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GdP-Chef bei Journalistenseminar der Bundesrechtsanwaltskammer

Malchow: Im Kopf des Täters ansetzen

GdP-Bundesvorsitzender Oliver Malchow, hier mit der Diskussionsleiterin Gudula Geuther (Deutschlandradio Kultur) und Prof. Dr. Michael Jasch (l.), Professor für Straf-und Strafverfahrensrecht an der Polizeiakademie Niedersachsen. Foto: Holecek
GdP-Bundesvorsitzender Oliver Malchow, hier mit der Diskussionsleiterin Gudula Geuther (Deutschlandradio Kultur) und Prof. Dr. Michael Jasch (l.), Professor für Straf-und Strafverfahrensrecht an der Polizeiakademie Niedersachsen. Foto: Holecek

"Wo sind die Grenzen einer präventiven Kriminalpolitik?" war das Thema einer Podiumsdiskussion auf dem 21. Journalistenseminar der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) in Berlin. Podiumsgast war Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Mit einem "Impulsreferat" erläuterte Malchow die Position seiner Organisation und warf zugleich zahlreiche Fragen auf, die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern engagiert erörtert wurden. Unmerklich, aber umso gründlicher hätten sich, so der GdP-Chef, sich seit dem 11. September 2001 die Anforderungen an die Arbeit der Ermittlungsbehörden, insbesondere der Polizei verändert. Zwar sei es für das Sicherheits- und Rechtsgefühl der Menschen schon immer wichtig gewesen, dass Straftaten verhindert und sich der Staat als handlungsfähig erweise, "spätestens jedoch seit den Anschlägen von Paris und Brüssel ist der Druck auf die Polizei zur Verhinderung solcher terroristischer Straftaten deutlich gewachsen".

Die Ausführungen des GdP-Bundesvorsitzenden in der Zusammenfassung:

"Wo sind die Grenzen einer präventiven Kriminalpolitik? Nach unserem Rechtsverständnis lässt sich die Frage leicht beantworten: Natürlich markieren die Achtung der Menschen- und Grundrechte und natürlich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Grenzen der Kriminalpolitik.

Unmerklich, aber umso gründlicher haben sich seit dem 11. September 2001 die Anforderungen an die Arbeit der Ermittlungsbehörden, insbesondere der Polizei verändert. Zwar war für das Sicherheits- und Rechtsgefühl der Menschen es schon immer wichtig, dass Straftaten verhindert und sich der Staat als handlungsfähig erweist, spätestens jedoch seit den Anschlägen von Paris und Brüssel ist der Druck auf die Polizei zur Verhinderung solcher terroristischer Straftaten deutlich gewachsen.

In ihren Ermittlungen steht die Polizei immer vor der Gefahr, zu früh – das heißt dann in der Regel ohne rechtliche Konsequenzen für die mutmaßlichen Täter – oder zu spät, mit Toten und Verletzten – gehandelt zu haben.

Unter Prävention verstand man bisher eher die Verkehrspuppenbühne, Besuche des Polizisten in der Grundschule und im Altenheim, den „7. Sinn“ und Aufklärungsbroschüren über sichere Tür- und Fensterschlösser um Wohnungseinbrüche zu verhindern.

Nach den ersten schweren terroristischen Anschlägen wandelte sich aber der Anspruch an die Prävention drastisch: Seitdem reicht es nicht mehr aus, den oder die Täter zu stellen. Es gilt, die Tat überhaupt zu verhindern, insbesondere dafür zu sorgen, dass der Terrorist kein Terrorist wird.

Ich behaupte, dass sich die wenigsten Sicherheits- und Kriminal- und Rechtspolitiker über diesen Paradigmenwechsel und seine Konsequenzen für diejenigen, die das bewerkstelligen sollen, Gedanken gemacht haben und machen.

Wo setzt eine Kriminalitätsbekämpfung an, wenn sie Kriminalität erfolgreich verhindern soll? Natürlich dort, wo der Plan zu einer Straftat reift, also im Kopf des potenziellen Täters – aber welchen potenziellen Täters?

Da haben wir allein im Bereich des islamistischen Terrorismus derzeit eine große Auswahl:
Derzeit führen Bund und Länder mehr als 760 Ermittlungsverfahren mit mehr als 1000 Terrorverdächtigen aus der islamistischen Szene. Das sind doppelt so viel wie im Jahr 2013. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" gerät in Nahost immer stärker unter Druck und wir haben es nicht mehr nur mit deutschstämmigen Rückkehrern zu tun, sondern auch mit Dschihad-Reisenden aus anderen europäischen Ländern oder aus Nordafrika. Aber damit nicht genug.

Die Behörden zählen inzwischen 1600 Personen zum islamistisch-terroristischen Personenpotenzial. Die Zahl der Gefährder, also Menschen, denen ein Anschlag zugetraut wird, ist auf 570 Personen angewachsen. Und das sind eher konservative Schätzungen.

Für eine erlaubte Rund-um-die-Uhr-Bewachung benötigen wir 25 Polizisten. Das macht bei 570 Personen einen Personaleinsatz von 14.250 Beamtinnen und Beamten.

Deshalb müssen wir unsere organisatorischen Strukturen anpassen und auch in der Polizei in internationalen Netzwerken arbeiten – und zwar schneller und digitaler. Wir müssen aber auch unsere Gesetze und unsere Fähigkeiten anpassen. Es ist beispielsweise nicht mehr zeitgemäß, dass wir in Deutschland 16 verschiedene Polizeigesetze haben. Dringend notwendig wäre ein Musterentwurf, der für alle Länder gleichermaßen gilt. Zudem sollten wir in Europa Informationen so austauschen können wie innerhalb Deutschlands. Auch die Polizei muss in Europa ohne Binnengrenzen arbeiten können. Es ist ein einheitlicher europäischer Rechtsraum für die Strafverfolgung nötig, insbesondere beim Daten- und Informationsaustausch, wie es beispielsweise im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum in Berlin praktiziert wird.

Und natürlich brauchen wir rechtliche und technische Möglichkeiten, die Kommunikation potenzieller Täter zu überwachen. Ebenso die rechtliche Befugnis, die Telekommunikationsmaßnahmen auch auf Messengerdienste zu übertragen. Wir brauchen weiterhin die Vorratsdatenspeicherung und möglicherweise auch die Fußfessel, um ein paar Stichworte zu nennen.

Worum ich mir mehr Sorgen mache, ist das zunehmende Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung, das nicht erst durch den ersten Terroranschlag mit mehreren Toten auf deutschem Boden zugenommen hat:
Kriminalität wird zunehmend im eigenen Umfeld erlebt, zum Beispiel Diebstähle oder Wohnungsaufbrüche. Die Unordnung in Städten – wie marode Gebäude, zerschlagene Scheiben, Müll auf den Straßen – weckt zusätzlich Ängste. Die Menschen haben das Gefühl, der Staat kümmert sich nicht mehr um das Gemeinwesen, er schützt seine Bürger und bestraft die Täter nicht ausreichend."
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