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Mindestanforderungen an Polizeistruktur

Von Edgar Große, stellv. Landesvorsitzender der GdP Thüringen

Erfurt.

Innenminister Dr. Karl Heinz Gasser hat im Herbst 2004 ein Projekt OPTOPOL eingesetzt, welches Vorschläge zur Optimierung der Organisation und der Arbeit der Thüringer Polizei erarbeiten sollte. Im November 2005 hat das Projekt Ergebnisse vorgelegt, die auch und besonders innerhalb der Polizei in Teilen umstritten sind.

Die Gewerkschaft der Polizei und der Hauptpersonalrat der Thüringer Polizei haben zudem beklagt, dass ihre Einbeziehung in der wesentlichen Endphase des Projektes praktisch nicht stattfand. Inzwischen gibt es Alternativvorschläge zum Projekt OPTOPOL. Die Gewerkschaft der Polizei hält die gegenwärtige Struktur der Thüringer Polizei für optimal. Dafür sprechen u. a. die Ergebnisse in der Kriminalitätsbekämpfung und in der Zurückdrängung des Verkehrsunfallgeschehens. Diese Struktur setzt jedoch eine Anzahl von Beschäftigten der Thüringer Polizei voraus, die der Thüringer Landtag der Polizei nicht zur Verfügung stellen kann oder will.

Die Optimierungseffekte der gegenwärtigen Struktur lassen möglicherweise keine Veränderungen in der Größenordnung zu, welche die Struktur mit den Haushaltsvorgaben in Einklang bringt. Dies sehen wir aber bisher nicht als erwiesen an. Strukturüberlegungen der Polizei sollten im engen Zusammenhang mit der Arbeit der Enquetekommission des Thüringer Landtages zur Gebietsreform gesehen werden um mehrfache Strukturänderungen innerhalb kürzester Zeit zu verhindern.

Die Gewerkschaft der Polizei kann weder die Arbeit von OPTOPOL leisten noch die Alternativvorschläge im Detail nachvollziehen. Sie beschränkt sich deshalb darauf, für die weitere Diskussion von Strukturveränderungen allgemeine Forderungen zu formulieren, denen sich jeder Strukturvorschlag stellen muss.

1. Grundforderungen

– Strukturveränderungen in der Thüringer Polizei dürfen nicht zum weiteren Stellenabbau und damit zur Haushaltssanierung missbraucht werden. Die inzwischen im Landeshaushalt 2006/7 festgelegten Personalstärken der Thüringer Polizei müssen mittelfristig gehalten werden.

Anderenfalls werden die jetzt diskutierten Strukturänderungen in Kürze bestenfalls nur noch Makulatur sein, weil dann das Personal fehlen würde, um diese Struktur mit Leben zu erfüllen.

– Die Neustrukturierung der Thüringer Polizei darf nicht zur Aufgabe von derzeitigen Standorten der Thüringer Polizei führen. Die Dislokation der Polizeiinspektionen und -stationen einschließlich der Kriminalpolizei-, Verkehrspolizei- und der Polizeiinspektionen Zentrale Dienste hat sich bewährt. Da wo heute Polizeidienststellen bestehen, müssen diese auch zukünftig als Anlaufstellen für den Bürger zur Verfügung stehen.

– Zur Anpassung der Dienstposten an die Haushaltsstellen müssen alle Behörden und Einrichtungen einschließlich der Abteilung Polizei im Thüringer Innenministerium ihren Beitrag leisten.

– Strukturänderungen dürfen nicht zur Zentralisierung von Aufgaben der polizeilichen Grundbetreuung führen. Polizeibeamte müssen im erforderlichen Umfang regional für die Aufgabenbewältigung vor Ort zur Verfügung stehen. Übermäßige Zentralisierungen würden zu unvertretbaren Wegen mit unverhältnismäßig hohem Zeitaufwand führen. Kenntnisse über regionale Strukturen und örtliche Besonderheiten, die insbesondere für die Aufklärung und Zurückdrängung von Straftaten notwendig sind, würden sonst verloren gehen.

– Grundbetreuung ist für die GdP die Fähigkeit der Polizei, auf polizeilich relevante Ereignisse (Straftaten, Verkehrsunfälle, Schadensereignisse etc.) in kurzer Zeit angemessen reagieren zu können. Zur Grundbetreuung eines Territoriums gehören sowohl die Kräfte des polizeilichen Streifeneinzeldienstes wie auch Spezialisten der Verkehrs- und Kriminalpolizei und geschlossene Einheiten der Polizei. Die Polizeidirektionen müssen in der Lage sein, die polizeilichen Aufgaben in ihrem Territorium im Wesentlichen mit eigenen Kräften und Mitteln zu bewältigen. Die Polizei darf sich also mit möglichen Strukturänderungen nicht aus der Fläche zurückziehen. Nur bei herausragenden Einsatzlagen, Delikten oder Schadensereignissen ist eine Unterstützung durch zentrale Dienststellen erforderlich.

– Die GdP unterstützt den Vorschlag des Projektes OPTOPOL zur Schaffung einer gemeinsamen Aus- und Fortbildungseinrichtung der Thüringer Polizei. Dies setzt jedoch voraus, dass eine eigenständige Fachhochschule Polizei geschaffen wird. Sollte dies nicht gelingen, so ist die Trennung der Fachhochschulausbildung einerseits und der Ausbildung des mittleren Dienstes sowie der Fortbildung der Polizei andererseits aufrecht zu erhalten.

– Vor dem Hintergrund des sparsamen Umgangs mit Personal und Haushaltsmitteln lehnt die GdP Neueinstellungen für die Sportfördergruppe ab. Die derzeit in Ausbildung befindlichen Lehrgänge sind geordnet zu Ende zu führen. Danach ist das Projekt zu beenden.

2. Schutzpolizei

– Die Dienststellen der Schutzpolizei wurden 2001 so umstrukturiert, dass grundsätzlich pro Landkreis eine Polizeiinspektion besteht, der weitere Dienststellen (Polizeistationen und -posten) nachgeordnet sind. Es bestehen Ausnahmen auf Grund regionaler Besonderheiten. Diese Struktur hat sich bewährt.

– Obwohl von OPTOPOL die Schutzpolizeiinspektionen primär nicht erfasst sind, fordert die GdP in diesem Zusammenhang, dass die jetzt bestehenden Dienststellen der Schutzpolizei auch künftig als Standorte erhalten werden. Andernfalls wäre die polizeiliche Grundbetreuung nicht mehr gewährleistet.

– Die Zentralisation von Aufgaben darf nicht dazu führen, dass vor Ort Kräfte abgezogen werden. Die Dienstkräfte der Schutzpolizei sind nach den anerkannten Regeln der Zumessung zu Kräften (Arbeitsbelastung, zu betreuendes Territorium, zu betreuende Einwohner und Bevölkerungsdichte) auf die Dienststellen zu verteilen und müssen dort zur Dienstdurchführung auch zur Verfügung stehen.

– Die Rund-um-die-Uhr-Betreuung der Bürger wird ganz überwiegend durch die Dienstkräfte der Schutzpolizei gewährleistet. Die Personalausstattung dieser Dienststellen muss deshalb auch so bemessen werden, dass rund um die Uhr das erforderliche Personal zur Dienstdurchführung zur Verfügung steht.

3. Kriminalpolizei

– Alle derzeitigen Standorte der Kriminalpolizei sind zu erhalten.

– Die weitere Zentralisierung der Bearbeitung von Wirtschaftskriminalität/ Vermögensabschöpfung, Deliktübergreifender Kriminalität und politisch motivierter Kriminalität wird abgelehnt. Straftaten in diesen Deliktfeldern werden sehr häufig von örtlichen Tätern begangen. Deshalb sind Kenntnisse über örtliche und regionale Besonderheiten für eine erfolgreiche Aufklärung solcher Straftaten unverzichtbar. Die Spezialisierung und Schwerpunktsetzungen an einzelnen Standorten (z. B. Morduntersuchungskommission – MUK) sind weiter zu diskutieren.

– Die spezifische Fahndungsarbeit der Kriminalpolizei ist als solche zu erhalten. Die Integration der kriminalpolizeilichen Arbeit in die allgemeine Fahndungsarbeit der Polizei würde den spezifischen Bedürfnissen und Belangen der Kriminalpolizei nicht genügend Rechnung tragen. Diese spezifische Fahndungsarbeit ist eng mit den anderen Maßnahmen der Strafverfolgung verbunden und muss deshalb auch dort getan werden, wo die Straftaten bearbeitet werden.

– Die Strafakten sind eine wesentliche Quelle zur Aufklärung von Straftaten. Sie müssen deshalb den Polizeibeamtinnen und -beamten vor Ort als Auskunftsmittel zur Verfügung stehen. Sie müssen an den bisherigen Standorten verbleiben.

– Zunehmend werden Computer zur Begehung von Straftaten eingesetzt. Aus diesem Grunde wurden bei den Kriminalpolizeiinspektionen regionale Beweissicherungseinheiten (RBE) gebildet. Diese sind für die Sicherstellung und Auswertung von Computertechnik zuständig und sichern eine zeitnahe Bereitstellung von Beweisen.Vor dem o. g. Hintergrund sind die bisher gebildeten RBE zu erhalten und künftig schrittweise den tatsächlichen Erfordernissen anzupassen.

– Ein großes Optimierungspotenzial wird in der Qualifizierung der Aus- und Fortbildung der Beschäftigten der Kriminalpolizei gesehen. Das betrifft insbesondere Dauer und Umfang der Spezialisierung für den Dienst in der Kriminalpolizei, die Qualifizierung bestimmter Bereiche,wie z. B. der Kriminaltechnik und des gezielten Einsatzes von „Seiteneinsteigern“ in solchen Bereichen, in denen Spezialwissen unverzichtbar ist (Datenverarbeitung, Finanzermittlungen, Wirtschaftskriminalität etc.).

4. Verkehrspolizei

– Autobahnbetreuung muss durch Dienstkräfte erfolgen, die mit den Besonderheiten des Dienstes auf der Autobahn vertraut sind.

– Alle bisherigen Standorte der Verkehrspolizei müssen erhalten werden, weil nur so verkehrspolizeiliche Belange ausreichend in der Polizeiarbeit zu sichern sind.

– Strukturveränderungen dürfen nicht zur Verringerung der operativen und Kontrollkräfte führen. Sowohl die Überwachung der Autobahn als auch die Kontrolle des fließenden Verkehrs müssen künftig zu einem erhöhten Kontroll- und Überwachungsdruck führen, um die Verkehrssicherheit nachhaltig positiv zu beeinflussen. Das ist nur mit gleich bleibendem oder geringfügig mehr Personal möglich. Die Zentralisierung von Kontrollkräften würde dabei zu deutlich längeren Fahrwegen und -zeiten führen, die für die Kontrolltätigkeit verloren geht.

– Bei einer Vergrößerung der Zuständigkeitsbereiche der Autobahnbetreuung müsste die Schaffung eigenständiger Autobahnpolizeistationen ins Auge gefasst werden.

– Kontroll- und Fahndungstätigkeit auf den BAB stellt einen absoluten Schwerpunkt dar und muss von geeigneten Kräften durchgeführt werden, die speziell für diese Aufgabe verwendet werden.

– Den Verkehrspolizeidienststellen ist im verstärkten Maße geeignete Technik für alle Kontrollzwecke der Verkehrspolizei zur Verfügung zu stellen.

5. Zentrale Dienste

– Die personelle Stärke der Einsatzeinheiten (Einsatzzüge) ist auf dem gegenwärtigen Niveau zu halten. Andernfalls können politische Vorgaben, wie etwa die Verhinderung bzw.Unterbindung rechtsextremistischer Aktivitäten oder Einsatzaufgaben in den Schutzbereichen nicht in dem Umfang bewältigt werden wie bisher.

– Die zivilen Ermittlergruppen sind in ihrer personellen Stärke zu erhalten. Dabei ist zu gewährleisten, dass sie auch künftig die einzelnen Bereiche so betreuen können, wie das bisher der Fall war.

– Die GdP spricht sich für eine dezentrale Unterbringung der Schutzhunde der Thüringer Polizei aus. Diese Diensthunde sollen nicht nur für geschlossene Einsätze oder Einsätze zur Bekämpfung von Straftaten,sondern auch für den allgemeinen Streifendienst zur Verfügung stehen. Eine zentrale Unterbringung würde dabei zu unnötigen Wegen und Fahrzeiten führen, die für den operativen Einsatz dann nicht zur Verfügung stehen.

6. Polizeiverwaltungsamt

– Das Projekt OPTOPOL hat vorgeschlagen, das Polizeiverwaltungsamt (PVA) aufzulösen und dessen Aufgaben auf andere Behörden und Einrichtungen der Polizei zu übertragen. Das halten wir für den falschen Weg. Im Gegensatz dazu sollten alle Behörden und Einrichtungen der Polizei von Aufgaben befreit werden, die mit ihrer eigentlichen Arbeit nichts zu tun haben.Diese Aufgaben wären dann zusätzlich vom PVA mit zu übernehmen. Das hätte zur Folge, dass sich alle Behörden und Einrichtungen der Thüringer Polizei auf ihre originären Aufgaben konzentrieren können und eine Einrichtung den anderen Dienststellen für Querschnitts- und Serviceaufgaben zur Verfügung steht.

– Bei Auflösung des PVA müssten Verwaltungsaufgaben, die in den letzten Jahren beim PVA gebündelt wurden (z. B. die Kostenfestsetzungen für polizeilich angeordnete Blutentnahmen) wieder auf die Polizeidirektionen rückübertragen werden, was dort wiederum Kräfte bindet.

– Die Arbeitsgruppe Interne Ermittlungen muss ihre Aufgaben zur Aufklärung von Straftaten, die durch Polizeibeamte begangen wurden, neutral und unabhängig ausführen können. Die GdP lehnt deshalb eine Zuordnung dieser Arbeitsgruppe zu einer Behörde oder Einrichtung der Thüringer Polizei ab.Die Arbeitsgruppe Interne Ermittlungen sollte direkt der obersten Dienstbehörde zugeordnet werden.

7. Innenministerium

– Die GdP hält die Ansiedelung des ständigen Führungsstabes beim Innenministerium für falsch. Damit wird gerade die Trennung der politischen Entscheidungsebene von der operativen Einsatzbewältigung nicht erreicht und somit eines der Hauptanliegen des Projektes „OPTOPOL“ nicht erfüllt.

– Die GdP spricht sich dagegen aus, dass Aufgaben, die mit dem Auftrag eines Ministeriums nichts zu tun haben, in das Ministerium verlagert und dadurch die Polizeiabteilung unnötig aufgebläht wird. Anstatt vollzugsnahe Aufgaben des polizeilichen Tagesgeschäftes aus dem Ministerium nach außen zu verlagern,werden weitere solche Aufgaben ins Ministerium hineingeholt. Das Innenministerium hat politisch-strategische und polizeilich-strategische Aufgaben zu erfüllen. Alle anderen Aufgaben sind den nachgeordneten Behörden und Einrichtungen der Polizei zu übertragen.

– Die Zentralisierung der Haushalts- und Stellenbewirtschaftung im Ministerium stellt die Eigenständigkeit der Behörden und Einrichtungen der Thüringer Polizei insgesamt in Frage.Wenn die Polizeidirektionen und die anderen Behörden und Einrichtungen der Polizei weder die Haushalts- noch die Personalhoheit für ihren Bereich haben, dann stellt sich die Frage nach ihrer Existenzberechtigung.

8. Maßnahmen bei Strukturänderungen

– Für den Fall von Strukturänderungen fordert die GdP die umfassende Einbeziehung der Gewerkschaften und Personalvertretungen bei allen Personalmaßnahmen und Maßnahmen mit Auswirkungen auf das Personal. Die Abgrenzung der Verantwortung zwischen den Gewerkschaften und den Personalvertretungen ergibt sich dabei aus dem Thüringer Beamtengesetz und dem Thüringer Personalvertretungsgesetz.

– Zur Einbeziehung der Personalvertretungen soll zwischen dem Innenminister und dem Hauptpersonalrat eine entsprechende Dienstvereinbarung abgeschlossen werden.

– Bei Erfordernis wären zwischen dem Innenminister und den Gewerkschaften tarifliche Vereinbarungen zu schließen bzw. tarifliche Vereinbarungen anzuwenden die gegebenenfalls für die Behördenstrukturreform in der gesamten Landesverwaltung vereinbart werden.

– Die Vereinbarungen sollen Festlegungen enthalten,wie Gewerkschaften und Personalvertretungen zwingend in den Prozess der Umsetzung von Strukturveränderungen einzubeziehen sind, für welche Aufgaben und Maßnahmen ihre Einbeziehung erfolgt, wie die Beschäftigten in die Umsetzung von Maßnahmen einbezogen werden und welche Schutzmaßnahmen zu ihren Gunsten ergriffen werden.

– Die GdP spricht sich im Zusammenhang mit der Optimierung der Arbeit der Thüringer Polizei ausdrücklich gegen Kündigungen und Entlassungen aus. Alle Maßnahmen sollen sozial verträglich und nach Möglichkeit im Einvernehmen mit den betroffenen Beschäftigen durchgeführt werden.

Fazit:

– Jeder Strukturvorschlag muss sich diesen Forderungen stellen. Nur wenn diese Forderungen vom jeweiligen Vorschlag auch erfasst werden, wird die Thüringer Polizei auch künftig in der Lage sein, ihre Aufgaben zum Schutz der Bürger und zur Sicherheit des Landes erfüllen zu können. Die GdP wird in der Phase der Umsetzung von Strukturvorschlägen besonders darauf achten, dass alle Beschäftigten der Thüringer Polizei nach Recht und Billigkeit behandelt werden und dass ihre Rechte und Interessen dabei gewahrt bleiben.
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