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GdP zum Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe in Schleswig-Holstein:

Zunächst einmal Voraussetzungen schaffen

Kiel.

Am zurückliegenden Freitag wurde im Landtag in erster Lesung der Entwurf eines neuen Strafvollzugsgesetzes beraten. „Mit dem vorgelegten Landes-Strafvollzugsgesetz soll nun für den Vollzug der Freiheitsstrafe in Schleswig-Holstein eine landesrechtliche Rechtsgrundlage geschaffen“, bewertet Thorsten Schwarzstock, Vorsitzender der GdP Regionalgruppe Justizvollzug, das Papier. „Das Gesetz formuliert ein klares Bekenntnis zum Behandlungsvollzug. Dieses wird seitens der GdP ausdrücklich begrüßt. Wir sprechen uns ausdrücklich dafür aus, den Strafvollzug moderner zu gestalten.“

Die Landesregierung wird beim Strafvollzug jedoch Prioritäten setzen oder viel Geld zur Verfügung stellen müssen, wenn die jetzt eingeleitete „Reform“ des Strafvollzuges erfolgreich sein soll. Noch fehlen die tragenden Säulen, auf denen das Gesetz aufgebaut werden könnte. Die mit dem Gesetz verpflichtend einhergehenden Veränderungen und qualitativen Verbesserungen bedürfen unverzüglich zielgerichteter Maßnahmen, um zeitnah die personellen, organisatorischen und baulichen Voraussetzungen für die neu zugewiesenen Aufgaben zu schaffen.

Während die Praktiker gut mit den Regelungen im (Bundes-)StVollzG arbeiten konnten, musste etwas Neues her. Die neuen so genannten Schwerpunkte standen schon immer im Fokus eines behandlungsorientierten Vollzuges. Schlagworte wie familienfreundlicher Vollzug, Übergangsmanagement pp. gaukeln Außenstehenden vor, dass bisher nur Verwahrvollzug praktiziert wurde. Jetzt würde etwas ganz Neues entstehen. Tatsächlich lässt das bestehende StVollzG diese Möglichkeiten bereits zu. Vieles wird und wurde in den Justizvollzugsanstalten soweit möglich bereits praktiziert, vieles ist ohne bauliche, personelle und organisatorische Veränderungen / Anpassungen aber nicht umsetzbar.

Hinzu kommen immense Kosten, die heruntergespielt werden. Auch wenn der Finanzbedarf für den vorliegenden Gesetzentwurf nur sehr schwer planbar ist, ist aus Sicht der GdP für die inhaltliche Umsetzung des Gesetzes ein enorm hoher Finanzbedarf erforderlich.
Der vorliegende Gesetzentwurf sieht zusätzliche Aufgaben vor, die auch zusätzliche Räumlichkeiten und weiteres Personal erfordern. In vielen §§ werden Regelungen getroffen (z. B. familienorientierter Vollzug, Diagnostik, Unterbringung in Übergangseinrichtungen pp.), deren Umsetzung unter den derzeitigen baulichen, organisatorischen und personellen Umständen unmöglich ist.

Der Gesetzesentwurf nimmt ebenfalls nicht ausreichend zur Kenntnis, dass die medizinische Versorgung der Inhaftierten, die unter einer psychischen Erkrankung leiden oder psychisch auffällig sind bzw. geworden sind, unzureichend ist.

Es wird nur „verschwommen“ dargestellt, welcher Sach- und Personalbedarf erforderlich ist, um das Resozialisierungskonzept auch tatsächlich umzusetzen. Einige Kosten werden gar nicht benannt oder geschönt. Der kalkulierte zusätzliche personelle Mehrbedarf von voraussichtlich 22 Stellen des allgemeinen Vollzugsdienstes erscheint u. E. als erheblich zu gering. Wie weiteres Personal durch
organisatorische Maßnahmen in den Anstalten „erwirtschaftet“ werden soll ist fraglich, da der Vollzug schon seit Jahren beispielsweise - und nachgewiesener Maßen - die Aufschlusszeiten der Gefangenen nicht gewährleisten kann.

„Es genügt nicht, einfach eine grob geschätzte Anzahl von Bediensteten „dazuzutun“, sondern es müssen konkrete Personalberechnungen und -planungen erfolgen“ so Schwarzstock weiter. „Soziale Sicherheit bedeutet automatisch einen Personalmehrbedarf. Unerwünschten subkulturellen Entwicklungen - ja, so etwas gibt es im Vollzug eben auch - kann nur so entgegen gesteuert werden, indem Aufschluss beaufsichtigt und begleitet wird. Jeder Vollzugspraktiker weiß, dass unkontrollierte Freiräume sehr schnell durch sich subkulturell betätigende Gefangene genutzt werden, um vom Vollzug nicht oder kaum kontrollierbare Abhängigkeiten zu begründen. Eine solche Entwicklung muss unbedingt verhindert werden, weil ansonsten der Erfolg eines auf Verhaltensänderung angelegten Strafvollzuges unterlaufen wird.“

Tatsache ist, dass sowohl die baulichen Voraussetzungen wie auch die personelle Ausstattung bereits heute nicht annähernd bedarfsgerecht für den gesetzlich vorgegebenen Behandlungsauftrag sind. Ausweislich der Vorbemerkungen zu dem vorliegenden Referentenentwurf betragen die erforderlichen zusätzlichen Bauinvestitionen rund 13.100 T€ und sollen durch Zurückstellung bereits anerkannter Baubedarfe in den Justizvollzugsanstalten gedeckt werden. Diese Form der Finanzierung zusätzlichen Bauinvestitionen wird durch die GdP strikt abgelehnt.

Die bereits anerkannten Baubedarfe sind – da anerkannt – auch erforderlich und dürfen daher nicht zurückgestellt werden. Die erforderlichen Baumaßnahmen können nur erfolgen, wenn zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Burkhard Peters (Bündnis 90/Die Grünen) beschreibt in seiner gestrigen Landtagsrede eine JVA wie folgt: „Hässliche Gebäude innerhalb von hohen Mauern, mit Stacheldrahtrollen gesichert, enge Zellen mit Latrinen hinter einem Paravent; ein durchgetakteter Tagesablauf, kaum Rückzugsraum, ständige Kontrollen, Zwangsgemeinschaft mit Menschen, denen man sich nur bei Zelleneinschluss entziehen kann, ein rüder Umgangston und der bis auf wenige Stunden im Monat reduzierte Kontakt mit vertrauten Menschen. Die Liste der Einschränkungen und Widrigkeiten ist damit noch lange nicht vollständig.“

Dazu Schwarzstock: „Die extreme Beschreibung der Haftbedingungen durch den Abgeordneten Peters, die wir so nicht bestätigen können, würden - wenn sie denn tatsächlich zuträfen - analog auch die Arbeitsbedingungen der Bediensteten beschreiben. Auch das darf dann man nicht aus den Augen verlieren.“

Fakt ist, dass schon jetzt gesetzliche Vorgaben geschaffen werden sollen, ohne dass die baulichen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen vorliegen. Es wird eine Erwartungshaltung bei Bediensteten und Gefangenen geschaffen, die nicht umsetzbar scheint.


Der Regionalgruppenvorstand

Zur Pressemeldung als pdf-Datei


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