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GdP zu begonnenem 57. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar

Mertens: Mehr Polizeipräsenz auf den Straßen kann mehr Unfälle verhindern

Foto: ©Wellness Designs - stock.adobe.com
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Goslar/Berlin.

Sogenannte Alkolock-Systeme könnten nach Auffassung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Trunkenheitsfahrten von Hochrisiko-Gruppen wirksam unterbinden. Dazu sollte eine verkehrsrechtliche Auflage insbesondere für Fahrerinnen und Fahrer, die bislang wegen Verstößen mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) zwischen 1,1 und 1,59 Promille keinen weiteren Präventionsmaßnahmen unterliegen, verpflichtend eingeführt werden. Das forderte der für Verkehrspolitik im Geschäftsführenden GdP-Bundesvorstand verantwortliche stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Michael Mertens am Donnerstag vor dem Beginn der Beratungen des diesjährigen Deutschen Verkehrsgerichtstages in Goslar. „Jetzt muss bald ein zeitlich begrenzter und wissenschaftlich begleiteter Probelauf her, damit Alkolock-Systeme hierzulande schnell auf die Straße gebracht werden können, sagte er.

Polizeiliche Verkehrsüberwachung ist Kernaufgabe

Rund 2.000 Verkehrsexperten debattieren noch bis Freitag über aktuelle Verkehrsthemen, darunter Alkolock-Systeme, Lkw- und Busunfälle, die Flensburger Punktereform oder das autonome Fahren und verabschieden Empfehlungen an den Gesetzgeber. Nach GdP-Schätzungen wird für 2018 ein Anstieg der Verkehrstoten in Deutschland um voraussichtlich rund 3 Prozent auf etwa 3.300 Opfer verzeichnet werden. „Fakt ist, die polizeiliche Verkehrsüberwachung als Kernaufgabe polizeilichen Handelns muss wieder in den Aufgabenfokus gerückt werden“, hob Mertens hervor.

Vor dem Hintergrund oft schwerwiegender Lkw- und Busunfälle sprach sich GdP-Verkehrsexperte Mertens für den manipulationssicheren Betrieb von Fahrassistenzsystemen aus. Gleichzeitig müsse die Polizei in die Lage versetzt werden, manipulative Eingriffe zu erkennen. Unabdingbar sei es, gerade im Bereich des gewerblichen Güter- und Personenverkehrs die Kontrolldichte spürbar zu erhöhen. „Rastplätze müssen für polizeiliche Kontrollstellen ausreichend Raum bieten. Daran sollte schon beim Bau oder Ausbau gedacht werden. Wir benötigen auch mehr Kontrollflächen außerhalb von Rastplätzen“, betonte der GdP-Vize.

Auch der "Assistent" kann Fehler machen

Mertens bekräftigte die wiederholte Empfehlung des Verkehrsgerichtstages, die Strafverfolgungsbehörden auf unfallrelevante Fahrdaten zugreifen zu lassen. Dazu würden genormte Schnittstellen benötigt. „Das sollte nicht nur bei hochautomatisierten Fahrzeugen möglich sein.“ Immer mehr elektronische Fahrzeug-Assistenten stellen die polizeiliche Unfallaufnahme vor große Herausforderungen. „Um die Ansprüche der Unfallopfer zu sichern, muss auch festgestellt werden können, ob das Assistenzsystem funktioniert hat“, unterstrich der Gewerkschafter.

Gespannt blickt Mertens auf die Beratungen zum Thema „Punktereform“. „Erste Erfahrungen bestätigen die Auffassung der GdP, dass damit die Verkehrssicherheit nicht zwangsläufig verbessert wird. Das A und O wären ausreichende polizeiliche Kontrollen. Zwar ist das neue Punktesystem etwas besser dazu geeignet, Wiederholungstätern Grenzen aufzuzeigen. Mehrfachtäter fahren aber auch ohne Führerschein weiter. Bei der jetzigen Kontrolldichte kommen diese Fahrer leider oft unentdeckt davon.“

dpa-Gespräch: Aktuelle Themen vor dem Verkehrsgerichtstag in Goslar - GdP-Verkehrsexperte Mertens spricht sich für Tempolimits, Grünpfeile und Abschnittskontrollen aus

Im Vorfeld zu den Beratungen des 57. Verkehrsgerichtstages (VGT) gab der GdP-Verkehrsexperte und stellvertretende Bundesvorsitzende Michael Mertens der Deutschen Presse-Agentur einige Einschätzungen zu aktuell anstehenden Verkehrsfragen.

Abschnittskontrollen, und wo sie sinnvoll sind
Abschnittskontrollen ermitteln die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs über eine längere Strecke und nicht nur punktuell wie ein Blitzer. Laut GdP-Verkehrsexperte Mertens ist das gerade bei Baustellen, in Tunneln oder in ähnlich engen Verkehrssituationen von Vorteil. Denn dort bedeute der Einsatz von herkömmlichen Blitzern oft eine zusätzliche Unfallgefahr, weil die Fahrzeuge kurz vor dem Blitzer abrupt bremsen, nur um danach wieder zu beschleunigen. Gerade hier sei es aber zur Vermeidung von Unfällen besonders wichtig, dass der Verkehr möglichst gleichmäßig fließe.

Das könne mit der Abschnittskontrolle gewährleistet werden. „Die Polizei in den Niederlanden, in Österreich und auch in anderen europäischen Ländern haben mit Abschnittskontrollen die schweren Unfälle auf vielen gefährlichen Streckenabschnitten drastisch reduziert“, so der GdP-Vize. Mertens plädiert dafür, dass weitere Abschnittskontrollen überall dort eingerichtet werden sollten, wo es für die Verkehrssicherheit auf ein möglichst gleichmäßiges Geschwindigkeitsniveau ankomme. „Tunnel und Baustellen sind die am häufigsten genannten Beispiele. Ich denke aber auch an Abschnitte vor Autobahnkreuzen, an denen immer wieder gefährliche Auffahrunfälle am Stauende auftreten.“ Außerdem könnten laut Mertens die Abschnittskontrollen dabei helfen, berüchtigte Raserstrecken für die Verkehrssünder unattraktiv zu machen. „Wenn die Messung deutlich angekündigt wird, ist das für die Verkehrsteilnehmer transparent, und wir erreichen unser Ziel.
Es geht ja nicht um Bußgeldeinnahmen, sondern um die Vermeidung schwerer Verkehrsunfälle.“ Zu den Kosten: Mertens zufolge ist eine Anlage für Abschnittskontrollen in der Anschaffung zwar wesentlich teurer als ein herkömmlicher Blitzer, sie reduziert die Anzahl schwerer Unfälle aber auch deutlich. „Neben dem menschlichen Leid, das ein Unfall verursacht, darf man auch die volkswirtschaftlichen Kosten von Verkehrsunfällen nicht außer Acht lassen.“

Der Grüne Abbiegepfeil für Radfahrer
„Die gefährlichsten Unfälle mit Fahrradfahrern in Städten sind die sogenannten Abbiegeunfälle, bei denen Radfahrer unter ein rechts abbiegendes Fahrzeug geraten, weil sie schlicht übersehen werden“, schildert Mertens. Hier könne die Grünpfeilregelung Sinn machen, da der Fahrradfahrer dann eben schon weg sei, wenn der Lkw abbiegt. In den Nachbarländern, insbesondere in den Niederlanden, habe sich der Grünpfeil für Radler bewährt. Mertens spricht sich dafür aus, dass die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) diese Möglichkeit des Verkehrsflusses anschaut.

Natürlich müsse darauf geachtet werden, dass die Schilder nur an Stellen aufgebaut würden, die so übersichtlich seien, dass Radfahrer tatsächlich gefahrlos abbiegen könnten. Auf die Frage, ob diese Regelung auch für Kfz gelten sollte, antwortet Mertens: „Eine generelle Grünpfeilregelung, die das Abbiegen nach rechts trotz roter Ampel erlaubt, gibt es in der Straßenverkehrsordnung seit 1994. In der Anfangsphase sind da sicher einige zu sorglos mit umgegangen. Den Fehler darf man jetzt mit dem Pfeil für Radfahrer nicht wiederholen. Trotzdem hat sich die Regelung an vielen Kreuzungen bundesweit bewährt.“

Tempolimits, und ob sie Leben retten
Laut Mertens stagniert die Zahl der Unfalltoten seit spätestens 2013. „Das zeigt deutlich, dass wir uns bei der Verkehrsunfallprävention etwas einfallen lassen müssen, wenn wir uns mit nicht einfach damit abfinden wollen, dass jedes Jahr rund 3.200 Menschen im Straßenverkehr ums Leben kommen.“ Dabei spiele auch die Begrenzung von Geschwindigkeiten eine wichtige Rolle. „Das ist zunächst eine einfache Erkenntnis aus den Gesetzen der Physik: Je schneller Fahrzeuge bei einem Zusammenstoß sind, desto größer sind auch die Kräfte, die auf die Insassen wirken“, so der GdP-Verkehrsexperte. Geschwindigkeitsbegrenzungen würden darüber hinaus auch dazu führen, dass der Verkehr gleichmäßiger fließe. Es komme außerdem zu weniger Überholvorgängen und die Übersichtlichkeit für alle Verkehrsteilnehmer steige. Dass Tempolimits die Sicherheit erhöhen, gelte nicht nur auf der Autobahn. Gerade in den Innenstädten gäbe es viele Straßen, die objektiv nicht für Tempo 50 geeignet sind, sagt Michael Mertens.

„Als Regelgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften halten wir Tempo 30 für richtig. Auf entsprechend ausgebauten Hauptverkehrsstraßen kann dann weiter Tempo 50 angeordnet werden.“ Es gehe aber in erster Linie nicht um das Limit an sich. Das zentrale Argument sei die Erhöhung der Sicherheit durch einen gleichmäßigen Verkehrsfluss. „Eine wichtige Unfallursache gerade auf Autobahnen sind sogenannte hohe Differenzgeschwindigkeiten“, erklärt Mertens. Das sei der Unterschied zwischen den langsamsten und den schnelleren Verkehrsteilnehmern. Wenn dieser Unterschied verringert würde, gäbe es weniger Überholvorgänge und die Verkehrsteilnehmer hätten mehr Zeit, um durch entsprechende Reaktionen Unfälle zu verhindern. „Wenn sie aber mit Tempo 180 unterwegs sind und vor Ihnen schert ein Fahrzeug mit Tempo 90 auf die Überholspur aus, geht das schnell schief.“

Es müssen mehr Rastplätze für Lkw's her
Lkw-Fahrer haben die Pflicht, sich an Ruhezeiten zu halten, aber dafür brauchen sie auch einen Parkplatz. Und genau hier liegt oft das Problem. „Wenn der Gesetzgeber den Fahrern entsprechende Pflichten auferlegt, muss er auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sie sich daran halten können“, fordert Mertens. Problematisch sei das Abstellen der Lkws auf Verzögerungs- und Beschleunigungsstreifen sowie auf Standstreifen in der Nähe von Raststätten. „Hier kann es zu gefährlichen Situationen zwischen ein- und ausfahrenden Pkw und Fußgängern kommen“, warnt der GdP-Verkehrsexperte. Neben den Rastplätzen mangele es aber auch an Kontrollflächen, an denen die Polizei Lkws anhalten und kontrollieren könne. Auch das ist ein wichtiger Faktor, um die Sicherheit zu erhöhen.

Hintergrund: Der Verkehrsgerichtstag
Der erste Verkehrsgerichtstag fand im Januar 1963 statt. Vorangegangen waren die zunehmende Motorisierung des Straßenverkehrs und damit die ansteigende Zahl von Verkehrsunfällen. Die Straßenverkehrsordnung von 1934 war überholt, die Rechtsprechung zersplittert. Um die Situation zu verbessern, organisierten Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und Journalisten den ersten Verkehrsgerichtstag, der seither jedes Jahr abgehalten wird. Im Mittelpunkt stehen die Arbeitskreise, in denen Experten über verschiedene Themen beraten. Hier entstehen die Empfehlungen an die Regierung, die oft in die Gesetzgebung einfließen. Der VGT tagt seit seiner Geburtsstunde in Goslar. Im vergangenen Jahr wurde darüber beraten, ob es Sinn macht, die Konferenz nach Leipzig zu verlegen. Der scheidende VGT-Präsident Kay Nehm nannte als Gründe die wachsende Zahl der Interessenten, schleppende Verbesserungen in Goslar ein interessantes Angebot in der Messestadt Leipzig. Diese hat sich um die Durchführung der Veranstaltung beworben. Nach dem VGT 2019 soll eine Meinungsumfrage unter den Mitgliedern gestartet werden, die allerdings für den Vorstand nicht bindend ist. Eine Entscheidung wird erst im Laufe des Jahres erwartet.

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