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© Sven Grundmann/stock.adobe.com
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14.09.2025

Bereitschaftspolizei: Wir brauchen  20 Hundertschaften mehr!

Bereitschaftspolizei Gewalt gegen Polizeibeschäftigte

In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung forderten Clemens Murr, für die Themen Einsatzlagen und Geschlossene Einheiten zuständiges Mitglied des Geschäftsführenden GdP-Bundesvorstandes, und der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke eine rasche Verstärkung der Bereitschaftspolizei (BePo) um rund 2.500 Beamtinnen und Beamte. „Wir benötigen bundesweit mindestens 20 Hundertschaften mehr, um die massiv gestiegene Aufgabenlast schultern zu können.“ 

In einem Social-Media-Beitrag bezog BePo-Experte Position. Murr mahnte, grundsätzlich werde die geforderte Verstärkung mit Blick auf künftige Entwicklungen kaum ausreichen. Es sei dringend, die Einsatzfähigkeit der Geschlossenen Einheiten zu sichern. Dazu müsse Geld für zeitgemäße Ausstattung und Technik am besten sofort in die Hand genommen werden. Derzeit bereite der GdP der enorme Investitionsstau bei der BePo große Sorgen. „Momentan ist die durchgehende Versorgung aller Einsatzkräfte mit Verbrauchsmaterialien, Einsatzverpflegung, Einsatzbekleidung sowie Kraft- und Schmierstoffen nicht gewährleistet.“

Ebenso müsse das Budget des beim Bundesinnenministerium angesiedelten Inspekteurs der Bereitschaftspolizeien der Länder deutlich und nachhaltig angehoben werden. „In der derzeitigen Bedrohungslage müssen meine BePo-Kolleginnen und -Kollegen, ganz gleich ob verbeamtet oder Tarif, ob in der ersten Reihe oder im Backoffice, jederzeit einsatzbereit sein. Für die Beschäftigten lege ich meine Hand ins Feuer, für die Technik und Ausstattung jedoch nicht.“ Auch müssten die Themen sicherer Funk und Drohnenabwehr auf den Prüfstand. 

„Wir sollten die Lage beherrschen, nicht die Lage uns.“ Dazu gehöre auch die Rückbesinnung auf eine autarke polizeiliche Infrastruktur. Die Privatisierungswelle der letzten zwei Jahrzehnte habe der Polizei offensichtlich und nachweislich nicht gutgetan.

Hintergrund des SZ-Interviews ist die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen zum Thema

Bereitschaftspolizei. Diese verdeutliche den dringenden Nachholbedarf der Geschlossenen Einheiten in nahezu allen Belangen.

© GdP/Kay Herschelmann
GdP/Kay Herschelmann
„Wir sollten die Lage beherrschen, nicht die Lage uns.“
Clemens Murr, GdP-Bundeskassierer und verantwortliches GBV-Mitglied für die Geschlossenen Einheiten und das Einsatzgeschehen.

Hier nun der SZ-Artikel im Wortlaut:

„Oberkante Unterlippe, ungezählte Überstunden, kein freies Wochenende mehr.“

Die Gewerkschaft der Polizei beklagt einen schlechten Zustand der Bereitschaftspolizei von Bund und Ländern - und hat deutliche Forderungen an die Bundesregierung

 

Vor wenigen Tagen erst hat Jochen Kopelke mit einer Hundertschaft der sächsischen Bereitschaftspolizei in Berlin gesprochen. Was die Kollegen und Kolleginnen dort dem Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP) über die Belastungen ihres Dienstes berichteten, fasst er in typischer Prägnanz zusammen: „Oberkante Unterlippe, ungezählte Überstunden, kein freies Wochenende mehr.“ Sein bayerischer Kollege Clemens Murr, Mitglied im Geschäftsführenden Bundesvorstand der GdP, hat in Hamburg St.-Pauli ähnliches gehört: „Da waren Beamte der Bereitschaftspolizei 32 Stunden durchweg im Einsatz, weil nicht genug Kollegen für die Ablösung da waren.“

Im Gespräch mit der SZ schlagen die beiden Gewerkschaftler nun Alarm. „Der Zustand der Bereitschaftspolizei ist wirklich Anlass zur Sorge“, so Kopelke: „Die Einsätze und Anforderungen werden immer mehr, aber wir bekommen weder die nötige Ausrüstung noch mehr Personal.“ Das gilt Kopelke zufolge für den Vollzugsdienst sowie für die Polizeiverwaltung und weitere polizeiliche Einrichtungen, ganz gleich ob Beamtinnen und-beamte oder Tarifbeschäftigte.

Kopelke beklagt einen „Investitionsstau“ und beziffert den zusätzlichen Bedarf „auf mindestens 200 Millionen Euro“. Außerdem fordert die GdP 20 zusätzliche Hundertschaften, mit Verwaltungsstellen wären das etwa 2500 Stellen mehr als heute. Dies sei auch deshalb nötig, „weil die Kritischen Infrastrukturen heute immer wieder das Ziel von Angriffen sind“. Zuletzt war aufgrund von Sabotage in Teilen Berlins der Strom ausgefallen.

Die Bereitschaftspolizei wird bei solchen „besonderen Lagen“ eingesetzt, wie man das bei der Polizei nennt: bei Großdemonstrationen, problematischen Fußballspielen, untersteht den jeweiligen Bundesländern, Staatsbesuchen, aber auch Katastrophenfällen. Sie untersteht mehrheitlich den jeweiligen Bundesländern, insgesamt gibt es dort etwa 16.000 Bereitschaftspolizisten und -polizistinnen. Auch der Bund hat etwa 7000 Stellen für die Bereitschaftspolizei, die dann wiederum der Bundespolizei unterstehen. 

Vor allem diese wird personell durch die neuen Grenzkontrollen stark belastet, die Bereitschaftspolizei trägt einen wesentlichen Teil dieser Einsätze, etwa 15.000 Beamte sind im Einsatz. vor allem des Bundes. Die frühere Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), sagt Kopelke, „hat sogar Azubis an die Außengrenzen geschickt, so groß war die Personalnot. Das ist unter Innenminister Dobrindt nicht besser geworden.“

Die Gewerkschaft ist besonders alarmiert, seit die Bundesregierung nun eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag beantwortete - „oder sagen wir besser: nicht beantwortete“, so Jochen Kopelke. Auf die Frage „Welche Auswirkungen hat der massive Personaleinsatz an den deutschen Binnengrenzen auf die Einsatzbereitschaft der Bereitschaftspolizeien der Länder und des Bundes?“ sind dort keine Zahlen angegeben, dies sei Sache der Länder. Kopelke empfindet das als Versuch, einer Antwort auszuweichen: „Es ist sehr ernüchternd, dass das Bundesinnenministerium uns einfach mitteilt: Wissen wir doch nicht. In Wahrheit wissen sie ganz genau, wie viel Personal uns fehlt.“

Und dann ist da das Material. Murr, der zur bayerischen Polizei gehört, hat dort gepanzerte Sonderfahrzeuge der Bereitschaftspolizei gesehen, „die schon veraltet waren, als ich vor 40 Jahren den Dienst angetreten habe. Und sie sind immer noch im Einsatz.“ Der Bedarf, so Murr, „ist eigentlich überall: Der Fuhrpark ist veraltet, es fehlen außerdem Drohnen, ausreichend Löschgerät, moderne Wasserwerfer.“ Schon jetzt fordere die Bereitschaftspolizei regelmäßig logistische Unterstützung des Technischen Hilfswerkes an - „aber das ist eigentlich nicht Sinn der Sache.“ Die Bereitschaftspolizei müsste bei einer großen Notlage, etwa einem bundesweiten Kollaps des Stromnetzes, aus eigener Fähigkeit handlungsbereit sein.

In der Kleinen Anfrage wird zum Beispiel auf die Frage nach zusätzlicher Körperschutzausrüstung geantwortet: „Weitere Beschaffungen von personenbezogenen Schutzausstattungen sind bundesseitig aktuell nicht geplant.“ Kopelke erinnert an den Tod eines jungen Polizisten in Mannheim, der 2024 von einem afghanischen Täter erstochen wurde: „Das ist ein Beispiel im Detail - aber zusätzlichen Schutz bieten Stichschutzschals. Aber der Dienstherr sagt uns: Wir kaufen nichts.“ Das Problem, sagt Clemens Murr, habe Parallelen zur Bundeswehr: „Auch diese wurde über viele Jahre vernachlässigt und unterfinanziert. Irgendwann sind die Lücken so groß, dass es enorm schwer und teuer ist, die nötige Ausrüstung wieder zu bekommen.“

Insgesamt, so befürchtet die GdP, verliere die Bereitschaftspolizei unter diesen Umständen stark an Attraktivität. Kopelke: „Dort sind die jüngsten Menschen eingesetzt, mit der höchsten Zahl an Einsätzen, und es gibt am wenigsten Geld. Wollen wir so weitermachen?“

Der Autor des Artikels ist Dr. Joachim Käppner, Leiter des SZ-Meinungsressorts.

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