnen und Kollegen wird in
Tötungsabsicht geschossen, eingestochen oder sie werden mit brutaler Gewalt
zusammengeschlagen. Sie werden von großen Pflastersteinen am Kopf getroffen,
stehen im Wirkungsbereich detonierender Handgranaten und werden über hunderte
von Metern von gestohlenen Fahrzeugen in Tötungsabsicht mitge- schleift. Sie geraten
bei der Rettung von Menschen selbst in größte Lebensgefahr, ertrinken fast in der
eiskalten Elbe. Das sind keine erfundenen Sachverhalte - sie sind tatsächlich
vorgekommen!

Alle haben einen Eid abgelegt, ggf. unter Einsatz ihres Lebens, rund um die Uhr, ihren
gefährlichen Beruf auszuüben. Hierbei können sie jederzeit in höchste Lebensgefahr
geraten.

Gerade weil dieser Beruf so gefährlich ist, hat der Gesetzgeber ein Dienstunfallrecht
geschaffen, dass diesen Gefahren in besonderer Weise Rechnung trägt. Die
Gesundheit kann allerdings auch ein solches soziales Entschädigungsrecht nicht wieder
herstellen, wirken doch die schweren Folgen leider meist ein Leben lang.
Zumindest hat der Gesetzgeber finanziell vorgesorgt, damit nach einem schweren
Dienstunfallereignis unter Leib- oder Lebensgefahr ein Anspruch auf diverse
Entschädigungen aus dem Dienstunfallrecht besteht. Und diese sind völlig zu Recht
nicht gering!

Es wird z.B. aus dem übernächsten Dienstgrad 80% Versorgung geleistet; bei
einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 25% über mehr als 6 Monate Dauer
gibt es Unfallausgleich. Bei einem Grad der Schädigungsfolgen von 50 - 100%
gibt es Einmalzahlungen zwischen 50.000,- und 100.000,-€ . Dies sind nur einige
Beispiele aus dem Dienstunfallrecht, sollen aber deutlich machen, dass eine
lebenslange schwere Erkrankung mit Geld nicht wirklich ausgeglichen werden
kann.

Nun kommen wir zu der unerträglichen Situation, die es nach unseren Informationen in
dieser Form nur in Hamburg gab:

Unseren Kolleginnen und Kollegen wurden die Leistungen aus dem Dienstunfallrecht
vorenthalten. Warum? Wir können nur vermuten, dass es auch hier um das Thema
Sparen ging und das auf dem Rücken der Dienstunfallopfer!
Das funktionierte in einem perfekt ausgeklügelten System relativ einfach aber sehr
wirkungsvoll. Der obersten Dienstbehörde, dem Personalamt, ist ein sogenannter
Personalärztlicher Dienst zugeordnet. Die dortigen Amtsärzte sind in erster Linie
absolute Experten im Dienstunfall- u. Beamtenrecht. Sie wissen ganz genau, dass es
unter einem GdS von 25% keinen Anspruch auf Unfallausgleich gibt. Natürlich wissen
sie auch genau, dass dieser GdS mindestens 6 Monate gedauert haben muss. Ferner
ist ihnen selbstverständlich bekannt, dass es unter GdS 50% keine einmalige
Unfallentschädigung gibt. Darüber hinaus wurde beim so genannten qualifizierten
Dienstunfall schlicht und einfach eine Gefahr für Leib oder Leben nicht anerkannt, alles
wurde relativiert, ganz harmlos dargestellt.

Besonders schlimm war es im Bereich der schweren psychischen Erkrankungen. Alle
kausalen Zusammenhänge zum Dienstunfallereignis wurden grundsätzlich in Frage
gestellt, fast immer wurden die Ursachen in der Kindheit, der Erziehung oder in
Partnerproblemen gesucht. Kurz um, alle hätten grundsätzlich in irgendeiner Form
bereits vorher eine „ängstliche Persönlichkeitsstruktur“, die mit dem Ereignis nicht im
kausalen Zusammenhang stehen würde.

Gerade bei der Begutachtung schwerer Traumatisierungen (PTBS) waren der
amtsärztlichen Willkür beim PÄD keinerlei Grenzen gesetzt.
Nachweislich wurden Fragen gestellt, die den psychisch schwer erkrankten Betroffenen
später in den „Gutachten“ negativ ausgelegt wurden.
Wir könnten von Einzelheiten berichten, die die Vorstellungskraft eines jeden von
uns weit übersteigt!

Private Fachärzte und Therapeuten aus allen medizinischen Fachbereichen kamen in
unzähligen Berichten, Gutachten und Stellungnahmen regelmäßig zu völlig anderen
medizinischen Einschätzungen. Unter den privaten Fachärzten herrschte immer wieder
Fassungslosigkeit über die gutachterliche Tätigkeit der Amtsärzte des PÄD, besonders
in Bezug auf die psychischen Erkrankungen.

Was unter Medizinern eigentlich niemals vorkommt, nämlich schriftliche Kritik an
anderen Medizinern und deren ärztliche Kompetenz, liegt uns mehrfach vor.

So schreibt z.B. der ärztliche Leiter eines medizinischen Versorgungszentrums mit
sechs Fachärzten in einer ärztlichen Bescheinigung, für seinen Patienten:

„Nach einer Vorstellung beim PÄD trat wegen unwürdigem, verletzendem Umgang eine
erneute Verschlechterung der Erkrankung auf, die erneut eine psychotherapeutische
Krisenintervention in einer Spezialklinik notwendig machte.
Es scheint aus meiner Sicht der Umgang mit psychisch kranken Patienten, speziell
traumatisierten Patienten, durch den PÄD unverantwortlich. Die ärztliche Kompetenz
wird meinerseits hinterfragt. Aus diesem Grund ist eine erneute Vorstellung beim PÄD
nicht zu verantworten! “

Eine Psychotherapeutin/Traumatherapeutin schreibt in einer Stellungnahme zu einem
PÄD-Gutachten:

„Allgemein kann eine PTBS nur im Zusammenhang mit mind. einem Belastungsereignis
gestellt werden. Liegen potentiell mehrere solcher Ereignisse vor, dann ist zu
differenzieren, wann welche Symptome auftraten, um die Kausalitätsfrage beantworten
zu können. Das hat immer im Rahmen einer Differentialdiagnostik zu erfolgen. Diese ist
hier offen, was ich als einen formalen Fehler ansehe.
Insgesamt verstärken sich meine Zweifel an der Professionalität in Bezug auf
Fragestellungen der Psychotraumatologie."

Wenn niedergelassene Fachärzte und Fachtherapeuten so etwas schriftlich formulieren,
spricht das nach unserer Auffassung eine deutliche Sprache.
Wagte es ein Betroffener, Widerspruch gegen die ungerechte Begutachtung einzulegen,
bekam er es mit der obersten Dienstbehörde „richtig zu tun“.

Genau wie der PÄD gehört natürlich auch das Justiziariat des Personalamtes zum
Personalamt! Es können noch so eindeutige, hochqualifizierte Gutachten von privaten
Fachkliniken, Fachärzten, Therapeuten vorliegen, das Justiziariat des Personalamtes
folgte in jedem Fall ausnahmslos „ihren“ eigenen Gutachtern, mit denen man schließlich
„unter einem Dach“ zusammenarbeitet. Nur diese eigenen Gutachter des PÄD sind
offenbar qualifiziert und neutral!

Der Widerspruch wurde niedergeschlagen, hielt ein Unfallopfer den Widerspruch
trotzdem aufrecht, musste es auf private Kosten einen langjährigen Prozess gegen
seinen Dienstherrn anstreben. Die meisten Betroffenen waren dann längst ohne jede
Anerkennung des Dienstunfalls in Ruhestand versetzt. Solche Prozesse konnten bis zu
10 Jahre oder länger dauern - unsere Kolleginnen und Kollegen klagten dann als
Versorgungsempfänger auf ihre Kosten die Dienstunfallansprüche ein. Besonders die
psychisch erkrankten Betroffenen brachen regelmäßig auf diesem langen Weg
zusammen, verzichteten auf alle Ansprüche, weil sie mit ihren Kräften am Ende waren.
Auch dieser Umstand, nach langer Verfahrensdauer, am Ende mit allen Kräften,
aufzugeben, wurde vom Dienstherrn nach unserer festen Überzeugung kühl kalkuliert,
um so viel Geld einzusparen. Erwähnt werden muss auch, dass neben der GdP auch
der Weiße Ring als Selbsthilfeeinrichtung unsere Kolleginnen und Kollegen betreut, die
sich keinen Rechtsbeistand leisten können. Unvorstellbar aber Tatsache: der Weiße
Ring muss sich um die Dienstunfallopfer der Hamburger Polizei kümmern, schließlich
sind diese auch Verbrechensopfer und von ihrem Dienstherrn kläglich im Stich gelassen
worden!

Dieser unerträgliche Dauerzustand wurde im November 2011 zunächst in einem
Flugblatt der GdP thematisiert und anschließend von dem Kollegen Manfred Sendecky,
der auch der Fürsorgebeauftragte der GdP ist, in einer sehr ergreifenden Rede in der
Personalversammlung vor 1.400 Anwesenden dargestellt und angeprangert. Der
Innensenator war sehr betroffen, hat die Angelegenheit zur „Chefsache“ erklärt und
anschließend mit einigen Opfern persönlich gesprochen. Er war von den Schicksalen
sehr berührt, denn nicht nur die Opfer leiden, sondern die ganzen Familien und
das gesamte soziale Umfeld dieser Kolleginnen und Kollegen!

Was soll geschehen?

Geht es unseren Betroffenen inzwischen besser? Werden die Abläufe im Personalamt,
wo alles hinter verschlossenen Türen entschieden wird, sofort geändert? Wird die
Allmacht des PÄD sofort beendet, viel besser, der PÄD von seinen
Begutachtungsaufgaben entbunden? Hat die Polizei ein wirkliches Mitsprache- und
Entscheidungsrecht als Fachbehörde bei diesen für die Betroffenen existenziellen
Vorgängen?

Es hat seit November 2011 diverse Gespräche zwischen Innenbehörde und Vertretern
des Personalamtes gegeben. Nach den uns vorliegenden Informationen setzt sich der
Senator mit aller Kraft für die Dienstunfallopfer ein.

Wir begrüßen das außerordentliche Engagement des Senators ausdrücklich. Er
hat bereits mit mehreren betroffenen Kolleginnen und Kollegen gesprochen und ihnen
zu einer externen Begutachtung verholfen. Die Ergebnisse dieser Begutachtungen
(Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen) müssen aber auch endgültigen Status
haben und sind deshalb vom Personalamt anzuerkennen! Es stellt sich auch die Frage
wie mit den anderen betroffenen Kolleginnen und Kollegen umgegangen werden soll?
Die GdP fordert auch hier die sofortige unabhängige Drittbegutachtung, um das
jahrelange Martyrium der Kolleginnen und Kollegen zu beenden!

Nach den uns vorliegenden Informationen ist zukünftig vorgesehen:
- verpflichtende Gespräche nach belastenden Einsatzsituationen geben
- Vorgespräche zur Optimierung der zu formulierenden Gutachten
- Einführung der Bad Pyrmonter Kriterien bei posttraumatischen
Belastungsstörungen im PÄD!
- Frühere externe Gutachtenvergabe, wenn private und PÄD-Gutachten
nicht miteinander vereinbar sind.

Forderung der GdP:

Die GdP betrachtet die künftigen Verfahrensänderungen als einen Schritt in die richtige
Richtung. Innerhalb der Polizei sollen Änderungen vorgenommen werden, die längst
überfällig sind und die die Frage provozieren, warum es nicht längst schon auf diese
Weise gehandhabt wurde?
So soll es verpflichtende Gespräche mit den schon jetzt völlig überlasteten
Polizeipsychologen geben, Mentoren (Dienststellenleiter) sollen die Opfer die Zeit über
begleiten, nach Möglichkeit soll das Unfallruhegehalt vor Eintritt in den Ruhestand
festgesetzt werden - und noch weitere ergänzende Maßnahmen sind vorgesehen.
Der entscheidende Schritt steht aber noch aus:
Die Allmacht des PÄD ist zu brechen!

Dies kann in zwei Alternativen geschehen:

1. Bei unterschiedlichen PÄD und privaten Gutachten ist zeitnah ein
externes und unabhängiges Drittgutachten einzuholen, das dann vom
PÄD / Personalamt ohne Wenn und Aber sofort anzuerkennen ist!
oder
2 Gutachten werden von vornherein von einer externen und
unabhängigen Institution erstellt. Vorstellbar wäre hier die Einbindung
von Gutachtern z.B. der Bundeswehr insbesondere bei PTBSErkrankungen,
die unbestritten eine anerkannt hohe Kompetenz
aufweisen. Auch diese Gutachten wären sofort vom Personalamt
anzuerkennen.

Wichtig ist die Festschreibung des zukünftigen Verfahrens. Die Beachtung der „Bad
Pyrmonter Kriterien“ beim PÄD heißt noch lange nicht, dass diese auch entsprechend
angewendet werden.

Unsere Kolleginnen und Kollegen setzen sich rund um die Uhr für die Sicherheit der
Bürger dieser Stadt ein - zuweilen unter Einsatz ihrer Gesundheit und ihres Lebens.
Daher hat der Dienstherr seinen Vollzugsbeamten gegenüber eine besondere
Fürsorgepflicht.

Bis zum heutigen Tag lebt eine junge Kollegin, die als Folge eines dramatischen
Dienstunfallgeschehens im Jahr 2008 in den Ruhestand versetzt wurde, ohne
Anerkennung des Dienstunfalles mit der so genannten Mindestversorgung.
Nach Abzug von Steuern und Krankenkasse, muss diese junge Kollegin, die wie durch
ein Wunder einen dramatischen Einsatz überlebt hatte, mit einem spärlichen Salär
monatlich auskommen! Diese Kollegin ist - nach wie vor -aufgrund des Dienstunfalles
schwer erkrankt!

Wer das weiß, wird zornig, verliert jedes Vertrauen in den Dienstherrn und dem fehlt
jedes Verständnis für dieses Vorgehen! Einen solchen Umgang mit Kolleginnen und
Kollegen wollen wir nie mehr erleben – er ist würdelos!
Wir fordern deshalb, dass insbesondere die politisch Verantwortlichen in Hamburg das
Positionspapier der GdP Hamburg ernsthaft zur Kenntnis nehmen und die darin
enthaltenen Forderungen endlich umsetzen.

Falls es nicht anders gehen sollte, hat der 1. Bürgermeister als „Chef“ des
Personalamtes „seinem“ Innensenator zur Seite zu stehen.
Landesvorstand der GdP
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