Ausgangslage:
Der Regierungswechsel ermöglichte es, die Vereinbarungen über den Ausstieg aus der
Atomenergie zwischen Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen
(EVU) zu Gunsten der EVU neu zu regeln, und zwar so, dass die Laufzeitverlängerung
der Atomkraftwerke beschlossen wurde. Das hat die Debatte um die Atompolitik
allgemein, aber auch um den derzeit rollenden CASTOR erneut entflammt und
angestoßen.
Die bisherigen Transporte des Atommülls konnten nur unter massivem polizeilichen
Einsatz gesichert werden, so sind auch in diesem Jahr wieder mehr als 16.000
Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen im Einsatz. Der Polizei kommt hierbei die
Aufgabe zu, die sichere Ankunft des Transports in Gorleben zu gewährleisten. Darüber
hinaus hat sie jedoch auch die Aufgabe, den friedlichen Verlauf von
Protestbewegungen zu gewährleisten, um so den Atomgegnern, den betroffenen
Bürgern und Bürgerinnen und damit der friedlichen öffentlichen Meinungskundgabe den
durch die Verfassung geforderten Raum zur Gewährleistung der Versammlungsfreiheit
nach Art. 8 GG zu geben.
Die Transporte sind jedoch sehr häufig nicht nur mit Gefahren für die eingesetzten
Beamten und Beamtinnen verbunden, sondern mit ihnen geht nicht selten gewalttätiger
Protest einher. Vor diesem und dem Hintergrund der jüngsten Geschehnisse im
Zusammenhang mit Stuttgart 21 fühlt sich die JUNGE GRUPPE (GdP) dazu
verpflichtet, im Wohle der Kolleginnen und Kollegen, aber auch im Wohle der
verfassungsrechtlich legitimierten Versammlungsfreiheit Position zu dem aktuell
rollenden Castor zu beziehen.
CASTOR – Was steckt eigentlich dahinter?
Bei der Produktion von Atomenergie entsteht hochgiftiger und gefährlicher Atommüll.
Dieser Atommüll wurde bis ins Jahr 2005 im Ausland aber auch in Deutschland
zwischengelagert und anschließend in die Wiederaufbereitungsanlagen (WAA) nach La
Hague (Frankreich) bzw. Sellafield (Großbritannien) verbracht. Dort wird der Müll
aufbereitet; d.h. aus dem Müll wird Uran und Plutonium, soweit technisch möglich,
gewonnen. Die Betreiber der Atomkraftwerke müssen das wiederaufbereitete Material
und den „Restmüll“ zurücknehmen, um die vertraglichen Vereinbarungen mit Frankreich
und Großbritannien einhalten zu können. Dieser Umstand hat die umfangreichen
CASTOR-Transporte von hochgiftigem und gefährlichem Uran, von Plutonium und dem
„Restmüll“ zu den Zwischenlagern zur Folge. Der Begriff CASTOR meint hier die
Bezeichnung für die deutschen Behälter, in denen der Atommüll transportiert wird.
Atommüll, Verlängerung der Laufzeiten – die gesellschaftliche Debatte!
Der in den WAA aufbereitete Atommüll wird in Fässer gepresst und dann in Container
verpackt, ehe er in das Zwischenlager nach Gorleben transportiert wird. Strittig ist
jedoch, ob der Salzstock in Gorleben für die endgültige Lagerung des Mülls geeignet ist.
Die Castorbehälter müssen 40 Jahre lang abkühlen, ehe sie endgelagert werden
können. Die Behälter selbst bieten jedoch nur ca. 50 Jahre den Schutz vor
hochradioaktiven Strahlen. Ob Gorleben letzten Endes geeignet ist, lässt sich nach
Expertenmeinung jedoch frühestens in 15 Jahren sagen.
Nun ist es so, dass in Deutschland ca. 200.000 m³ Strahlenmüll existieren, welche in
ca. 600.000 Atomfässern gelagert werden. Von diesen sind ca. 3 % hochradioaktiv,
diese wiederum machen jedoch 95 % der Gesamtstrahlenbelastung aus.
Derzeit befinden sich in Deutschland damit ca. 25.000 m³ hochradioaktiver
Strahlenmüll, der sich durch die jüngste Verlängerung der Laufzeiten in 10 Jahren auf
36.400 m³, in 20 Jahren auf 43.800 m³ und in 30 Jahren auf 51.200 m³ erhöhen wird
und damit fast verdoppelt, und das, obwohl bis heute kein sicheres Endlager für den
Atommüll absehbar ist (Phoenix-Bericht vom 05.11.2010).
Das Endlager Morsleben in Sachsen-Anhalt wurde 1998 eingestellt, da es nicht sicher
war und mit Wasser voll lief. Das Endlager Asse in Niedersachsen stürzte nach und
nach ein, lief ebenfalls mit Wasser voll und verschüttete die Behälter, die nunmehr nach
und nach geborgen werden müssen, ohne dabei eine zu große Strahlenbelastung durch
die zum Teil defekten Fässer zu gewährleisten. Der Schacht Konrad ist als Endlager
wiederum nur für leichten und mittelschweren Atommüll relevant, nicht jedoch für den
sich künftig weiter wachsenden hochradioaktiven Müll.
Aus diesem Grund stoßen die CASTOR-Transporte immer auf erbitterten Widerstand
der Bevölkerung, insbesondere aber auch von Umweltschutzorganisationen und der
Initiative „x-tausendmal quer“.
Was bedeutet dies für die Polizei?
Der wachsende Widerstand aus der Bevölkerung und damit einhergehende
Befürchtungen der gewalttätigen Einwirkung auf die Behälter stellen die Polizei
zunehmend vor das Problem, die Behälter vor Beschädigungen etc. bis zum
Zwischenlager Gorleben zu schützen. Durch einen möglichen Transport-Unfall und eine
Strahlenbelastung sind nicht nur Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen gefährdet,
sondern auch alle Menschen, die sich im Strahleneinwirkungsbereich befinden.
Darüber hinaus ist nicht abschätzbar, welche Strahlenwirkung von den Behältern
ausgehen und welche Gefahren sich daraus für die sich im Einsatz befindlichen
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, aber auch für die Menschen, die in Gleisnähe
wohnen, ergeben.
Ein aus Sicht der JUNGEN GRUPPE (GdP) weiterer nicht unwesentlicher Punkt ist die
Entscheidung, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern. Diese politische
Entscheidung wird aus den o.g. Gründen von einer Vielzahl der Bevölkerung nicht
akzeptiert, so dass vermehrt mit Widerstand gegen politische Entscheidungen, gegen
Atomkraft und gegen CASTOR-Transporte im Besonderen zu rechnen ist.
Daraus ergeben sich die folgenden Forderungen der JUNGEN GRUPPE (GdP):
1. Die Laufzeiten der Atomkraftwerke müssen auf ein unbedingt notwendiges Maß
begrenzt werden und dürfen nicht unter dem Motto „Was interessiert mich mein
Gerede von gestern“ von Regierungswechsel zu Regierungswechsel neu
ausgerichtet werden. Hier wird Politik auf dem Rücken der jungen „Generation“
gemacht, die später niemand mehr zu rechtfertigen vermag.
2. Wir werben bei den Bürgerinitiativen, den Anti-Atomkraftbewegungen und den
Umweltverbänden für friedliche Protestaktionen und deeskalierendes und
kooperatives Zusammenarbeiten mit den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten,
die den sicheren Transport zu gewährleisten haben. Auch Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamte sind Bürger und haben eine Meinung, die im Rahmen der
Aufgabenbewältigung jedoch eine untergeordnete Rolle zur Gewährleistung der
Inneren Sicherheit und Ordnung spielen muss!
3. Wir fordern die politischen Verantwortlichen, aber auch die politischen Mandatsträger
der Opposition auf, mit gesetzlich legitimierten Mitteln ihre Anti-Haltung
deutlich zu machen. Wir erwarten von diesen, das sie nicht zu zivilem
Ungehorsam und zu Straftaten aufrufen, die letzten Endes Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamte, die in der Verantwortung der Politik stehen, verfolgen und somit
polizeiliche Maßnahmen gegen Menschen ergreifen müssen, die durch deren Aufruf
aufgestachelt wurden. Bernhard Witthaut – stellvertretender Bundesvorsitzender der
GdP dazu: „Es kann wohl nicht sein, dass der Gesetzgeber – und auch Abgeordnete
der Opposition sind der Gesetzgeber – zu Gesetzesverstößen animieren.“
4. Die Energieversorgungsunternehmen sind gesetzlich verpflichtet, den Atommüll
zurück zu nehmen. Aus diesem Grund sollten die Kosten für die Polizeieinsätze
auch durch die Energieversorgungsunternehmen getragen werden. Einer
Lobbypolitik erteilen wir eine klare Absage.
5. Wir sind gegen die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke und fordern
nach wie vor den Ausstieg aus der Atomkraft und den fokussierten Einstieg in
erneuerbare Energien. Deutschland sollte hier eine Vorreiterrolle einnehmen und
den Bereich der Forschung mehr in den Mittelpunkt des Handelns stellen.
6. Wir fordern eine umfassende, bundesweit einheitliche Bewertung der durch
unabhängige Gutachten erzielten Erkenntnisse hinsichtlich der möglichen
Endlager für Atommüllbehälter.
7. Wir fordern zum Schutz der eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten die
Begleitung des Transports durch Strahlenschutzbeauftrage, die regelmäßige
Überwachungs- und Schutzmaßnahmen durchführen.
8. Wir fordern die rechtliche Grundlage über eine angemessene
Versorgungsgewährleistung bei möglicherweise zukünftig eintretenden
Gesundheitsschäden, die in Folge von Strahlen auftreten können, wie z.B.
Krebserkrankungen, ohne weitere Nachweisprüfung und ohne genaue Zuordnung
zu einem bestimmten Ereignis.
9. Wir fordern eine umfangreiche und sachkundige Unterrichtung der eingesetzten
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten durch ihre Führungskräfte im Rahmen der
den Führungskräften zukommenden Fürsorgepflicht.
10. Wir fordern eine umfassende und den Gefahren und Bedingungen des
Einsatzes gerecht werdende Ausstattung der Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamten (warme Unterziehkleidung, Regenschutzkleidung, Schutzkleidung, Strahlenmessgeräte etc.).