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Veranstaltung

Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten – Ursachen und Wirkungen

Tagung der GdP Hamburg - ein Rückblick

Gewalt gegen die Polizei begleitet unsere Kolleginnen und Kollegen permanent in ihrem Berufsleben. Sowohl bei alltäglichen Einsätzen aber auch in vielen anderen Situationen spielt die Gefahr, Gewalt gegen sich oder seine Kolleginnen und Kollegen erleben zu müssen eine immer größer werdende Rolle. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen im Dezember haben in ihrer Intensität und ihren Auswirkungen zu einem gesellschaftspolitischen Diskussionsprozess geführt, der das Gewaltmonopol des Staates in Frage gestellt hat.

Ursachenforschung, persönliche Erfahrungen und politische Bewertungen standen daher im Fokus der Veranstaltung der GdP Hamburg, die im Polizeipräsidium am 7. Februar 2014 unter der Moderation der stellvertretenden Landesvorsitzenden Gunhild Weidemann stattfand.



Bereits kurz nach Ankündigung der Tagesveranstaltung waren die meisten der fast 200 Plätze im großen Sitzungssaal des Polizeipräsidiums vergeben. Innerhalb kürzester Zeit hatte es das Team aus der Geschäftsstelle der GdP und viele unserer ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer unter der Organisation von Gunhild Weidemann geschafft, für eine gelungene Veranstaltung zu sorgen.



Zunächst begrüßte Gunhild Weidemann neben Innensenator Michael Neumann, Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch und GdP Bundesvorsitzenden Oliver Malchow viele Gäste aus Politik, den Medien, und eine große Zahl an interessierten Kolleginnen und Kollegen der Polizei Hamburg.



Als erster Redner erklärte Innensenator Michael Neumann in seinem Vortrag, dass er als Senator aber auch als Bürger Hamburgs ein deutliches Zeichen gegen Gewalt gegenüber Polizei und Feuerwehr erwarte. Eine von allen Gesellschaftsgruppen akzeptierte Polizei muss sich vor allem auf die Unterstützung der politisch Verantwortlichen verlassen können. Nicht allein das Erhöhen des Strafrahmens bei Gewalttaten gegen Polizistinnen und Polizisten ist ein wichtiges Signal, auch sei es an der Zeit, entsprechende Strafrahmen auch auszuschöpfen.



Anschließend schilderte der stellvertretende Vorsitzende des Fachbereichs Schutzpolizei der GdP Hamburg und Zivilfahnder am PK 15, Andreas Schmidt, seine Erfahrungen aus dem Einsatzgeschehen rund um den 21. Dezember 2013. Unmittelbarer Bewurf von Einsatzkräften in einer Polizeikette mit Steinen und „Pyros“ und eine blinde Zerstörungswut gegen alles, was sich im Bereich der Reeperbahn finden lassen konnte waren lediglich zwei Eindrücke von vielen. Mehrfach wurden Gegenstände bereitgelegt, um sie dann gezielt auf Einsatzkräfte zu werfen. Barrikaden wurden errichtet und angezündet. Als Fazit seines beindruckenden und verstörenden Vortrags wurde klar, dass die Polizei stellvertretend für den Staat das wesentliche Ziel dieser Straftäter war. „Wut und Zorn in den Augen der gewalttätigen Demonstranten sind keine guten Erfahrungen“.



Prof. Dr. Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e.V. (KFN), stellte in seinem Vortrag auf die Phänomene rund um die Frage der Gewalt gegen Polizeibeamte ab. Eine Studie zur Motivation der Täter mache deutlich, dass das wesentliche Motiv, Polizeibeamte anzugreifen, sich in der Ablehnung und der Feindschaft gegenüber dem Staat begründet und damit eben auch gegenüber den Repräsentanten des Staats ausgeübt wird. In beeindruckender Weise schilderte Prof. Dr. Pfeiffer den Umstand, dass gerade in alltäglichen Einsatzsituation die Gefahr am größten ist, durch das polizeiliche Gegenüber verletzt zu werden. Viele dieser Angriffe entstehen aus der Überraschung heraus. Dabei spielen sowohl der Alkoholkonsum als auch die ethnische Herkunft des Gegenübers eine wesentliche Rolle. Ausdrücklich begrüßte er die von der GdP ausgehende Initiative zur Einführung eines eigenen Straftatbestands § 115 StGB.
Ein weiteres Fazit, das Prof. Dr. Pfeiffer zog, war die fehlender Bereitschaft innerhalb der Polizei, mit Fehlern und Schwächen umzugehen. Hier bestehe die Chance, eben nicht nur immer „cool“ zu sein, sondern eben menschlich gut miteinander umzugehen.



Der Landesjugendvorsitzende der JUNGEN GRUPPE aus Niedersachsen, Kevin Komolka, schilderte seine persönlichen Eindrücke, die er im Rahmen des Betreuungseinsatzes gewonnen hatte. Im Laufe des 21. Dezember erreichten ihn immer wieder Informationen direkt aus dem Einsatzgeschehen in Hamburg von eingesetzten Kräften aus Niedersachsen. In ihm reifte die Entscheidung, sich sofort mit weiteren Mitgliedern der JUNGEN GRUPPE aus Niedersachsen auf den Weg nach Hamburg zu machen. Dort unterstützen sie die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer der GdP Hamburg, die unermüdlich eine bis in die frühen Morgenstunden andauernde Einsatzbetreuung auf die Beine gestellt hatten.
Auch berichtete er aus einem Einsatztagebuch eines niedersächsischen Bereitschaftspolizisten anlässlich des Einsatzes. Erschütternde Beschreibungen prägten seine Eindrücke: „Zwei Kollegen kommen mir entgegen, tragen einen scheinbar leblosen Körper mit Helm und Schutzausstattung an mir vorbei, die Beine schleifen auf dem Boden. So was habe ich noch nie gesehen – alle meine Kollegen sind still “. Besonders beeindruckten seine Schilderungen aus Gesprächen während der Einsatzbetreuung mit eingesetzten Kollegen. Ein bayrischer Kollege beschrieb aufgelöst, dass ihm im Gerangel der Helm vom Kopf gerissen worden sei. Anschließend hätten die Täter mit Dachlatten auf ihn eingeschlagen. Wären nicht Kollegen da gewesen, die sich schützend vor ihn gestellt und die Schläge abgefangen hätten, wäre er jetzt wahrscheinlich nicht mehr hier. Man spürte bei dieser Schilderung die große Betroffenheit der Gäste der Tagung. Sein Fazit: „Hamburg mein Perle, deine Gewalt die habe ich satt!“



Dr. Dirk Baier, Soziologe und stellvertretender Leiter des KFN, schilderte abschließend aus einer aktuellen Studie, welche Einsätze für Polizeibeamte besonders gefährlich sind. Hier zeigt sich schnell, dass es gerade die alltäglichen Einsätze sind, die das größte Risiko bergen, als Polizeibeamter Opfer von Gewalt zu werden. Die Interaktion mit dem Gegenüber und die vorhandenen Rahmenbedingungen bestimmen immer den Ausgang eines Einsatzes. Dabei fördern Stress, emotionale Erschöpfung und soziale Belastungen bei Polizeibeamten eben auch eine höhere Gewaltbereitschaft in Einsätzen. Daher muss auch innerhalb der Polizei dieses Phänomen der psychischen und physischen Gewalt enger in den Fokus genommen werden.
Nach einer Mittagspause mit einem kleinen Imbiss, aber vor allem mit vielen lebhaften und interessanten Diskussionen wurde die Veranstaltung mit einer Podiumsdiskussion fortgesetzt.



Gunhild Weidemann übernahm auch hier die Moderation und führte mit viel Fingerspitzengefühl durch eine Vielzahl von interessanten und diskussionswürdigen Beiträgen.
Bereits zu Beginn machte der Bundesvorsitzende der GdP, Oliver Malchow deutlich, dass es sich grundsätzlich um einen normalen Einsatz gehandelt habe, der aber aufgrund des großen medialen Echos im weiteren Verlauf besonders betrachtet wurde. Dabei stand zunehmend das polizeiliche Handeln im Mittelpunkt und nicht das klare Bekenntnis, dass die Polizei für unseren Rechtstaat einsteht. Dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit immer das polizeiliche Handeln bestimmt und eine Deeskalationstaktik ebenfalls ein Mittel der Verhältnismäßigkeit ist, machte er dabei ausdrücklich deutlich.



Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch zielte auf die Rolle der Polizei in einer demokratischen Gesellschaft ab. Aus der Unkenntnis dieser Aufgabe erscheint es für das gewalttätige Gegenüber vertretbar, ein Widerstandsrecht gegenüber dem Staat zu postulieren, dies ist jedoch nicht Teil unseres Grundgesetzes.



Prof. Dr. Pfeiffer verdeutlichte, dass im Innenverhältnis der Polizei eine gute Führung auf allen Ebenen elementar sei. Es muss im eigenen Interesse der Polizei liegen, dass über Übergriffe geforscht wird, auch um das Verständnis für polizeiliche Aufgaben wachsen lassen zu können.



Die innenpolitische Sprecherin des Bündnisses 90 / Grüne in der Hamburgischen Bürgerschaft, Antje Möller, forderte zu einer differenzierteren Diskussion über das Gewaltmonopol des Staates auf. Sie selbst schilderte den Einsatz und die besondere Eskalation als sehr überraschend.



Andreas Hallaschka, Journalist aus Hamburg und Initiator der am 29. Dezember gegründeten Facebook Präsenz „Solidarität mit den Beamten der Davidwache“, beschrieb sein Motivation, aufgrund der gewalttätigen Auseinandersetzungen auf St. Pauli für eine weitere Form der Diskussion zu sorgen. Bereits über 60.000 „Likes“ verzeichnete die Seite bisher. Seine Sorge gelte dabei auch dem Umstand, dass sich der Staat den sozialen Medien in der Öffentlichkeit bisher nicht in ausreichendem Maße widmet. Dieser Einschätzung stimmte Polizeipräsident Kopitzsch zu und sagte eine Betrachtung dieser neuen Kommunikationsmöglichkeiten zu.



Der Landesvorsitzende der GdP Hamburg, Gerhard Kirsch, beschrieb erneut das Problem der zum Teil fehlenden und aufgrund des geringen personellen Ansatzes auch nicht in dem notwendigen Rahmen vorhandenen psychologische Nachsorge innerhalb der Polizei. Hier wünscht er sich im Dialog mit Polizeipräsidenten Kopitzsch eine schnelle Lösung. In Bezug auf die massiven Übergriffe auf Polizistinnen und Polizisten machte er auch deutlich, dass erst durch den intensiven und aufreibenden Einsatz der Kolleginnen und Kollegen schlimmere Folgen für Hamburg verhindert werden konnten.



Dr. Andreas Dressel, Vorsitzender der SPD Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, stellte klar, dass das Gewaltmonopol des Staates eine wesentliche Funktionsbedingung der Demokratie ist. Trotz des Scheiterns eines gemeinsamen Bündnisses gegen Gewalt über gesellschaftliche und Parteigrenzen hinweg sei ein Dialog in Medien und in allen Quartieren für das Darstellen und das Erklären des alleinigen Gewaltanspruchs des Staates unabdingbar. Im Rahmen der Podiumsdiskussion war man schnell einig darüber, dass ein Kommunikationsdefizit auf allen Ebenen und Bereichen der Gesellschaft besteht, dabei ist der gesellschaftliche Konsens ausdrücklich wichtig und notwendig.
Einigkeit bestand bei der Mehrzahl der Diskussionsteilnehmer, dass die parlamentarische aber auch die justiziable Kontrolle der Exekutive ausreichend ist. Die vorhandenen Kontrollinstrumente sind dabei elementar für unseren Rechtstaat. Einer Ausweitung dieser funktionierenden Kontrollinstrumente durch Einrichtung z.B. von Beschwerdestellen, unabhängigen Demonstrationsbeobachtern oder einer Ausweitung der Kennzeichnungspflicht erteilten sowohl Polizeipräsident Kopitzsch, GdP Bundesvorsitzender Malchow und GdP Landesvorsitzender Kirsch, aber auch der SPD Innenexperte Dr. Dressel eine ausdrückliche Absage.
Als letztes Thema stand die Frage im Raum, ob eine schnellere staatliche Reaktion auf Gewalttaten ein probates Mittel sei, um dem Verfall von Regeln und Normen entgegen zu wirken. Dies war sehr schnell unstrittig, stellt aber besondere Anforderungen an die Ausgestaltung eines beschleunigten Verfahrens im Einsatzgeschehen.



Zum Abschluss der Veranstaltung zog Gunhild Weidemann für die GdP Hamburg ein positives Fazit: Viele Themen rund um die Frage, warum es überhaupt zu diesen Formen der Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten kommen konnte, wurden vertieft beschrieben und diskutiert. Persönliche Erfahrungen, die Rolle der Medien und Fragen zu den Ursachen von Gewalt wurden vorgestellt und kritisch diskutiert.
Teilnehmer, Gäste und die Organisatoren der GdP Hamburg waren sich einig: eine rundum gelungene, sehr informative und vertiefende Veranstaltung zu einem wichtigen Thema für die Polizei.
Jörn Clasen, Landesredakteur GdP Hamburg

Fotos: Ray Goebeler, GdP Hamburg
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