Und auch im vergangenen Jahr waren es acht neue Polizeianwärter mit Migrationshintergrund, die im September von Ministerpräsident Torsten Albig und Innenminister Stefan Studt auf Hubertushöhe vereidigt wurden. Die Einstellung dieser Bewerber sei eine echte Bereicherung für die Landespolizei hob Albig hervor. „Wir haben wirklich eine moderne Landespolizei. Wenn auch unter den Flüchtlingen das Ansehen für unsere Polizei ebenfalls groß ist, dann liegt das nicht nur an deren umsichtigem und deeskalierendem Auftritt. Es hat auch damit zu tun, dass man in den Reihen der Landespolizei immer öfter auf Menschen mit ausländischen Wurzeln trifft“, sagte der Ministerpräsident. Das Gros dieser Polizei-Bewerber der vergangenen 21 Jahre stellt die Türkei mit 57 Bewerbern, gefolgt von Polen mit 27 sowie Kasachstan mit 17 und Russland mit 15 Nachwuchskräften. Seit 12 Jahren arbeitet die Landespolizei mit der Türkischen Gemeinde Schleswig-Holstein (TGSH) zusammen. „Dies geschah auch, weil die Landespolizei wollte, dass entsprechende Erklärungen hierzu auch mit Leben erfüllt werden“, erklärt Horst Winter (Foto links), Chef der Werbe- und Einstellungsstelle auf Hubertushöhe. Verhandlungspartner der Polizei sei dabei von Beginn an Dr. Cebel Küçükkaraca (Foto Mitte) gewesen. „Wir waren uns beide sehr schnell einig, dass es gut und richtig sei, jungen und zugleich für die Polizei geeigneten Migranten stets zu ermuntern, sich für die Landespolizei zu bewerben“, erinnert sich Winter. Dies sei auch gerade vor dem Hintergrund erfolgt, dass die noch in der Türkei aufgewachsenen Generationen häufig kein gutes Bild über die dortige Polizei wahrgenommen hatten und diese Generation der Großeltern beziehungsweise Eltern für die jungen Menschen mit Migrationshintergrund aber häufig auch erster Ratgeber für die Berufswahl war. „Die Zusammenarbeit mit der Türkischen Gemeinde hat sich prächtig entwickelt, sicherlich auch, weil seit 2008 ein Beamter mit türkischen Wurzeln seinen Dienst bei der Werbe- und Einstellungsstelle versieht“, bilanziert der Erste Polizeihauptkommissar. Neben den eigentlichen gemeinsamen Veranstaltungen zur Berufsinformation hätten sich auch darüber hinaus gemeinsame Zusammenkünfte ergeben und entwickelt. So wie die Werbe- und Einstellungsstelle im Jahre 2011 Gast der Türkischen Gemeinde zur Feier des 50-jährigen Deutsch-Türkischen Anwerbeabkommens im schleswig-holsteinischen Landtag war, so selbstverständlich nehme Küçükkaraca seit Jahren als geschätzter Gast an der jährlichen Vereidigung bei der Landespolizei teil. Und wenn er mit ihm bei Veranstaltungen der Türkischen Gemeinde zusammentreffe, so sage er dem Publikum, dass die Information über den Beruf ein Grund des Besuchs sei, der andere laute: „Die Polizei kommt heute als Freund zu ihren Freunden“, so Horst Winter. Thomas Gründemann

Thomas Gründemann interviewte Dr. Cebel Küçükkaraca, den Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde Schleswig-Holstein, dem im August 2015 für sein Engagement das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde.

Herr Küçükkaraca, seit 20 Jahren stellt die Landespolizei Bewerber mit einem so genannten Migrationshintergrund, also mit ausländischen Wurzeln, ein. Wie bewerten Sie hierbei die Entwicklung bzw. Situation bei der Landespolizei?
Die Landespolizei ist im Vergleich zu vielen anderen Verwaltungsapparaten vorbildlich, was die Ansprache, Ermutigung und die Einstellung von Menschen mit Migrationshintergrund angeht. Natürlich wünschen wir uns als Interessenvertretung noch einen größeren Anstieg der Zahlen, denn eine repräsentative Abbildung der Bevölkerung ist noch nicht erreicht.

In welcher Form gibt es eine Zusammenarbeit zwischen der Türkischen Gemeinde und der Landespolizei?
Die Türkische Gemeinde in Schleswig-Holstein und die Landespolizei arbeiten schon seit mehreren Jahren zusammen. In erster Linie finden regelmäßig zum Bewerbungszeitraum der Landespolizei Informationsveranstaltungen mit der Ausbildungsstelle der Polizei statt. Wir haben bei verschiedenen Polizeidienststellen Seminare zur interkulturellen Öffnung und Informationsveranstaltungen zum Islam angeboten und Moscheeführungen in Kooperation mit muslimischen Gemeinden durchgeführt.
Auch mit der Abteilung Kriminalitätsprävention steht die TG-SH im engen Kontakt.

Wer sind in der Landespolizei Ihre vorrangigen Ansprech- bzw. Gesprächspartner?
Für verschiedene Ansprachen stehen unterschiedliche Kontakte zur Verfügung. So verkehren sowohl mit der Chefetage als auch mit den einzelnen Revieren.
Für die Ausbildungsveranstaltungen sind dies Horst Winter und Harun Biner (Foto rechts) von der Werbe- und Einstellungsstelle.
Bei der Kriminalitätsprävention ist Herr Fallesen unser erster Ansprechpartner.



Wie sieht die Zusammenarbeit konkret aus?
Die Informationsveranstaltungen werden gemeinsam geplant und in den Räumlichkeiten der TGS-H durchgeführt. In der zweiten Jahreshälfte finden mehrere Veranstaltungen statt. Angebote zur interkulturellen Sensibilisierung werden auf Anfrage in den Räumlichkeiten der Polizei durchgeführt.
Die Moscheeführungen finden in den Moscheen statt. Mit der Kriminalprävention findet ein regelmäßiger Austausch im Quartal statt.

Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit?
Die Zusammenarbeit ist vertrauensvoll und zuverlässig. Sie ist wertvoll für die gemeinsame Zielgruppe der Menschen mit Migrationshintergrund.

Wo gibt es nach Ihrer Auffassung möglicherweise noch Verbesserungsmöglichkeiten?

Zum Beispiel, dass für Menschen mit Migrationshintergrund Vorbereitungskurse auf die Einstellungstests angeboten und die Zahl deren Bewerber gesteigert werden. Dennoch sind die Erfolge, die die Landespolizei bislang erzielt hat, vorbildlich. Mittlerweile kann sie Vorbilder, wie Herrn Biner vorweisen, die den Weg des Polizei-Berufes erfolgreich beschreiten.

Welche Erfahrungen haben Sie bislang persönlich bei Begegnungen mit Polizisten gemacht?
Ich erinnere mich nur an reibungslose, freundliche Begegnungen. Allerdings habe ich Polizisten kennen gelernt, die selbst einen Migrationshintergrund haben, die überraschenderweise mehr Vorurteile gegen Menschen ihres Herkunftskulturkreises hatten, als ihre Kolleginnen und Kollegen ohne Migrationshintergrund. Daran sieht man, dass es nicht genügt Menschen mit Migrationshintergrund einzustellen. Vielmehr muss sämtliches Personal bezogen auf Vielfalt geschult werden.

Haben Sie das Gefühl oder den Eindruck, dass es bei der Polizei Ansätze für eine Ausländerfeindlichkeit gibt?
Polizisten sind auch Menschen. Dass Bemerkungen gemacht werden, die aus persönlichen Vorurteilen resultieren können, ist nicht auszuschließen.
Ich würde nicht den Begriff Ausländerfeindlichkeit verwenden, weil es die Gruppen, die von Diskriminierung betroffen werden, zu stark einschränkt auf eine Eigenschaft. Leider haben sowohl der Rassismus als auch die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft Wurzeln geschlagen. Sie sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Davor konnte die Polizei genauso wenig geschützt werden, wie Lehrer, Berufsberater oder Journalisten, um nur einige Berufsgruppen zu nennen. Daher ist es wichtig, dass Begegnungen stattfinden, Kurse zur interkulturellen Sensibilisierung zur Stärkung der interkulturellen Kompetenz angeboten und wahrgenommen werden sowie Möglichkeiten für Reflektion geschaffen wird. Wir müssen uns alle mal an die eigene Nase fassen. Denn einen Migrationshintergrund zu haben, heißt nicht per se, interkulturell kompetent zu sein. Interkulturelle Kompetenz erlangt man nicht mit einem Seminar. Es ist ein unendlicher Prozess, der initiiert wird. Diesem Prozess hat sich in Teilen die Landespolizei geöffnet. Der nicht endende Prozess verlangt aber eine ständige Hinterfragung der eigenen Position. Somit muss der Auftrag auf beiden Seiten weiter verfolgt werden.

Hintergrund

Die zentrale Werbe- und Einstellungsstelle der Landespolizei in Eutin stellt seit einer Entscheidung der Landesregierung im Jahre 1993 seit 1994 Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit bzw. Migrationshintergrund ein. Migrationshintergrund hat a) wer selbst eine ausländische Staatsbürgerschaft hat und in Deutschland dauerhaft lebt, b) wer nicht in Deutschland geboren ist (z.B. auch als Statusdeutscher/Aussiedler) und c) wenn mindestens ein Elternteil die ausländische Staatsbürgerschaft besitzt oder aus dem Ausland zugezogen ist oder d) wer Deutsch nicht als Muttersprache gelernt hat. Gründemann

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