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Aus den Ländern:

"Ein qualitativ hochwertiges Produkt hat seinen Preis."

Der rheinland-pfälzische GdP-Chef Ernst Scharbach im Gespräch mit dem Deutschen Arbeitgeberverband

Mainz.

Es mache ihm allergrößte Sorge, dass Zweifel am Sinn und Zweck der staatlichen Ordnung bis weit in die bürgerlichen Parteien reichten. Weithin unwidersprochen pflegten einige die Meinung, dass die größte Gefahr für Leben, Gesundheit und Eigentum vom Staat ausgehe und nicht von den Verbrechern, sagte Ernst Scharbach, Landesvorsitzender der GdP Rheinland-Pfalz, im Interview mit dem Deutschen Arbeitgeberverband. "Ein Mitglied der Humanistischen Union hat mir einmal gesagt: 'Je besser die Polizei behindert wird, umso besser ist das für die ganze Gesellschaft!' Was will man solch kruden Gedanken entgegnen?", so Scharbach. Der moderne Staat wäre zum Abwehr äußerer und innerer Gefahren gegründet worden. Das sei seine Kernaufgabe! Auch ordentliches kaufmännisches und unternehmerisches Handeln sei in einem funktionierenden Rechtsstaat möglich. Scharbach: "Innere Sicherheit ist und bleibt ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Verantwortliches Unternehmertum braucht ein Klima der Sicherheit. Auch hier gelten Gesetzmäßigkeiten aus dem Wirtschaftsleben – ein qualitativ hochwertiges Produkt hat seinen Preis." Das Interview im Worlaut nach dem Klick auf



Peter Schmidt: Wie schätzen Sie die derzeitige Lage der Inneren Sicherheit auch angesichts der Flüchtlingsströme ein?
Ernst Scharbach: Neben der zunehmenden Flüchtlingsproblematik ist die Innere Sicherheit seit Jahren durch die Aspekte Internationalisierung, Digitalisierung und Dynamisierung gekennzeichnet. Internetkriminalität, Rockerproblematik und organisierte Wohnungseinbrüche sind nur einige konkrete Beispiele. Ich will keinen unnötigen Pessimismus verbreiten - aber ich sehe die Entwicklung mit immer größerer Sorge. Alle Landesregierungen der BRD haben trotz zunehmender polizeilicher Aufgaben und Aufwände, Personal bei der Polizei abgebaut. Seit der Jahrtausendwende wurden knapp 20.000 Stellen gestrichen. Die permanenten Mahnungen der GdP blieben ungehört. Insgesamt ist der Stellenwert der Polizei bei politischen Verantwortungsträgern drastisch gesunken. Wohlgemerkt: Bei der Politik. Die Bürgerinnen und Bürger schätzen - nach wie vor - in ihrer ganz großen Mehrheit die befriedende Arbeit der Kolleginnen und Kollegen.


Peter Schmidt: Sehen Sie für die Entwicklung benennbare Ursachen?
Ernst Scharbach: Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges haben wir uns in Europa, und besonders engagiert in Deutschland, nie gekannte Freiheitsrechte und gesellschaftliche Umwälzungen erkämpft. Daran haben auch die Gewerkschaften einen beachtlichen Anteil. Stichworte: "Der Muff von tausend Jahren…", Mitbestimmung, Sozialpartnerschaft. Die jungen Menschen können sich überhaupt nicht mehr vorstellen, welche Dispute für die Fortschritte nötig waren, von denen sie heute oft achtlos profitieren.
Wir leben nun seit 70 Jahren in Westeuropa in Frieden. Eine solch lange Friedensphase gab es in der europäischen Geschichte noch nie. Für viele ist der Innere Friede zur Selbstverständlichkeit geworden. Das ist er aber keineswegs. So wie die Demokratie jeden Tag neu verteidigt werden muss, muss auch die Innere Sicherheit jeden Tag aufs Neue erkämpft werden.
Seit den 60er Jahren ist die Gruppe der angeblich "linken" Anarchos angewachsen, die jede staatliche Ordnung ablehnen. Für sie sind der Staat und die Polizei das zentrale Feindbild, das es zu bekämpfen gilt. Die Krönung ist, dass sich die Chaoten auch noch auf die Verfassung berufen mit ihrem Spruch: "Wenn Recht zu Unrecht wird…". Sie bedienen sich schamlos einer Formulierung, die zu Zeiten des Faschismus erdacht wurde. Allerdings schreiben sie auch in ihren Foren, dass sie sich nach wie vor in Zeiten des Faschismus wähnen, der gründlich bekämpft werden müsse. Deren massive Gewaltanwendung wird vielfach ignoriert und klein geredet.
Und alle Jahre wieder rauscht eine Welle rechtsradikaler Gewalt über das Land - Fremdenangst und Rassismus bringen die Leute auf die Straße. Auch hier wählt man sich den Staat und die Polizei als Hassobjekte aus. Die Gewalttaten rechter Schläger, Brandstifter und Mörder sind hinlänglich bekannt.


Peter Schmidt: Es gibt aber doch sicherlich auch Positives zu vermelden?
Ernst Scharbach: Die Polizei hat sich aus einer schwierigen Nachkriegsphase von einem ursprünglichen Befehlsempfänger und "Hilfsbeamten" der Staatsanwaltschaft durch verbesserte Ausbildung, Ausstattung und Organisation zu einem professionellen Dienstleister entwickelt. Sie wird von der Bevölkerung als so genannte "Bürgerpolizei" wahrgenommen. Nur so war es möglich trotz gegenläufiger Entwicklungen bei diversen Kriminalitätsphänomenen, wie beispielsweise der Organisierten Kriminalität, Rechtsextremismus oder auch der Cybercrime, die Innere Sicherheit auf ein hohes Niveau zu entwickeln.


Peter Schmidt: Wie ist die derzeitige Sicht der Politik auf all diese Probleme einzuschätzen?
Ernst Scharbach: Es macht mir allergrößte Sorge, dass Zweifel am Sinn und Zweck der staatlichen Ordnung bis weit in die bürgerlichen Parteien reichen. Weithin unwidersprochen pflegen einige die Meinung, dass die größte Gefahr für Leben, Gesundheit und Eigentum vom Staat ausgehe und nicht von den Verbrechern. Ein Mitglied der Humanistischen Union hat mir einmal gesagt: "Je besser die Polizei behindert wird, umso besser ist das für die ganze Gesellschaft!" Was will man solch kruden Gedanken entgegnen?
Überaus einprägsam war für mich ein Gespräch mit Erhard Eppler, dem Vordenker der Sozialdemokratie. Er war schon vor vielen Jahren sehr betrübt, dass sich kein prominenter Politiker mehr angemessen mit der Inneren Sicherheit befasst. Nicht gemeint ist das Tagesgeschäft, sondern die geistige Durchdringung des Themas. Ich empfehle die Lektüre seines Heftes: "Vom Gewaltmonopol zum Gewaltmarkt?: die Privatisierung und Kommerzialisierung der Gewalt". Er hat die gefährliche Entwicklung bereits 2002 vorhergesagt. Und leider Recht behalten.
Freiheit kann sich nur in einem Klima innerer Sicherheit entfalten. Die aktuellen Entwicklungen in diversen Ländern zeigen deutlich, welche Folgen die Destabilisierung oder auch die Privatisierung des staatlichen Gewaltmonopols nach sich zieht.


Peter Schmidt: Finden Sie Ihre Haltung nicht übertrieben oder überzeichnet?
Ernst Scharbach: Nein. Keineswegs. Wenn wir die aktuelle Lage in die Betrachtung einbeziehen wollen? In Teilen deutscher Großstädte hat die Polizei die 'Herrschaft über die Straße' verloren. Ethnische Clans, kriminelle Motorradgangs, südeuropäische Mafia u.a. haben sich regelrecht rechtsfreie Territorien erobert. Die Ermittlungsmöglichkeiten der Polizei werden hingegen mit großer Empathie beschränkt. Die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung und den Datenschutz erfolgt fast nur noch unter dem Blickwinkel, den angeblichen Missbrauch durch den Staat zu bekämpfen. Ich bin teils regelrecht erschüttert, mit welcher Hingabe Verbrecher vor der Polizei geschützt werden. Man vergisst allzu häufig, dass jedem Verbrecher auch Opfer gegenüberstehen. Die Auguren dieser Politik betreiben die Zersetzung des Staates und seines Gewaltmonopols. Und der normale, rechtstreue Bürger kann dem nur ohnmächtig zuschauen. Er wird damit zum Opfer ohne erkennbare Lobby.


Peter Schmidt: Die Polizei steht in der Ecke?
Ernst Scharbach: Schauen Sie sich nur die Debatte um die Wirtschaft 4.0 an: Die Polizei hat weder personelle noch materielle Ressourcen mit der Entwicklung Schritt zu halten. Wir bewegen uns in einer fast vollständig digitalisierten und globalisierten Welt und die Polizei muss mit unterbezahlten Spezialisten und einem nationalstaatlich geprägten Polizei- und Justizsystem dagegen halten. Ich fürchte, wir verlieren beim Cybercrime ein ganzes Kriminalitätsfeld.
Geht ein Unternehmer, dessen EDV durch eine Schadsoftware blockiert wurde und der zum Kauf eines Freigabecodes erpresst wird, mit seinem Problem zur Polizei? Oder geht er nicht doch lieber zu einer privaten Firma, bei denen er Know-how und ungehinderte globale Ermittlungsmöglichkeiten vermutet? Und das erpresste Lösegeld wird nicht mehr in Banknoten gezahlt sondern fließt in elektronischer Geschwindigkeit als Bitcoins über nationale Grenzen - Spuren werden in kürzester Zeit verwischt.
Die Entwicklung bereitet mir sehr, sehr große Sorgen. Dieses Wettrennen kennt zunehmend nur noch einen Gewinner – die Kriminellen, die Mafia, die Organisierte Kriminalität.
Liberté, Egalité, Fraternité: Die Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz endet, wenn man sich Innere Sicherheit privat kaufen muss. Auch da bin ich mit Erhard Eppler einig: Nur Reiche können sich einen schwachen Staat leisten.
Der moderne Staat wurde zur Abwehr äußerer und innerer Gefahren gegründet. Das ist seine Kernaufgabe! Auch ordentliches kaufmännisches und unternehmerisches Handeln ist nur in einem funktionierenden Rechtsstaat möglich. Innere Sicherheit ist und bleibt ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Verantwortliches Unternehmertum braucht ein Klima der Sicherheit. Auch hier gelten Gesetzmäßigkeiten aus dem Wirtschaftsleben – ein qualitativ hochwertiges Produkt hat seinen Preis. Übrigens nehmen international agierende Firmen zunehmend wahr, dass sie immer dann, wenn Sie von Kriminellen aus dem Ausland heimgesucht werden, weitgehend auf sich gestellt bleiben. Globalisierte, dynamisierte, internationale Märkte bieten betriebswirtschaftlich gewinnversprechende Facetten, können sich aber schnell ins Gegenteil verkehren. Hier ist eine wechselseitig respektvolle Kooperation zwischen Wirtschaft und Polizei gefragt.


Peter Schmidt: Also insgesamt trübe Aussichten?
Ernst Scharbach: Ich wäre nicht in der Gewerkschaft aktiv, wenn ich nicht an die Möglichkeit positiver Entwicklung glauben würde. Der aktuelle Zustrom von Flüchtlingen wird zu einer neuen, förderlichen Diskussion über die Werte unserer freien, solidarischen und ausgleichenden Demokratie führen, auch über dir Frage einer gerechten Verteilung von Einkommen und Vermögen. Vielleicht werden wir uns manches lieb Gewonnene neu erkämpfen müssen. Es muss halt ein 'Ruck durch Deutschland' gehen. Die GdP zieht und schubst fleißig und engagiert mit – und zwar im Sinne einer Bürgerpolizei, in allen Phänomenbereichen und für alle, auch für Wirtschaftsunternehmen!


Link: Zur Homepage des Deutschen Arbeitgeberverbandes "www.deutscherarbeitgeberverband.de" mit dem Scharbach-Interview
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