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Der Kampf gegen Rechts ist mit Kampagnen nicht zu gewinnen

von Rüdiger Holecek

Berlin.

Keine Schulbildung. Keine Perspektiven. Keine Mädchen. Bleibt die Frage, wie kann ich dieser Gesellschaft zeigen, dass mich das ankotzt? Eine Antwort, die Aufmerksamkeit garantiert: „Glatze, Springerstiefel, Runen-Tatoos.“ Und Alkohol weit über das Abwinken hinaus. Michael Knape kennt seine Problemkinder, die es zu zweifelhaftem bundesweiten Ruhm gebracht haben. Der Direktor beim Polizeipräsidenten führt die Direktion 6, die sich aus den Berliner Verwaltungsbezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Köpenick-Treptow zusammensetzt.

Ein Direktionsgebiet von rund 282 Quadratkilometern, in dem etwa 747.000 Menschen leben - fast der gesamte ehemalige Ostteil der heutigen Hauptstadt. In den nächsten Wochen wird Knapes Direktion wieder alle Hände voll zu tun haben. Für den 1. Mai hat NPD-Bundesgeschäftsführer Eckart Bräuniger einen Aufmarsch nahe der Parteizentrale in Köpenick angemeldet. Die NPD erwartet bis zu 1000 Teilnehmer, die Polizei mehrere tausend Gegendemonstranten. Aber das ist nur ein Teil der polizeilichen Lage.

Im Gespräch mit dem Leiter der Berliner Direktion 6, Direktor beim Polizeipräsidenten Prof. Michael Knape: Konrad Freiberg, GdP-Bundesvorsitzender (l.) und Kerstin Philipp, Mitglied des Geschäftsführenden GdP-Bundesvorstandes.

Die augenfälligste Besonderheit der Polizeidirektion ist, dass an ihrer Spitze ein Professor steht, der aber nicht so aussieht. Michael Knape ist Polizist vom Bürstenhaarschnitt bis zu den blank polierten Schuhen. Dieser Gegensatz irritiert immer wieder seine Gesprächspartner an den runden Tischen ebenso wie die Zuhörer in seinen Vorträgen. Der Honorarprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin ist rastlos und bienenfleißig, wovon nicht nur die Lektoren des GdP-eigenen Verlages DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH ein Lied singen können, für den Prof. Knape derzeit gemeinsam mit Ulrich Kiworr, Vorsitzender Richter am Landgericht Berlin und Dozent im Fachbereich Polizeivollzugsdienst der Fachhochschule, an einer Neuauflage des Kommentars zum Allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts für Berlin arbeitet – und 300 Seiten mehr als geplant ablieferte.

Ständiger Auftrag
Seiner näheren Umgebung ist schleierhaft, wann er das schreibt, denn in seiner Direktion und unter den knapp 2200 Kolleginnen und Kollegen ist er allgegenwärtig. „Das berechtigte Interesse der Menschen in dieser Stadt nach noch mehr Sicherheit ist für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein stetes Anliegen und ein ständiger Auftrag zugleich. Dafür setzen sie sich zusammen mit mir täglich ein“, steht auf seiner Homepage, und er meint das wörtlich.

Lichtenberg, Marzahn, Köpenick. Wer nicht dort wohnt, verbindet die Namen mit: Neonazis, Plattenbauten - und dann war da noch dieser Schuhmacher, der als Hauptmann verkleidet die Obrigkeit an der Nase herumführte.

Ungemütliche Wahlheimat
An der Nase herum führt Knape niemand. Zwar haben NPD und Neonazis sein Direktionsgebiet zur Wahlheimat erklärt, sind sich aber längst nicht sicher, ob das eine gute Wahl war.

Als die Polizei Anfang März mit einer Großrazzia gegen die rechte Musikszene mehr als 200 Wohnungen und Läden in allen Bundesländern durchsuchte, und mehr als 45.000 CDs und etwa 170 Computer über 100 verdächtigen Personen beschlagnahmte sowie rund 70 Waffen fand, konzentrierten sich in Berlin die Maßnahmen vor allem in den Bereichen Friedrichshain, Kreuzberg, Neukölln, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick.

Den Stadtteil Lichtenberg im Berliner Osten wählen Neonazis immer wieder für Aufzüge und Demonstrationen.

„Man muss den Rechten ständig auf den Füßen stehen“, so Prof. Knape. Für Rechtsextremisten, so das ARD-Magazin „Kontraste“, ist Berlin inzwischen ungemütlicher als jede andere Stadt: „Keines ihrer Gipfeltreffen bleibt hier unbehelligt. Dabei nutzt die Polizei jeden Spielraum des Polizeirechts. Sie kommt regelmäßig - und stört einfach – selbst führende NPD-Kader unter den Gästen. Knapes Devise, die er seit nunmehr fünf Jahren durchzieht: Keine rechtsextreme Party ohne Polizeibesuch. Ein Polizist als Störenfried, ausgerechnet in der Stadt, die für Neonazis höchsten symbolischen Wert hat.“

„Da bin ich gerne kleinlich“
Den Spagat zwischen Demonstrationsrecht und Bekämpfung des Rechtsextremismus beherrscht Knape mit seiner Mannschaft virtuos. Er lässt für Neonazis die Straße frei räumen von Gegendemonstranten. Ein volksverhetzender Satz aus einer Goebbels-Rede, unter Pflastern verborgene Hakenkreuz-Tatoos – die Polizei greift zu. Springerstiefel? Dann muss der nationale Widerstand auf Socken durch die Straßen. Alkoholverbot, Reden-Zensur - Knape ist pingelig. Den Reportern von „Kontraste“ sagt er ins Mikrofon: „Mit Rechtsextremisten ist nicht zu spaßen. Es sind Gewalttäter. Es sind Gewalttäter, die vor nichts zurückschrecken, wenn sie auch nur die Chance haben. Sie müssen sich einmal die Musik anhören. Und wer solche Lieder singt und so etwas verbreitet, der wird auch vor dem letzten Schritt nicht zurückschrecken und Menschen niederschlagen und zusammenknüppeln. Und da muss ich Ihnen sagen: Da bin ich gerne kleinlich. Wenn das kleinlich ist, bin ich sehr gerne kleinlich.“

Prof. Knape: "Wenn jeder, der sich im Kampf gegen Rechts engagiert, mal ein paar Jungens ins Auto packt und zu einem Fußballturnier fährt oder einen Grillabend für sie veranstaltet, der trifft die rechte Szene an ihrer empfindlichsten Stelle." Fotos (3): Rüdiger Holecek

Dem Senat auf die Nerven
Damit macht er sich keine Freunde. Mehrfach musste seine Familie unter Polizeischutz gestellt werden, Neonazis terrorisierten seine Angehörigen nachts am Telefon, Steckbriefe mit seinem Konterfei wurden verteilt, eine Demonstration vor seiner Haustür wurde von den Rechten offiziell angemeldet.

Aber nicht nur den Rechten ist Knape unbequem. Mit Beharrlichkeit geht er dem rot-roten Berliner Senat auf die Nerven, wenn er um jede Planstelle oder um Unterbringung und Ausrüstung für seine Polizisten kämpft.

Für Reflexe gegen Rechts ist er nicht zu haben. Statt große Worte, Plakate und Kampagnen fordert er immer wieder: „Es darf nicht bei den Diskussionsrunden bleiben, es muss Hand angelegt und investiert werden in gesellschaftliche Infrastruktur. Mit Sport, Reisen und Musik sind die Jugendlichen zu gewinnen. Wenn jeder, der sich im Kampf gegen Rechts engagiert, mal ein paar Jungens ins Auto packt und zu einem Fußballturnier fährt oder einen Grillabend für sie veranstaltet, der trifft die rechte Szene an ihrer empfindlichsten Stelle. Die meisten Jugendlichen sind noch umkehrbar, wir dürfen sie nicht kriminalisieren.“ Geld, Kreativität und Unvoreingenommenheit, so Knape, seien die Mittel gegen Rechts. „Nicht jeder, der ein Hakenkreuz malt, ist ein Nazi.“

Gleiche Ursachen
In seiner Direktion leben rund 70.000 Russlanddeutsche, teilweise in der 3. und 4. Generation. Die Lage der Jugendlichen dort ist ebenfalls prekär. Alkohol und Jugendgruppengewalt grassieren. Mit den Neonazis haben sie nichts zu schaffen. Prof. Knape: „Das Migrationsproblem bei den jungen Russlanddeutschen ist vergleichbar mit dem der jungen Libanesen. Das Messer gehört zur Standardausrüstung.“ Das einzige, was sich mäßigend auf die Jugendkriminalität auswirkt, ist der Winter. Auch hier sieht Knape die gleichen Ursachen: „Keine Bildung, keine Perspektiven, keiner kümmert sich.“ Auch hier müssen Knape und seine Leute zeigen, „..wer der Herr im Haus ist“, denn Aggressionen und Angriffe gegen Polizisten nehmen, wie überall im Lande, auch hier zu. Prof. Knape: “Respekt vor der Polizei hat niemand mehr“. Also muss sich die Polizei diesen Respekt wieder verschaffen, meint er.
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