GdP-Kritik an Cannabis-Gesetzentwurf: Sicherheit im Straßenverkehr ausgeblendet - viele Fragen unbeantwortet - hoher Aufwand befürchtet
Kopelke: Polizeiliche Verkehrsüberwachung krankt an Personalknappheit

BR24: Wie problematisch oder zufriedenstellend ist der momentane Zustand, dass es keine genau festgelegten Grenzwerte gibt?
Jochen Kopelke: Der gesamte Gesetzentwurf der Bundesregierung ist nicht zufriedenstellend. Der Straßenverkehr ist dabei nur ein Teil des insgesamt unausgegorenen Vorhabens. Noch ist das Gesetz jedoch nur ein Vorhaben. Der momentane THC-Grenzwert gilt also. Und dieser liegt mit 1,0 ng THC /ml Blutserum in der Tat - auch im internationalen Vergleich - recht niedrig.
Welchen Mehraufwand würde eine Hochsetzung der Grenzwerte bedeuten? Wäre das überhaupt kontrollierbar?
Kopelke: Im Straßenverkehr gilt grundsätzlich die wissenschaftliche erwiesene Risikoformel: Entdeckungswahrscheinlichkeit und zu erwartende Strafe. Die polizeiliche Verkehrsüberwachung des Fließverkehrs krankt aufgrund der geringen Personaldecke bei der Polizei. Das Risiko bei Regelverletzungen erwischt zu werden, ist derzeit zu gering. Die Bußgelder für Fahren unter Cannabiseinfluss wurden leider auch nicht erhöht.
Ein veränderter Grenzwert könnte bedeuten, dass Menschen, die Cannabis konsumiert haben, sich guten Glaubens, trotz Auf- und Ausfallerscheinungen, eher hinter das Steuer setzen und berauscht am Straßenverkehr teilnehmen.
Die berauschende Wirkung von Cannabis hat negative Folgen für die Fahrsicherheit. Also ist eine breite, bundesweite Kampagne notwendig, die nachhaltig verdeutlicht, dass Kiffen und die Teilnahme am Straßenverkehr sich gegenseitig ausschließen.
Standardisierte, moderne Drogentests könnten im Einsatz die Fahrt zur Dienststelle und eine Blutentnahme entbehrlich machen. Weniger Aufwand für uns Polizisten, aber auch hierzu hat die Bundesregierung keine Aussage getroffen.
Welche Gefahren sieht die GdP generell bei der Legalisierung und daraus resultierende höhere Grenzwerte am Steuer?
Kopelke: Es ist auch bei Fahrten unter Alkoholeinfluss oder Medikamenten nicht selten festzustellen, dass die Fahrenden nicht einschätzen können, oder es nicht wollen, wie stark beeinträchtigt sie unterwegs sind. Dadurch stellen sie eine große Gefahr für andere und sich selbst dar.
Unabhängig von möglichen Grenzwertfestsetzungen ist dies polizeiliches Erfahrungswissen. Hier kommt hinzu, dass das gesellschaftliche Wissen über die Wirkungsweisen von Cannabis und die potenziell negativen Auswirkungen des Cannabiskonsums auf die eigene Fahrsicherheit viel weniger ausgeprägt sind als es heute beim Alkohol der Fall ist. Generell sollte sich die Diskussion jedoch dahin entwickeln, über eine Absenkung aller Grenzwerte zu diskutieren.
Sollten die Änderungen kommen, welche Forderungen hätte die GdP an die Politik?
Kopelke: Wir fordern den Gesetzgeber auf, auch der Verkehrssicherheit Priorität einzuräumen. Ein möglichst niedriger Grenzwert würde dabei helfen, das Bewusstsein für ein berauschtes Fahren zu schärfen. Voraussetzung dafür ist eine flächendeckend funktionierende polizeiliche Verkehrsüberwachung und sehr hohe Bußgelder. Das Entdeckungsrisiko muss entsprechend hoch sein. Dazu ist ausreichend Personal und eine zeitgemäße technische Ausstattung unabdingbar.
Von Seiten des Bundes, der jetzt neue Belastungen für die Länder schafft, muss Geld zur Verfügung gestellt werden, um die Entwicklung solcher Tests voranzutreiben. Finanzielle Mittel sind auch notwendig, um Tests für die Länderpolizeien zu beschaffen und die Beschäftigten im Umgang mit den Testverfahren zu schulen.
Flankierend müssen breite, bundesweite „Anti-Rausch-am-Steuer-Kampagnen“ laufen, die regelmäßig neu aufgelegt werden. Dabei dürfen jedoch andere die Fahrsicherheit beeinflussende Substanzen wie Alkohol oder Medikamente nicht vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber muss auch klären, welche Meldungen durch die Polizei an die zuständigen Führerscheinstellen erfolgen sollen. Derzeit hat jeder Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtmG) auch Folgen für die Fahrerlaubnis.