
10.07.2025
Interview mit GdP-Chef:
Polizeien dringend auf ernste Lage vorbereiten
Angesichts der intensivierten Verteidigungsbemühungen der Bundesregierung lässt sich kaum leugnen, dass die Gefahr eines die Bundesrepublik betreffenden militärischen Angriffs an Realität zunimmt. Was kommt in einem solchen Fall auf die Polizei zu? Was, wie, wo geregelt ist – und wo, was fehlt – hat GdP-Chef Jochen Kopelke der Agentur „Ippen Media“ erläutert. Anbei das Interview in der Originalfassung.
„Vor allem die fehlende großflächige, sofortige Drohnenabwehr und Schutzausstattung gegen Kriegswaffen bereitet uns große Sorgen. Wir brauchen in Deutschland mehr Polizisten, vor allem auch zur Vorbereitung auf den Spannungs- und Verteidigungsfall“, erklärte Kopelke. „Die Lage ist ernst.“
Der GdP-Bundesvorsitzende zu den Aufgaben der Polizeien im Verteidigungsfall
Herr Kopelke, in den Rahmenrichtlinien für die Gesamtverteidigung des Bundesinnenministeriums heißt es: „Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann ein Land Kräfte der Bundespolizei oder Polizeikräfte anderer Länder anfordern.“ Direkt gefragt: Müssten Polizistinnen und Polizisten im Verteidigungsfall Deutschland und/oder einzelne Bundesländer mit der Waffe in der Hand gegen feindlich gesinnte Gruppen oder Truppen verteidigen?
Jochen Kopelke: In einem Verteidigungsfall wenden wir Polizistinnen und Polizisten Gefahren für die öffentliche Sicherheit im Innern ab. Wir schützen also weiterhin Menschen mit allen erlaubten Mitteln. Die Landes- und Bündnisverteidigung ist Auftrag der Bundeswehr. Lassen Sie uns zunächst klarstellen: Polizei und Bundeswehr müssen mit Blick auf ihre jeweiligen Aufgabenbereiche ausreichend und nachhaltig vorbereitet und ausgerüstet werden. Im Bereich der Polizei sehen wir das Bundesinnenministerium in der Verantwortung, dies federführend und zeitnah anzugehen und wesentlich mehr Ressourcen, Geld und Vorbereitungen in die zivil-militärische Zusammenarbeit zu geben. Vorbereitung und Vorsorge sind hier Pflichtaufgaben des neuen Bundesinnenministers.
Bundespolizisten bekennen sich mit einem Amtseid zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes. Leitet sich daraus eine Verpflichtung im Verteidigungsfall ab?
Kopelke: Ja. Was in einem Verteidigungsfall von der Polizei mehr verlangt wird, regeln das Grundgesetz und das Bundespolizeigesetz. Der Verteidigungsfall erfordert die Übernahme von Aufgaben, die über reguläre Alltagsaufgaben weit hinausgehen. Wir Polizisten schützen dann die staatliche Ordnung und unsere Bevölkerung mit allem, was wir haben und können.
Was wären mögliche Aufgaben der Bundespolizei und der Landespolizeien im Verteidigungsfall? Zum Beispiel der Schutz kritischer Infrastruktur?
Kopelke: Die Polizei hat im Verteidigungsfall zentrale Aufgaben wie die Gefahrenabwehr. Wir Polizisten schützen vor Angriffen auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung und den Fortbestand unserer Bundesrepublik und der Verfassungsorgane.
Mit der Bundeswehr müssen wir dann zusammen Objekte schützen, den Verkehr regeln und Menschen Schutz und Orientierung geben. Wichtig zu wissen ist, dass die Bundesregierung die Bundespolizei im gesamten Bundesgebiet einsetzen und den Landesregierungen sowie Landesbehörden Weisungen erteilen kann. Daraus folgt eine zentralisierte Steuerung der Polizei. Dann fällt dem Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder (IBPdL), mit Sitz im Bundesinnenministerium, eine sehr wichtige Rolle zu. Als vom Bund beauftragter Polizeiführer koordiniert und führt er die Bereitschaftspolizeien der Länder. Er nimmt die polizeilichen Kompetenzen der Bundesregierung wahr, insbesondere bei durch das Grundgesetz festgelegter Weisungsbefugnis gegenüber den Ländern. Zusätzlich stellt er die Einsatzfähigkeit und Kompatibilität der Bereitschaftspolizeien in Führung, Einsatz und Ausstattung sicher. Der Inspekteur ist im Verteidigungsfall maßgeblich verantwortlich für die effektive, bundesweit koordinierte und einheitliche Führung der Bereitschaftspolizeien der Länder im Sinne der Bundesregierung. Deshalb müssen sein Etat und seine Fähigkeiten massiv aufgerüstet werden.
Wird dieses Szenario innerhalb der Belegschaft der Polizeien diskutiert? Gab oder gibt es Beamtinnen und Beamte, die Bedenken äußern?
Kopelke: Es gibt berechtigte Bedenken wegen unserer maroden Fahrzeuge, wegen des fehlenden Geldes und Personals sowie unserer eigenen Vorräte und des Dienststellenschutzes. Vor allem die fehlende großflächige, sofortige Drohnenabwehr und Schutzausstattung gegen Kriegswaffen bereitet uns große Sorgen. Wir brauchen in Deutschland mehr Polizisten, vor allem auch zur Vorbereitung auf den Spannungs- und Verteidigungsfall. Die Lage ist verdammt ernst und erfordert auch den zügigen Ausbau der Deutschen Hochschule der Polizei, um das Mindset der Führungskräfte und die Fähigkeiten aller Polizeien umgehend zu verbessern.