Zum Inhalt wechseln

Landesjournal Niedersachsen August 2005 - HAUSHALTSKLAUSUR - Polizisten bezahlen Digitalfunk?!

Die Haushaltsklausur der niedersächsischen Landesregierung brachte es ans Tageslicht: Die Polizei soll mit ihrer Lebensarbeitszeitverlängerung zur Finanzierung des Digitalfunks beitragen. GdP-Landesvorsitzender Bernhard Witthaut nimmt zu diesem Skandal Stellung. In zwei Protestaktionen hatten GdP-Kolleginnen und -Kollegen gegen diesen neuesten Auswuchs der Sparprogramme mit langen weißen Bärten, verkleidet als "Ü-120-Opa-Polizisten" demonstriert.


Bernhard Witthaut vor den Medien am 12. 7. 2005
Foto: r. f.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

seit langem stand der Zeitpunkt der Haushaltsklausur der niedersächsischen Landesregierung fest. Genauso lange liefen die Gerüchte um eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit durch die Polizei. An dieser Stelle erspare ich mir den chronologischen Ablauf über die Entstehung der Gerüchte. Das haben wir zwischenzeitlich nachvollzogen.

Die kleine Anfrage der SPD zu diesen Gerüchten beantwortete die Justizministerin in der Landtagssitzung am 23.06.05 in Vertretung für den Innenminister, der zum gleichen Zeitpunkt an der Innenministerkonferenz (IMK) teilnahm. Aus dem Landtagsprotokoll dieser Sitzung zitiere ich die Antwort der Landesregierung: „dass es zur Zeit keine solchen Überlegungen gibt.“

Dann kam der 05.07.2005, 13.30 h. An diesem Tag fand die Landespressekonferenz mit dem Ministerpräsidenten und dem Finanzminister statt. In seinem Statement ging der Ministerpräsident zuerst noch auf die bereits den Beamten zugemutete Streichung von Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld ein. Die Landesbeamten hätten bereits große Opfer erbracht und darum habe die Landesregierung auch von einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit für Beamte abgesehen. Dann kam er zum Bereich der Polizei: Die Landesregierung führe in Niedersachsen den Digitalfunk ein. Dazu werden 20 Millionen € investiert. Als Gegenfinanzierung verlängern sie ab dem Jahre 2009 die Lebensarbeitszeit von Polizeibeamten von 2009 an stufenweise um zwei Jahre. 1949 geborene Polizeibeamte arbeiten von 2009 an ein Jahr länger und 1950 geborene und jüngere Polizeibeamte arbeiten ab 2010 bis zum 62. Lebensjahr.


Gespräch mit Ministerpräsident Wulff
Foto: r. f.

In diesem Moment wäre ich am liebsten geplatzt. Aber es kam noch besser. In seinem Statement, und so liest es sich auch anschließend in der Presseerklärung der Landesregierung, sagt der Finanzminister: „Wir dürfen nicht nach der Rasenmähermethode vorgehen, sondern setzen weitrhin Prioritäten wie etwa die Innere Sicherheit, Einzelheiten werden in der Kabinettssitzung am kommenden Dienstag beschlossen.“

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, damit ist die Polizei die einzige Berufsgruppe, die auch in diesem Jahr von den Sparbeschlüssen der Landesregierung unmittelbar betroffen ist. Dass wir die Einführung des Digitalfunkes für Katastrophenschutz, Rettungsdienste, Feuerwehr und Polizei mit der Verlängerung unserer Lebensarbeitszeit selbst finanzieren müssen, ist - gelinde und emotional formuliert - eine Sauerei.

Am Donnerstag, den 06.07.2005 sickerte dann durch, dass die Auswirkungen teilweise im Beförderungsbereich aufgefangen werden sollen. Dazu soll es 350 Hebungen bzw. Umwandlungen geben. Ich halte es für einen Treppenwitz in der Geschichte der Polizei, die Polizeibeamten so zu beruhigen, denn wir wissen, dass auf der anderen Seite in den Jahren 2009 und 2010 mehr als 1300 Beförderungen wegfallen. Wir werden von der Politik getäuscht und belogen.

Deshalb waren wir in Emden aus Anlass des CDU–Parteitages und in Hannover anlässlich der Kabinettsklausur.

Ich habe mir einmal die Frage gestellt, was bedeutet diese Entscheidung:

Statistisch gesehen müssen im Jahr 2009 416 Beamte ein Jahr länger und im Jahre 2010 483 Beamte und ab dem Jahre 2011 immer mehr als 450 Beamte zwei Jahre länger arbeiten.

Die Konsequenz ist natürlich, dass Niedersachsen in dieser Größenordung auch weniger Anwärter einstellen wird. Die erste Konsequenz wird sein, dass am 01.10.2006 nur noch ca. 140 Anwärter eingestellt werden. Damit erfüllt die Landesregierung dann die politische Aussage, dass sie 1000 neue Polizisten eingestellt hat bzw. einstellen wird.

Aber gleichzeitig:

  • fallen ca. 1300 Beförderungsmöglichkeiten für 2009 und 2010 weg,
  • ist die Frage der genehmigten Altersteilzeiten nicht geklärt,
  • erfolgt die Anhebung des Durchschnittsalters in den folgenden Jahren von 41,38 auf mehr als 44
  • bekommt eine 3–Punkte-Beurteilung von 2002 um die Quote zu erfüllen, eine höhere Bedeutung, denn nun steht eine weitere Beurteilungsrunde im Jahre 2008 bevor.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es wird noch viel mehr Auswirkungen für die Polizeibeamten geben. Ich bin mir aber auch sicher, dass insgesamt diese Entscheidung mit dieser Begründung viele veranlassen wird, ihre Einstellung zu diesem ihrem Beruf zu verändern, denn als nächstes brauchen wir ja auch in den kommenden Jahren Ausrüstung und Ausstattung, um unseren Beruf ausüben zu können. Im Übrigen werden auch der Ministerpräsident und die anderen Regierungsvertreter zukünftig das digitale Funknetz benutzen. Wo ist denn hier die Gerechtigkeit?

Bernhard Witthaut

Landesvorsitzender



PROTEST 1

Opa-Polizei“ der GdP läuft in Emden Sturm

Emden, 9. Juli 2005. Da hatte die CDU schon die nordwestlichste Ecke Niedersachsens ausgesucht für ihren Parteitag, doch auch hier erreichte die Regierungspartei der lautstarke Protest der DGB- und GdP-Kolleginnen und -Kollegen. Demonstrativ bildeten die weißbärtigen „Opa-Polizisten“ ein Spalier, damit den Entscheidungsträgern dieses Landes deutlich vor Augengeführt werden konnte, wie es aussehen könnte, wenn die „Ü-120“-Streifenwagenbesatzung sie beschützt.

      Lebensarbeitszeitverlängerung zur Finanzierung des Digitalfunks ist ein Skandal!
„Nicht vergessen: Der Mensch ist mehr als ein Kostenfaktor!“ Unter diesem Motto demonstrierten insgesamt rund 600 Kolleginnen und Kollegen der Einzelgewerkschaften des DGB gegen die bisherigen Sparmaßnahmen und zukünftigen Pläne der CDU. Darunter auch rund 100 GdP-Kolleginnen und –Kollegen.


Als „Ü120-Besatzung“ verkleidete Kollegen
Foto: r. f.


Innenminister Schünemann zeigte für den Protest in Emden Verständnis . . .
Foto: r. f.


Sozialministerin von der Leyen nahm sich für ein Gespräch die meiste Zeit.
Foto: r. f.

Red.



PROTEST 2

GdP „begleitete“ Kabinettssitzung

Hannover, 12. Juli 2005: Erneut gingen rund 200 GdP-KollegInnen auf die Straße. Um 10 Uhr begann die Kabinettssitzung der Landesregierung. Bereits um 9 Uhr trafen sich GdP-Mitglieder, um gegen die Bezahlung des Digitalfunks mit ihrer eigenen Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu demonstrieren. Diese ruft immer mehr Wut und Enttäuschung bei unseren Kolleginnen und Kollegen hervor.


Finanzminister Möllring als „Pächter der Wahrheit“ von Argumenten der Polizeiangehörigen unbeeindruckt.
Foto: r. f.

Es ist nicht einsehbar, zwei Jahre länger arbeiten zu müssen, um die eigene Ausrüstung zu bezahlen. Dass der Digitalfunk für Katastrophenschutz, Rettungsdienste, Feuerwehr und Polizei allein von den Polizisten finanziert werden soll, ist von niemandem zu begreifen. Das Kabinett hat dies dennoch beschlossen.

      „Die Bezahlung des Digitalfunks durch die Polizei selbst ist so, als ob die VW-Arbeiter ihre Roboter, die die Autos zusammenschweißen, selbst bezahlen müssten“,
sagte ein Kollege.


Die Bärte als Symbol. Der Spruch auf dem Plakat – inzwischen mehrfach bewiesen.
Foto: r. f.

Wut und Enttäuschung entluden sich am 12. Juli verbal und in einem gellenden Pfeifkonzert, zumindest gegen die Minister Möllring und Schünemann, die kurz vor 10 Uhr am Tagungsort, vor dem Gästehaus der Landesregierung, erschienen. Ministerpräsident Wulff hatte es vorgezogen, bereits vor Beginn der Demo abzutauchen. Von seiner am Samstag in Emden noch geäußerten Gesprächsbereitschaft, auf die die GdP sofort eingegangen war, war nichts mehr zu hören.

      Wo ist der Dialog mit den Gewerkschaften, Herr Ministerpräsident?
Die Demonstration vor dem Gästehaus der Landesregierung fand ein ungewohnt großes Medieninteresse. Um 10 Uhr beendete Kollege Witthaut mit einem Dankeschön an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Protestaktion.

r.f.



Falls Sie einen Leserbrief zu einem Artikel in DEUTSCHE POLIZEI schreiben möchten, klicken Sie bitte auf das jeweilige Mail-Zeichen.
Bitte vergessen Sie nicht, den Artikel zu nennen, zu dem Sie sich äußern möchten.
.
Zu einem Artikel des LandesJournals Niedersachsen:Zu einem Artikel des Bundesteils:
.
redaktion@gdpniedersachsen.de
.
.
leserbrief-dp@gdp-online.de
.
..
.
.
.
This link is for the Robots and should not be seen.