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Ausstellung würdigt Wilhelm Behr:

Couragierter Polizist bewahrte NS-Verfolgte vor der Deportation

Berlin/Malchow.

Als „verdienstvoll“ bezeichnete Elke Gündner-Ede, Mitglied im geschäftsführenden Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die jahrelangen Recherchen der „Behr“-Gruppe über den Polizeioberinspektor Wilhelm Behr, der als Polizist in Malchow bei Berlin während der Zeit des NS-Regimes mehreren Familien die Flucht vor Deportation ermöglichte und vor dem Tod bewahrte, nachdem er sie vor bevorstehenden Durchsuchungen und Verhaftungen durch die Gestapo gewarnt hatte.

Elke Gündner-Ede: “Es gehört auch zur Geschichte der deutschen Polizei, dass zahlreiche Polizisten, die sich unter großer Gefahr für ihre verfolgten Mitmenschen eingesetzt haben, von den Nazis aus dem Dienst entlassen oder selbst inhaftiert worden waren. So zum Beispiel die Mitglieder des Schrader-Verbandes, einer Vorläuferorganisation der Gewerkschaft der Polizei. Nicht selten wurden sie mehrfach Opfer der politischen Umwälzungen in der Nachkriegszeit und gerieten, wie Wilhelm Behr auch, mit dem beginnenden Ost-West-Konflikt und der Spaltung Berlins in das Räderwerk der Stalinisierung.“

Das Leben und die Heldentaten des Polizisten während der Zeit der Nazi-Herrschaft in Deutschland sind Thema einer Ausstellung unter dem Titel „Wilhelm Behr – ein Stiller Held“, die von der „Behr-Gruppe“, Licht-Blicke Netzwerk für Demokratie, Lebensmut e.V., Wir für Malchow e.V. sowie den Evangelischen Kirchengemeinden Wartenberg und Malchow umgesetzt wurde.

Die Ausstellung wurde Anfang November von Elke Gündner-Ede eröffnet und ist in der Malchower Kirche, Dorfstraße 38B, 13051 Berlin zu besichtigen.


Elke Gündner-Ede bei ihrer Eröffnungsrede in der Malchower Kirche. Foto: Laura Ede


Die Rede Elke Gündner-Edes im Wortlaut:


Sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie ganz herzlich zur Ausstellungseröffnung „Wilhelm Behr – ein Stiller Held“ hier in der Malchower Kirche.

Ich denke, dass ich auch für den Veranstalter, die „Behr-Gruppe“ spreche, wenn ich Ihnen für ihr Interesse an der Ausstellung, das sie insbesondere durch ihre Teilnahme am heutigen Abend ausdrücken, sehr danke.

Eine ganz besondere Ehre und Freude ist es mir, dass ich Zeitzeuginnen aus dem Kreis der Familien, die sich den unmenschlichen Gesetzen der Naziherrschaft widersetzten und Verfolgten zur Hilfe kamen, hier begrüßen darf.

Namentlich und persönlich begrüße ich ganz herzlich

- Frau Gisela Kleina, geb. Naujocks
- Frau Irmhild Schulzki, geb. Naujocks,
- Frau Teschner

und die Nachfahren der Familie Neuendorf, die bis heute in Malchow leben.

Ihnen und ihren Familien gebührt Hochachtung für die Hilfe und die Mitmenschlichkeit, die sie gegenüber den Verfolgten des Nazi-Regimes haben walten lassen. Ihre Familien haben in schweren Zeiten Mut bewiesen und unschuldige Menschen, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft verfolgt wurden, vor Verhaftung und Deportation bewahrt – und das in dem Wissen, dass sie damit ihr eigenes und das Leben ihrer Familien in Gefahr brachten.

Sie haben trotz Verbotes und der Androhung schwerer Strafen Kontakte zu polnischen Zwangsarbeiterinnen gepflegt und sie haben, wie die Familie Naujocks zwei jüdische Familien versteckt oder wie das Ehepaar Neuendorf, einer jüdischen Familie aktiv bei der Flucht vor den Nazischergen geholfen. Ihnen und weiteren Zeitzeugen gilt ein besonderer Dank, da Sie mit ihren persönlichen Erinnerungen und unschätzbaren „Materialien“ die Realisierung dieser Ausstellung unterstützt haben.

Bis zum heutigen Tag ist die Aufarbeitung des wohl schwersten und dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte nicht abgeschlossen. Umso wichtiger ist die verdienstvolle, ehrenamtliche Arbeit einzelner Gruppen und Verbände, die immer wieder neue Aspekte und Teilbereiche aufarbeiten, Zeitzeugenberichte sammeln, neue Quellen erschließen und damit Licht in das Dunkel der Vergangenheit bringen.
Um so einen Zusammenschluss engagierter Menschen handelt es sich bei der so genannten „Behr-Gruppe“. Sie haben in ihrer Freizeit das Wirken und Handeln des Polizisten Wilhelm Behr, der seit 1929 in Berlin-Malchow eingesetzt war, aufgearbeitet. Über 2 Jahre haben sie in mühevoller, kleinteiliger Recherchearbeit die Fakten zusammengetragen, ausgewertet und damit diese Ausstellung erst möglich gemacht. Das Konzept einer Wanderausstellung sorgt dafür, dass die Erkenntnisse, die sich aus ihren Arbeitsergebnissen ableiten lassen, interessierte Menschen auch außerhalb von Malchow erreichen können. Somit leistet diese Ausstellung einen Beitrag zur Aufarbeitung und Dokumentation eines Teilaspektes einer der dunkelsten Kapitel unserer Geschichte. Der von ihnen gewählte Bezug birgt neben der Darstellung des menschenverachtenden Systems auch den Aspekt der Hoffnung, den der Polizist Wilhelm Behr durch sein Handeln verkörpert.

Ich möchte mich bei Ihnen, liebe „Behr-Gruppe“ ganz herzlich bedanken, dass sie uns diesen Einblick ermöglicht haben.

Unterstützung für ihre Arbeit in finanzieller und organisatorischer Hinsicht fanden sie bei dem Netzwerk für Demokratie Licht-Blicke, dem Verein „Lebensmut“, dem Verein „Wir für Malchow“, den Evangelischen Kirchengemeinden Wartenberg und Malchow und der Leiterin der Polizeihistorischen Sammlung, Frau Dr. Bärbel Fest. Inhaltlich beraten wurden sie durch den stellv. Vorsitzenden des Polizeihistorischen Archivs, Herrn Selowski, der sie mit Informationen über die Spaltung der Berliner Polizei im beginnenden Ost-West-Konflikt unterstützte. Ihnen allen gilt ein herzlicher Dank für ihr Engagement.

Dietrich Bonhoeffer hat einmal gesagt: „Die Ehrfurcht vor der Vergangenheit und die Verantwortung gegenüber der Zukunft geben fürs Leben die richtige Haltung.“ Darin liegt der Gedanke, das die Vergangenheit voller erschreckender aber auch ermutigender Beispiele steckt, aus denen wir Lehren ziehen oder von denen wir lernen können.

Die Geschichte Wilhelm Behrs, dem diese Ausstellung gewidmet ist, ist ein Beispiel für menschliches Verhalten in unmenschlichen Zeiten. Der 1895 geborene Behr trat bereits 1919 in den Polizeidienst ein. Ab 1929 versah er diesen Dienst in Malchow. Als Mitglied der SPD und des „Verbandes Preußischer Polizeibeamter“, nach seinem Vorsitzenden auch Schrader-Verband genannt, war er der Republik und den demokratischen Werten stark verpflichtet. Als die politische Stimmung in der Weimarer Republik endgültig umschlug und die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 die Macht ergriffen, geriet auch Behr in den Fokus der neuen Machthaber.

Bereits während des ersten halben Jahres ihrer Regierungszeit ergriffen die Nazis grundlegende Maßnahmen um ihre Terrorherrschaft zu festigen.
Einer dieser ersten Schritte bestand in der vollständigen Zerschlagung aller Gewerkschaften – darunter auch der Polizeigewerkschaften und damit des Schrader-Verbandes. Mitglieder solcher Vereinigungen standen fortan unter verschärfter Beobachtung. Führende Gewerkschafter, darunter der Vorsitzende des Schrader-Verbandes, Ernst Schrader, sowie der spätere erste Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Fritz Schulte, wurden verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt.

Aber nicht nur die Gewerkschafter waren den neuen Machthabern ein Dorn im Auge. Es gehört zur Geschichte der gesamten deutschen Polizei, dass zahlreiche Polizisten, die sich unter großer Gefahr für ihre verfolgten Mitmenschen eingesetzt haben, von den Nazis aus dem Dienst entlassen oder selbst inhaftiert worden waren. Republiktreue Polizisten wurden mit Hilfe des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ aus dem Dienst entfernt. Die politischen Säuberungsaktionen innerhalb der Polizei waren ein weiterer Schritt, der Demokratie ihre Grundlage zu entziehen. Wilhelm Behr, als ehemaliges Mitglied mittlerweile verbotener Parteien und Verbände, stand ebenfalls unter verschärfter Beobachtung. Es gelang ihm jedoch - dank seiner ausgezeichneten dienstlichen Leistungen im Hinblick auf die Verbrechensbekämpfung – das eingeleitete Verfahren zwecks Dienstentlassung abzuwenden und im Polizeidienst zu verbleiben.

Was war das aber für eine Polizei, die durch die radikalen Säuberungsaktionen der Nationalsozialisten entstanden war. Viele erfahrene Polizeibeamte waren aus ihren Ämtern entfernt worden.
Die Lücken wurden durch systemtreue Parteimitglieder aufgefüllt, Hilfspolizisten ohne Ausbildung wurden ernannt. Von der Polizei der Weimarer Republik blieb wenig übrig.
Durch die Vermischung der Aufgabengebiete und systematischen Durchsetzung mit Systemanhängern entstand eine, teils paramilitärisch agierende Eingreiftruppe die sich an Gesetzen häufig nur formal orientierte. So wurde die Polizei Teil eines Systems, dass sie zur Durchsetzung ihrer perfiden Ziele missbrauchte.

Wilhelm Behr blieb seiner Gesinnung jedoch auch unter dem neuen, totalitären Regime treu. Während andere sich dem System unterwarfen oder still abwarteten, blieb Behr vor allem seinem Gewissen treu. Soweit es in seiner Macht stand beschützte er die Menschen in seinem Einflussbereich und wahrte ihre Geheimnisse. Als er den Befehl erhielt eine Hausdurchsuchung bei einer Familie vorzunehmen, von der ihm bekannt war das sie Juden versteckten, warnte er diese frühzeitig. Auch er selbst gewährte später Flüchtigen Unterschlupf, wobei er mehr als nur seine Karriere riskierte. Unter Gefahr für Leib und Leben schützte er die vom Terrorregime der Nationalsozialisten Verfolgten und ihre Helfer. Diese Erkenntnis, dass auch Polizeibeamte als sogenannte „treue Staatsdiener“ Gewissenentscheidungen gegen das in einem totalitären Staat geltende Recht getroffen haben, ermutigt jeden demokratisch denkenden Staatsbürger.

Als mit dem Ende des zweiten Weltkriegs die Herrschaft der Nazis zusammenbrach fand Behr sich im sowjetischen Besatzungssektor wieder. Deutschland lag in Trümmern und die einzelnen Sektoren rangen darum Ordnung in die besetzten Gebiete zu bringen. Erfahrene Polizeibeamte, wie Behr, wurden beim Wiederaufbau gebraucht und geschätzt. Doch nur wenig später, als die Lage sich zu stabilisieren begann, wurde er aus dem Dienst entlassen. Nicht selten wurden Beamte wie Behr mehrfach Opfer der politischen Umwälzungen in der Nachkriegszeit und gerieten, mit dem beginnenden Ost-West-Konflikt und der Spaltung Berlins in das Räderwerk der einsetzenden Stalinisierung.

In den westlichen Sektoren begann langsam auch der Wiederaufbau der Gewerkschaften. Unter den neu gegründeten befand sich auch die Gewerkschaft der Polizei (- als deren Vertreterin ich hier heute stehe). Diese knüpften nicht nur an die Tradition ihrer Vorgängerorganisationen an sondern wussten auch um die bitter erworbenen Lektionen der Diktatur. Sie kannten die Gefahren und sahen sich in erster Linie den demokratischen Grundwerten und ihrem eigenen Gewissen verpflichtet. Eine ähnliche Haltung wie auch Wilhelm Behr sie an den Tag legte.

Das Vertrauen in das eigene Gewissen und der Glaube an die Demokratie sind es die auch heute noch unsere Handlungen leiten. Und sie sind es die uns auch dazu bringen uns zu erinnern. Die Vergangenheit nicht ruhen zu lassen und uns mit ihren Schrecken wie ihren Hoffnungsschimmern zu befassen ist bis heute dringend nötig.

Anlässlich des 80. Jahrestages der Machtergreifung Hitlers in diesem Jahr ist durch das Projekt „Zerstörte Vielfalt“ in der Stadt Berlin an vielen Stellen Dokumentations- und Informationsmaterial ausgestellt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund und seine Einzelgewerkschaften haben sich mit dem Unterprojekt „Zerschlagung der Gewerkschaften 1933 – zerstörte Vielfalt“ intensiv mit ihrer eigenen Vergangenheit in dieser Zeit auseinandergesetzt.

Die Gewerkschaft der Polizei hat dazu eine Internet-Dokumentation erstellt, die neben vielen Sachinformationen auch die Biografien von Ernst Schrader und dem ersten Vorsitzenden der GdP, Fritz Schulte, aufarbeitet. Ihre Biografien stehen als prominente Beispiele für die der vielen Beamten, deren Karrieren durch das Nationalsozialistische Regime beendet oder unterbrochen wurden.

Im Schatten der jüngsten Vergangenheit, den mörderischen Taten der Mitglieder des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ und des wieder erstarkenden rechten Gedankengutes in ganz Europa, ist es umso wichtiger, an die Zeit unter dem Terror der Nationalsozialisten zu erinnern. Nicht nur als Mahnung, die Lehren der Vergangenheit nicht zu vergessen sondern auch um uns daran zu erinnern, dass Menschlichkeit, Toleranz und das Achten auf unser Gewissen es uns erst ermöglichen friedlich miteinander zu leben.

Ich eröffne hiermit die Ausstellung „Wilhelm Behr – ein stiller Held“ und wünsche Ihnen einige erkenntnisreiche Stunden im Gespräch mit den Mitgliedern der Behr-Gruppe, die Ihnen als Ansprechpartner/-innen zur Verfügung stehen.

Vielen Dank
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