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GdP-Vorsitzender Bernhard Witthaut im Gespräch mit "Die Welt":

"Sicherheit darf nicht privatisiert werden"

Berlin.

Bei der Bekämpfung der Piraterie sieht der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, schwere Versäumnisse. Im Gespräch mit der in Berlin erscheinenden Zeitung "Die Welt" fordert er, dass ehemalige Bundeswehrsoldaten deutsche Schiffe schützen. Den Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Schiffen lehne er dagegen ab. "Dadurch wird das Gewaltmonopol des Staates ausgehöhlt. Der Schutz von Menschen lässt sich nicht vergleichen mit dem Schutz von Geldtransporten. Die innere Sicherheit darf nicht privatisiert werden, das muss eine hoheitliche Aufgabe sein. Sonst können sich nur noch diejenigen Sicherheit kaufen, die sich das leisten können." Bitte lesen das Interview im Wortlaut nach dem Klick auf..

DIE WELT: Herr Witthaut, warum schützt sich Deutschland mit seiner drittgrößten Handelsflotte der Welt so schlecht gegen Seepiraten?
Bernhard Witthaut: Frankreich, die Niederlande oder Dänemark gewähren ihren Handelsflotten hoheitlichen Schutz. Die Bundesregierung diskutiert darüber, ob der Kampf gegen die Piraterie Aufgabe der Bundespolizei oder der Bundeswehr ist. Weder das Innen- noch das Verteidigungsministerium können sich dazu durchringen, entsprechend Personal und Material gegen die steigende Zahl der Piratenüberfälle einzusetzen. Es ist völlig unverständlich und fahrlässig, dass in einer solchen Lage so wenig getan wird. Die Regierung muss endlich Flagge zeigen gegen die Seepiraten. Durch ihre Unentschlossenheit trägt sie eine Mitschuld daran, dass sich die Piraterie weiter ausbreitet.

DIE WELT: Woran liegt das genau?
Bernhard Witthaut: Einerseits verfügt die Bundespolizei weder über die notwendige Bewaffnung noch Logistik. Das hat bisher allein die Bundeswehr. Andererseits ist Geiselnahme eine Straftat, die nur von der Polizei bearbeitet werden kann. Sie muss Beweismittel für Gerichtsverfahren sichern, was wiederum die Bundeswehr nicht kann.

DIE WELT: Was raten Sie der Regierung?
Bernhard Witthaut: Durch die Bundeswehrreform wird viel Personal abgebaut. Die Bundespolizei könnte kurzfristig bis zu 500 Zeitsoldaten übernehmen, sie für den Kampf gegen Seepiraterie ausbilden und sie dann auf deutschen Frachtschiffen einsetzen. Anschließend könnten sie als Polizeibeamte ausgebildet werden. Das wäre ein Anfang. Die Soldaten sind vorhanden, ihre Stellen werden im Haushalt ohnehin finanziert. Die Erfahrung zeigt, dass Präsenz etwas bringt: Piraten haben noch nie ein Schiff angegriffen, wenn sie Sicherheitskräfte an Bord sehen.

DIE WELT: Die Regierung prüft, ob private Sicherheitsdienste tätig werden können. Das wäre doch ein Fortschritt?
Bernhard Witthaut: Nein. Dadurch wird das Gewaltmonopol des Staates ausgehöhlt. Der Schutz von Menschen lässt sich nicht vergleichen mit dem Schutz von Geldtransporten. Die innere Sicherheit darf nicht privatisiert werden, das muss eine hoheitliche Aufgabe sein. Sonst können sich nur noch diejenigen Sicherheit kaufen, die sich das leisten können. Im Januar waren noch alle dagegen, dass private Sicherheitskräfte eingesetzt werden. Jetzt sagt der maritime Koordinator der Bundesregierung, der FDP-Politiker Hans-Joachim Otto, man prüfe das, aber nicht mit Begeisterung. Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium empfiehlt den Reedern, gefährliche Schiffsrouten lieber zu umfahren. Das ist nicht gerade unternehmerfreundlich!

DIE WELT: Mehr Sicherheit kostet Geld. Die Haushaltskassen sind leer...
Bernhard Witthaut: ...deshalb fordern wir eine Seesicherheitsgebühr, um den Schutz durch die Bundespolizei zu finanzieren. Pro Schiffspassage mit privaten Sicherheitsleuten an Bord kostet das durchschnittlich 50 000 bis 60 000 Dollar. Der Verband der Reeder ist bereit, sämtliche Kosten zu übernehmen, wenn eine solche Gebühr ausschließlich zum Schutz ihrer Schiffe eingesetzt wird und nicht zur Haushaltskonsolidierung.

DIE WELT: Fördern manche Reeder durch Lösegeldzahlungen nicht die Piraterie?
Bernhard Witthaut: Reeder und Regierung sollten sich die Philosophie der USA zu eigen machen, die da lautet: "no pay". Die Amerikaner lassen sich von Piraten nicht erpressen, sie zahlen ihnen grundsätzlich kein Geld. Bei einem deutschen Schiff wissen Piraten hingegen, dass sie in der Regel zwischen drei und sechs Millionen Euro Lösegeld bekommen. Je länger man das toleriert und je öfter man zahlt, desto höher werden die erpressten Summen.

DIE WELT: Fachleute vermissen ein Gesamtkonzept gegen die Piraterie.
Bernhard Witthaut: Der Regierung fehlt schlicht eine Anti-Piraten-Strategie. Nötig sind eine mit den Bundesländern abgestimmte Anti-Piraten-Strategie und ein Seesicherheitsgesetz zum Schutz der Küsten. Hier gibt es Sicherheitslücken. Das seit 2005 geplante Maritime Sicherheitszentrum in Cuxhaven, das 2014 fertig sein soll, ist zu wenig. Wir fordern ein polizeiliches Führungs- und Einsatzzentrum für alle Auslandsmissionen, das dann auch sofort auf Piraterie reagiert. Außerdem müssen die Ermittlungskompetenzen bei Schiffsentführungen im Bundeskriminalamt gebündelt werden.

DIE WELT: Immerhin schickt die Marine eine zweite Fregatte und leitet die Anti-Piraten-Operation "Atalanta" der EU.
Bernhard Witthaut: Sie ist begrenzt. Es muss eine gemeinsame internationale Aktion gegen die Piraterie geben. Derzeit schiebt ein Staat dem anderen die Verantwortung zu.

DIE WELT: Wird die Seepiraterie von anderen Ländern aus gesteuert?
Bernhard Witthaut: Einige Hintermänner scheinen in London und Toronto zu sitzen, die ganz gezielt Schiffe kapern lassen. Es muss eine internationale Strafgerichtsbarkeit geschaffen werden. Ohne diese kommt man bloß an die kleinen Fische heran. In Hamburg sollen nun zehn Somalier verurteilt werden. Für sie ist der Aufenthalt in einem deutschen Gefängnis aber wie für uns Urlaub auf Mallorca

Das Interview in "Die Welt" erschien am 10. August 2011. Das Gespräch führte Welt-Redakteur Martin Lutz.
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