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Landesjournal Niedersachsen Dezember 2008 - CASTOR-EINSATZ 2008: GdP mit mehreren Betreuungsteams im CASTOR-Einsatzgebiet

Im Wendland spricht man von der fünften Jahreszeit, wenn die CASTOR-Transporte den Weg aus der Aufbereitungsfabrik La Hague ins Zwischenlager nach Gorleben suchen. Elf Atommüllbehälter gingen dieses Mal auf die insgesamt 79 Stunden dauernde Reise, geschützt von ca. 8000 Polizisten des Bundes und über 9000 der Länder, davon ca. 5000 aus Niedersachsen.

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Fotos (8): r.f.

GdP schreibt Betreuung groß: Bernhard Witthaut (li.) im Gespräch mit dem Leiter EA Aufklärung, KD Bernd Deutschmann und dem GdP-Pressesprecher des Bundesvorstandes,
Rüdiger Holecek …

... und Martin Hellweg im Gespräch mit Einsatzkräften, hier einer Kollegin aus NRW: Strahlendes Lächeln vor strahlendem Zwischenlager!

 

Mitglieder der Clown-Parade bei der Sitzblockade vor dem Zwischenlager
 

GdP-Internet-Café des Landesbezirks NRW als Dienstleistung für unsere Einsatzkollegen
 

Ohne Mampf keinen Kampf: Statt Outsourcing hier eigene Versorgungskräfte im Dauereinsatz
für besseren Service und gute Küche

 

Stummer Protest gegen die CASTOREN
 


 

Schwerstarbeit im 24-Stunden-Dienst: Wegtragen der Demonstranten
 


 
 

Was für manche ein lustiges „Hase und Igel“-Spiel ist, bedeutet für die Polizeieinsatzkräfte, egal ob Polizisten, Versorger, Küchen- und anderes Personal, Einsatz bis an die Leistungsgrenze und teilweise darüber hinaus. Dass viele Einsatzkräfte mit den Atomkraftgegnern aus politischer Überzeugung sympathisieren, macht den Einsatz auch nicht gerade leichter. Wer möchte schon hoch radioaktiven Müll in seiner nächsten Umgebung wissen.

Am Freitag, 7. November, begann für die Einsatzkräfte die heiße Phase. Erste kleinere Demonstrationen hatte es bereits in den Tagen davor gegeben. Von Anfang an rechnete die Einsatzleitung mit einem höheren Zulauf von Demonstrationsteilnehmern als in den vergangenen Jahren. Die aktuelle politische Diskussion um Laufzeiten, mögliche Endlager und natürlich auch der wohl gescheiterte Versuch, den Salzstock in der Asse zu einem sicheren Endlager zu machen, haben Protesten neuen Auftrieb gegeben.

Am Freitag kurz nach 18 Uhr ging dann die Reise der Transportbehälter los. Samstag gegen Mittag wurde er an der französisch-deutschen Grenze bei Wörth erwartet. Hier kam es dann zu einer ersten nicht eingeplanten Verspätung. Auf deutscher Seite hatten sich drei Personen an die Gleise gekettet, die erst nach zwölf Stunden von der Polizei heraus gelöst werden konnten.

Am Samstag erlebten Bürger und Polizei in Gorleben eine der größten Protestdemonstrationen der vergangenen Jahre. 15.000 Teilnehmer gingen auf den Protestmarsch von Gorleben zum drei Kilometer entfernten Zwischenlager. Während es auf dieser Demonstration überwiegend friedlich blieb, hatte sich die Polizei entlang der 50 km langen Bahnstrecke zwischen Lüneburg und der Umladestation Dannenberg mit heftigen, teilweise auch gewalttätigen Störern und Straftätern auseinander zu setzen. Erneut versuchten mehrere hundert Menschen die Gleise zu besetzen, das Gleisbett zu unterhöhlen und Barrikaden zu errichten. Im Schutz der Dunkelheit wurden Einsatzkräfte massiv angegriffen und teilweise verletzt. Viele Störer wurden in Polizeigewahrsam genommen. Während des gesamten Einsatzes wurden 50 Kolleginnen und Kollegen verletzt, davon zwölf durch Fremdeinwirkung.

Am Montag wurde der Transport erneut zehn Stunden aufgehalten, weil erst die Sitzblockade vor dem Zwischenlager geräumt werden musste und sich acht CASTOR-Gegner an technisch komplizierte Betonpyramiden gekettet hatten. Erst gegen 22 Uhr konnten sie gelöst werden. Um 23.15 Uhr konnte dann der Straßentransport von der Umladestation ins Zwischenlager beginnen. Nach einer Stunde, genau um 00.17 Uhr stellte die Einsatzleitung fest: Der Transport ist im Zwischenlager angekommen, der Einsatz ist zu Ende.

Die Stimmung unter den Einsatzkräften, die bis Montag früh recht gut war, schlug im Laufe des weiteren Tages teilweise um. Nach unseren Feststellungen war nicht nur der Zeitplan für den Transport um 18 Stunden durcheinander geraten, sondern auch einige Einsatzpläne für die eingesetzten Polizeikräfte. Am Montag gegen 16 Uhr erhielten wir einen Notruf von Kollegen, die bis dahin nicht nur bereits 24 Stunden im Einsatz, sondern auch seit zehn Stunden nicht mehr versorgt waren. Unsere Intervention bei der Gesamteinsatzleitung führte zumindest dazu, dass diese Kolleginnen und Kollegen versorgt wurden. Sie aus dem Einsatz herauszulösen und in die Ruhe zu schicken, war nicht möglich. Es wurde stündlich mit dem Beginn des Straßentransports gerechnet. In diesem Zusammenhang war überdeutlich erkennbar, dass die teilweise langen Anfahrtswege die Einsatzzeiten insgesamt verlängerten und die Ruhezeiten zu sehr verkürzten. Am Beispiel der Unterbringung der Einsatzkräfte in Bispingen wird dies klar. Gegen die Unterbringung im Center-Park ist sicherlich nichts einzuwenden, was auch die Einsatzkräfte immer wieder betont hatten. Aber Wegzeiten bis zu 20 Minuten vom Unterkunftsbungalow zur Essenausgabe, 20-25 Minuten bis zum Großparkplatz, wo die Einsatzfahrzeuge stehen und dann noch bis zu zwei Stunden Fahrzeit zum Einsatzort sind in der heißen Phase, wenn schon geplante Einsatzzeiten zwölf Stunden dauern, nicht zumutbar.

Schon während des Einsatzes verlangte Bernhard Witthaut: „Vor dem nächsten CASTOR-Einsatz muss rechtzeitig geprüft werden, ob die teilweise sehr langen An- und Abfahrtszeiten der Einsatzkräfte bestehen bleiben müssen. Fahrzeiten zum Ruheort von bis zu zwei Stunden vor und nach 12-stündigen Einsätzen sind zukünftig bei der Einsatzplanung stärker zu berücksichtigen.“

Ein weiterer und bereits seit 2005 bestehender Kritikpunkt ist die Vergütung der Bereitschaftszeiten. Das Verwaltungsgericht in Lüneburg hat jetzt signalisiert, dass es im Februar einen Verhandlungstermin ansetzen will, aber wir wollen jetzt eine praktische Entscheidung. Unser Kollegen gehen in diesem Einsatz bis zur Leistungsgrenze und darüber hinaus. Die Haltung der Landesregierung ist einfach unverständlich. Lippenbekenntnisse hören wir genug. Wulff, Schünemann und Möllring müssen jetzt handeln.

Nach vier Tagen im Einsatzraum haben such die Betreuerteams der GdP und Personalräte Montag Nacht ein Resümee gezogen. In einem Punkt waren sich alle einig, über die Verpflegung der Einsatzkräfte hat es keine Beschwerden gegeben - im Gegenteil. Immer wieder wurde die Qualität der Versorgung gelobt. Auch unsere Kolleginnen und Kollegen in den Küchen, die Betreuer und alle, die im Hintergrund dafür sorgen, dass die Einsatzkräfte im wahrsten Sinne bei Kräften bleiben, wurden überall gelobt. Täglich gab es zum Beispiel in der Küche der TKK in Lüneburg eine Attraktion aus der Backstube: Mandelhörnchen! Die ausgegebenen 2500 Stück pro Tag erlebten nur selten das Abkühlen. Mindestens in dieser Beurteilung waren sich auch die Einsatzkräfte einig: An der Verpflegung gibt es im Gegensatz zu den Unterkünften kaum noch etwas zu verbessern. Dieser Einsatz machte wieder einmal deutlich, dass eigene Versorgungsgruppen unerlässlich sind. Im Gegensatz zum Einsatz in Heiligendamm gab es kaum Kritik an der Arbeit und den Ergebnissen der Versorgungsgruppen.

Mit Kopfschütteln und ungläubigem Staunen wurde am späten Montag Nachmittag eine Meldung von Focus-Online aufgenommen, die am Dienstag auch in der Neuen Osnabrücker Zeitung nachzulesen war. In den Meldungen wurde der Bundesvorsitzende Wendt der DPolG zitiert, der den Einsatzkräften vor Ort schwere Fehler vorwarf. Die Deeskalationsstrategie sei „grandios gescheitert“ und „der Staat habe sich von den Atomkraftgegnern peinlich vorführen lassen“. Wendt forderte für die Zukunft eine Null-Toleranz-Strategie. In der traditionellen Pressekonferenz nach dem CASTOR-Einsatz wertete Innenminister Schünemann dies als abwegige Ferndiagnose eines Mannes, der vom Einsatzgeschehen keine Ahnung mehr habe, die Kritik entbehre jeder Grundlage. In unserer Presseerklärung vom gleichen Tag haben wir ein „Reinprügeln“ der CASTOR-Behälter abgelehnt. Wir haben die Strategie gegen gewalttätige Störer als zielgerecht und angemessen empfunden. Die Polizei muss unserer Meinung nach berücksichtigen, dass sich unter den Demonstranten und Blockierern viele Kindern, Jugendliche und ältere Menschen befinden. Diese dürfen nicht mit gewaltbereiten Störern in einen Topf geworfen werden.

Den Gerüchten um eine höhere Strahlenbelastung der CASTOR-Behälter muss schnellstens nachgegangen und die Einsatzkräfte darüber aufgeklärt werden. Es darf keinen Zweifel geben, dass unsere Kolleginnen und Kollegen durch die CASTOR-Behälter höheren gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt sind. In einer ersten Maßnahme wurden bereits im Vorfeld die Verweilzeiten und die Abstände der Einsatzkräfte in der Nähe der Atommüllbehälter verkürzt. Die GdP wird dieses Problem weiter sehr aufmerksam beobachten und darüber informieren.

Mit der Einfahrt der Behälter mit dem hoch radioaktiven Atommüll war eine der größten Polizeieinsätze in Gorleben zu Ende. Die hohe Anzahl der Einsatzkräfte war durch die deutlich gestiegene Zahl von Demonstranten und CASTOR-Gegnern gerechtfertigt. Auch die Zahl der gewalttätigen Störer und Straftäter hat gegenüber den vergangenen Jahren stark zugenommen. Trotz der Verspätungen und Verzögerungen haben alle Einsatzkräfte ein hohes Maß an Professionalität bewiesen.

Kolleginnen und Kollegen, ihr habt einen guten Job gemacht. Unsere Hochachtung!


rf





 

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