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Landesjournal Niedersachsen Leitartikel Mai 2003; Neuorganisation der Polizei des Landes Niedersachsen

„Ändern was nötig ist, nicht ändern was sich bewährt hat und es ist die Kunst, das eine von dem anderen zu unterscheiden.“

Dietmar Schilff,
Stellv. Landesbezirksvorsitzender

Als einen Schwerpunkt der Arbeit der neuen Landesregierung in der laufenden Legislaturperiode hat sie sich im Rahmen einer umfassenden Verwaltungsreform u. a. zum Ziel gesetzt, die Bezirksregierungen in den nächsten drei Jahren abzuschaffen. Es soll geprüft werden, welche Aufgaben

1. die Kommunen übernehmen können,
2. privatisiert werden können und
3. in sogenannten dezentralen Kompetenzzentren, die es neu einzurichten gilt, erledigt werden können.

Nach allen uns vorliegenden Informationen geht es nicht mehr darum, ob die Bezirksregierungen aufgelöst werden, sondern nur noch um das „wie“, also in welcher Weise dieser Prozess, der die Landesverwaltung erheblich verändern wird, gestaltet werden kann.

Herauslösung der Polizeidezernate

Als einen ersten Schritt sollen die Polizeidezernate aus den Bezirksregierungen heraus gelöst und Polizeidirektionen gebildet werden. Die Entscheidung der Landesregierung kann man bedauern oder kritisieren sowie die Frage aufwerfen, warum man vorher keine Schwachstellenanalyse und Aufgabenkritik durchführt. Diese Frage ist seitens der GdP bei der mit der Auflösung der Mittelinstanzen verbundenen Herauslösung der Polizeidezernate auch gestellt worden.
Aufbauorganisation unter der Lupe: GdP sieht nicht nur Standorte im Fadenkreuz,
sondern fordert Aufgabenkritik und stellt 14 Thesen vor. Grafik: Robra
Arbeitsgruppe des MI eingesetzt

Die Entscheidung über die sofortige Umsetzung ist jedoch spätestens mit der Einsetzung einer Arbeitsgruppe (vgl. gelber Kasten) getroffen worden, die seit dem 03.04.2003 ein Konzept für die Organisation der Polizei des Landes Niedersachsen erarbeiten soll.
Der vom Staatssekretär im Innenministerium, Dr. Koller, unterzeichnete Arbeitsauftrag fordert die Erarbeitung eines Gesamtmodells bis Ende dieses Jahres. Mit der Umorganisation der Polizei soll Anfang des Jahres 2004 begonnen werden.
Ohne an dieser Stelle den Arbeitsauftrag detailliert wieder zu geben, ist diesem zu entnehmen, dass es sich um keine grundlegende Polizeireform wie Anfang der 90er Jahre handelt.
Vielmehr soll es um
    • eine Stärkung der Polizei,
    • eine noch effektivere, effizientere und professionellere Aufgabenwahrnehmung, Präsenz und Bürgernähe sowie
    • um den Abbau von Stäben nach Anzahl und Personalstärke gehen.
    • Die Funktionalität und Eigenständigkeit der Polizei sollen gestärkt,
    • die Abgrenzung von zentraler und dezentraler Aufgabenwahrnehmung überprüft sowie
    • fachlich erforderliche Spezialisierungen und Zentralisierungen umgesetzt werden.

Diese Ziele sollen durch die Einrichtung einer Landespolizeidirektion bzw. –präsidiums und durch die Bildung von sechs bis zehn Polizeidirektionen erreicht werden.

GdP-Arbeitsgruppe zur Polizeiorganisation legt Thesen vor

Da schon im vergangenen Jahr im Vorfeld der Landtagswahl aus Äußerungen der CDU und SPD abzusehen war, dass eine Änderung der Organisation der Polizei stattfinden wird, hat der GdP-Landesbezirksvorstand bereits Mitte 2002 eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die Aussagen zu einer möglichen Neuorganisation der Polizei erarbeiten sollte. Gemäß Auftrag des Landesbezirksvorstandes hat die AG kein fertiges Organisationsmodell entworfen, sondern sich auf die Erarbeitung von Thesen beschränkt.
Nachfolgendes bitte in grünen Kasten setzen:

Beschreibung der Ausgangssituation

Am 01.04.1994 war die Neuorganisation des polizeilichen Einzeldienstes in Kraft getreten. Wesentliche Ziele waren dabei

· die weitgehende Zusammenführung der Kompetenzen der Schutz- und Kriminalpolizei,
· die Aufrechterhaltung funktionsfähiger und zweckmäßiger Strukturen,
· die Reduktion der Zahl der Führungsebenen bzw. Verminderung der Zahl der Führungsstellen einer Ebene bei gleichzeitiger Erhöhung der Führungsspannen,
· eine massive Reduktion der Stabseinheiten und LFZ und die Freisetzung der entsprechenden Kräfte für die Fläche.

14 GdP-Thesen:

1. Organisationsentwicklung
Der Auffassung von Organisationswissenschaftlern schließt sich die Arbeitsgruppe ausdrücklich an, dass bei einer solch grundsätzlichen Reform für eine Organisation dieser Größe dauerndes Controlling durchgeführt werden muss, um Schwachstellen festzustellen und dass sich daraus fortlaufende Modifizierungserfordernisse ergeben.
Die Polizei wird sich auch zukünftig kontinuierlich und frühzeitig weiterentwickeln müssen, will sie neuen Kriminalitätserscheinungen und –phänomenen nicht hinterher laufen.

2. Qualifizierung / Laufbahn
Die Polizei macht erfolgreiche Arbeit. Dabei spielt auch die Qualifizierung der Polizeibeschäftigten und die so genannte zweigeteilte Laufbahn eine entscheidende Rolle. Die Wiedereinführung der Ausbildung für den mittleren Dienst wäre ein eklatanter Fehler und würde zu Qualitätseinbußen polizeilicher Arbeit führen.

3. Reformmotive
Eine Reform nur um der Reform willen wird abgelehnt. Ebenso ist eine Reform aus rein finanzpolitischen oder ideologischen Gründen, die den polizeilichen Auftrag in den Hintergrund treten lassen, nicht zielfindend.

4. Schwachstellenanalyse
Eine Schwachstellenanalyse sollte einer möglichen Reform vorgeschaltet werden, um einen Reformbedarf zu definieren.

5. Innere Sicherheit + Soziale Aspekte
Bei einer möglichen Reform muss neben der Stärkung der Polizei die Verbesserung der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger im Vordergrund stehen. Darüber hinaus müssen bei der Umsetzung soziale Aspekte der Beschäftigten beachtet werden.

6. Differenzierte Änderungen
Positive Veränderungen sollten bewahrt, negative Aspekte sollten hinterfragt und behoben werden.

7. Wissen nutzen
Die Ideen und Vorschläge der Fachleute in der Organisation – also der Beschäftigten aller Bereiche - müssen genutzt werden. Sofortige Verbesserungen können so ohne große Untersuchungen, ohne großen Finanzaufwand sowie zeitnah erfolgen.

8. Integration von S und K
Seit 1994 ist eine deutliche Verstärkung im Bereich der Kriminalitätsverhütung/-verfolgung festzustellen. Dabei hat sich die Integration von S und K bewährt, die zu einer Vermeidung von Doppelzuständigkeiten geführt hat.

9. Spezialisierung mit Augenmaß
Spezialisierung ist bei Intensivierung der Fortbildung unbedingt erforderlich, sollte jedoch auf ein unabdingbar notwendiges Maß begrenzt werden. Die notwendigen Ressourcen müssen dabei zur Verfügung gestellt werden, um erfolgreich zu sein.

10. Dezentzrale Organisation
Die gewollte und geglückte, dezentral ausgerichtete Organisationsstruktur sollte im Sinne der Bürgerinnen und Bürger unbedingt beibehalten werden. Generellen Zentralisierungsbestrebungen muss entschieden entgegengetreten werden.

11. Vollzugsfremde Aufgaben
Ausgebildete Polizisten und Polizistinnen müssen von vollzugsfremden Aufgaben entlastet werden. Verwaltungspersonal ist vorhanden oder muss eingestellt werden. Es kann diese Aufgaben qualifiziert durchführen. Das dadurch freiwerdende Personal muss der Verbesserung der Polizeipräsenz sowie der originären, qualifizierten polizeilichen Sachbearbeitung dienen.

12. Bereitschaftspolizei
Die Bereitschaftspolizei hat volle Auftragsbücher, leistet gute, qualifizierte Arbeit und entlastet und unterstützt den polizeilichen Einzeldienst. Ob hier Reformbedarf besteht, kann nur nach einer separaten Aufgabenanalyse entschieden werden.

13. Verbesserungen bewahren und ausbauen
Eine mögliche Organisationsreform darf bereits erfolgte oder eingeleitete Verbesserungen im Bereich der Personalentwicklung, der Mitarbeiterbeteiligung sowie in anderen sozioökonomischen Bereichen nicht in Frage stellen.

14. Führung der Polizei
Die Führung der Polizei, egal ob in einer Polizeiabteilung der Bezirksregierung oder bei der Schaffung von Direktionen, muss grundsätzlich in der Hand von Exekutivbeamtinnen und –beamten bleiben.

Fazit

Neben diesen 14 Thesen wird es sicherlich noch weitere Gesichtspunkte sowie andere Auffassungen geben. Wir fordern ausdrücklich zur Beteiligung auf. Die GdP-Arbeitsgruppe wird weiter arbeiten und sich fortlaufend mit den konkreten Zwischenergebnissen der dienstlichen Arbeitsgruppe beschäftigen. Der GdP-Landesbezirksvorstand wird dazu Stellung beziehen und auf die Politik sowie die Polizei einwirken.

Die GdP und auch die Personalräte sperren sich nicht gegen notwendige Reformen, wenn sie nachvollziehbar und begründbar sind. Es muss aber bedacht werden, dass Veränderungen für Unruhe und Unmut sorgen sowie Ressourcen und Personal binden. Deshalb muss eine breite, zeitnahe und intensive Information erfolgen. Betroffene müssen zu Beteiligten werden.

Sichtweisen, die ideologisch geprägt sind und nicht die Sache in den Vordergrund stellen, erteilt die GdP eine klare Absage.

Dietmar Schilff
Stellv. Landesbezirksvorsitzender



Die vom Innenministerium beauftragte Arbeitsgruppe:
Dir.Pol. MI Kolmey (Vorsitz)
Dir.Pol. Döring (als Vertreter einer Flächenbehörde / der bisherige Regierungsbezirke)
Dir.Pol. Soetbeer (als Vertreter einer Polizeidirektion)
Dir. LKA Butte (als Vertreter der Zentralstelle Kriminalitätsbekämpfung)
MR`in Geister-Scharnhorst (als Vertreterin der Polizeiverwaltung)

Dazu
Ltd.PD Lührig (MI, Ref. 24.3, als Organisationsreferent)
PR Rose -Geschäftsführung- (MI, Ref. 24)

Hauptpersonalrat, Frauenbeauftragte und Schwerbehindertenvertreter werden (nicht stimmberechtigt) beteiligt.




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