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Landesjournal Niedersachsen Leitartikel Oktober 2003; UMORGANISATION - Polizei ist kein Selbstzweck!

Anlässlich der Vereidigung am 27. August 2003 in Hann. Münden hat der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport das Berufsbild der Polizei wie folgt beschrieben:
   Bei Bürgerbefragungen zum Image rangiere die Polizei immer wieder auf den vordersten Plätzen. Dieses Image sei aber kein Freifahrtschein, sondern müsse jeden Tag aufs Neue erarbeitet werden. 
   Schünemann: „Die Polizei ist ein moderner Dienstleistungsbetrieb, der sich durch Bürgernähe und Bürgerfreundlichkeit, Kompetenz und Kreativität auszeichnet.“
   Dass die Arbeit erfolgreich geleistet werde, sei nicht zuletzt an steigenden Aufklärungszahlen in der polizeilichen Kriminalstatistik abzulesen. 23.000 Beschäftigte trügen jeden Tag zu diesem Erfolg bei. 

   Recht hat er, unser Niedersächsischer Minister für Inneres und Sport. Hoffentlich ist aber auch diese Beschreibung der Polizeipraxis politisch erklärter Wille. 

   Nur eine solche Prämisse für die anstehende Reform der Polizei stellt sicher, dass die gesellschaftliche Akzeptanz erhalten bleibt, aber, was ebenso wichtig ist, auch das innere Gefüge der Polizei keinen Schaden nimmt.
   Offensichtlich hat der Niedersächsische Innenminister zwischenzeitlich erkannt, dass seine Aussage „Wir machen Niedersachsen zum sichersten Bundesland“ für den Landtagswahlkampf 2003 angebracht war. Im polizeilichen Alltag kann aber innere Sicherheit und gesellschaftliche Zufriedenheit nur erreicht werden, wenn Prävention und Repression die polizeiliche Praxis bestimmen. 

   Wie polizeiliche Alltagsarbeit aussieht und wie man sowohl inhaltlich als auch organisatorisch die Rahmenbedingungen für eine möglichst kreative Polizeiarbeit schafft, ist Aufgabe der Polizeiführung.
   Insofern ist das Vorhaben, die Polizei des Landes Niedersachsen zu reformieren und umzuorganisieren eine erneute Chance für die Polizei selbst, Kompetenz und Sachverstand im wohlverstandenen gesellschaftspolitischen Sinne einzubringen.

   Deshalb fordert die Gewerkschaft der Polizei:
Polizei ist kein Selbstzweck. Es geht nicht darum, sich selbst möglichst effizient zu organisieren. Es geht vielmehr um die Frage, wie kann ich meine Dienstleistung für die Bürger und Bürgerinnen unseres Landes, aber auch für die Gesellschaft insgesamt, im Rahmen einer veränderten Kriminalitätsbekämpfung neu bestimmen?

   Wenn der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport selbst bestätigt, dass 23.000 Beschäftigte jeden Tag zum polizeilichen Erfolg beitragen, so gibt es für die „vorbereitenden Reformer“ keinen Anlass, Kolleginnen und Kollegen in dieser Polizei vor den Kopf zu stoßen. Nicht eine „kalte Organisation“ ist gefragt. Vielmehr wird der zukünftige Erfolg davon abhängen, inwieweit jeder Beschäftigte in die als notwendig erkannten Veränderungen für die Polizei mit einbezogen worden ist.

   Bereits bei der Reform Anfang der 90er Jahre haben wir an die damalige Landesregierung appelliert, eine Reform der Polizei von unten nach oben anzudenken und durchzuführen. Diese Vorstellung gilt auch für das heutige Vorhaben.

   Wer Bürgernähe und Bürgerfreundlichkeit will, muss sich deshalb als Erstes Gedanken um die Basisdienststellen machen. 
 

      Polizeikommissariate

   Keiner wird heute ernsthaft bezweifeln wollen, dass Polizeikommissariate die Basisstellen sind, bei denen sowohl schutz- als aus kriminalpolizeiliche Aufgabenwahrnehmung für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes erfolgt. Die Gewerkschaft der Polizei befürwortet deshalb weiterhin die Integration von Schutz- und Kriminalpolizei. 

   Die gleichwohl bisher nicht vollzogene Vereinheitlichung der Sparten bezogenen Stellenpläne ist insofern dringend überfällig. Die polizeiliche Aufgabenstellung über den sogenannten 24-Stunden-Rund-um-die-Uhr-Dienst muss politisch beantwortet werden. Hier ist die polizeiliche Aufgabe zu definieren und das entsprechende Personal zur Verfügung zu stellen.

   Selbstverständlich ist aufgrund regionaler Gegebenheiten die Frage erlaubt, ob das politische Ziel von Bürgernähe es gerade in einem ländlich strukturierten Bundesland notwendig macht, auch Polizeidienststellen vorzuhalten, die nicht einen 24-Stunden-Rund-um-die-Uhr-Dienst zu leisten haben. Hier ist die polizeiliche Kreativität gefordert. Rein fachtheoretische Gleichmacherei widerspricht tatsächlich vorhandenen kommunalen Bedürfnissen. 
 

      Polizeiinspektionen

   Die Polizeiinspektionen sind grundsätzlich Anbieter aller polizeilichen Leistungen und grundsätzlich Träger aller polizeilichen Aufgaben auf Landkreisebene. Auch für sie gilt daher ausdrücklich die Integration von Schutz- und Kriminalpolizei. Inwieweit auf dieser Ebene Servicedienste mit einzubeziehen sind, muss aus der polizeilichen Notwendigkeit definiert werden. 
   Generell muss aber gelten, dass die Verantwortung für die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben in einer Hand liegt. Wer Verantwortung teilt, organisiert die Unzuständigkeit und programmiert Sollbruchstellen. Deshalb spricht sich die GdP Niedersachsen deutlich gegen die Schaffung weisungsberechtigter Nebenstränge aus. Der Gesamtverantwortliche für die jeweilige Organisationseinheit darf nicht schon durch die Schaffung von einschränkenden Bedingungen in seinem Dispositionsrecht gehindert werden, um an Brennpunkten Schwerpunkte bilden zu können. 

   Gleichwohl ist auch hier polizeiliche Kreativität und eine politische Entscheidung notwendig. Wer glaubt, Polizeiinspektionen vom Reißbrett her entwickeln zu können, ohne regionale Gegebenheiten zu berücksichtigen, widersetzt sich kommunalpolitischen Strukturen. Hier gilt es, die bisherigen Erfahrungen der Polizeiinspektionen – Z - auszuwerten und zu einer möglichst flexiblen Polizeiorganisation umzusetzen. 
   Deshalb muss die Auflösung oder Zusammenlegung von Polizeiinspektionen die Ausnahme sein. 
   Eine Gleichschaltung der Aufgabenbeschreibung für jede Polizeiinspektion mit einem dazu mathematisch berechneten Personalsockel führt zu einer „Retortenpolizei“ und spricht nicht gerade für Kompetenz und Kreativität.
 

      Polizeidirektionen

   Mit der politischen Entscheidung, die Bezirksregierungen aufzulösen und als erstes die bisherigen Aufgaben der Polizeidezernate in Polizeidirektionen neu zu organisieren, ist zunächst einmal die Politik um eine Entscheidung gefordert.

   Offenbar sollen den zukünftigen Polizeidirektionen neben den klassischen Polizeiaufgaben auch noch sonstige Aufgaben der inneren Sicherheit zugeordnet werden. Gerade die Ausweitung der Aufgabenstellung der Polizeidirektion als überregionale Polizeibehörde macht deutlich, warum für die nachfolgenden Dienststellen Polizeiinspektionen und Polizeikommissariate die Bürgernähe und Bürgerfreundlichkeit unbedingt notwendig ist.

   Die Gefahr, dass Polizeidirektion zukünftig ein Quasi-Amt für öffentliche Sicherheit und Ordnung wird, ist gegeben. Polizeilich gesehen, wird auf der Ebene der Polizeidirektion die Kriminalitätsbekämpfung für die besonders herausragenden Delikte erfolgen müssen. Deshalb erscheint die Anbindung einer Kriminalinspektion auf Direktionsebene absolut gerechtfertigt. 

   Vorstellbar sind auch zentrale Servicefunktionen, die über die Aufgabenstellung einer Polizeiinspektion hinausgehen.
 

      Landespolizeipräsidium / Landespolizeiamt

   Die Frage, ob eine solche Einrichtung extern oder im Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport integriert sein wird, muss politisch entschieden werden. Sie wird voraussichtlich wesentlich davon abhängen, wie die Bereitschaftspolizei und Einrichtungen der Polizei des Landes koordiniert und geführt werden sollen.

   Wenn damit zum jetzigen Zeitpunkt noch viele Fragen im Hinblick auf die Umorganisation der Polizei offen sind, so steht für die Gewerkschaft der Polizei bereits heute fest:
Der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport hat anlässlich der Vereidigung am 27.08.2003 in Hann. Münden festgestellt, dass 23.000 Beschäftigte den Erfolg der Polizei tragen. Diese Aussage ist ein klares Bekenntnis zur Einheit in der Polizei. 
Er kann nur Polizeiexekutive, Polizeiverwaltung und das Tarifpersonal insgesamt gemeint haben. Wir werden seine zukünftigen Entscheidungen an dieser Aussage messen.


Peter Kabus
 
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