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GdP-Vorsitzender Oliver Malchow zur Diskussion um „zivilen Ungehorsam“:

„Wir sind als Polizisten für die Einhaltung von Recht und Gesetz verantwortlich!“

Berlin.

Ein Antrag der DGB-Jugend führte auf dem DGB-Bundeskongress Mitte Mai 2014 zu einer langen und intensiven Diskussion um Aktionen des zivilen Ungehorsams wie Blockaden gegen Nazi-Aufmärsche. Der Überzeugung der DGB-Jugend, hierbei handele es sich um „legitime Aktionsformen des DGB“, wurden von Seiten der Gewerkschaft der Polizei (GdP) widersprochen. Die GdP erreichte es, dass sich rund 400 Delegierte aus acht Mitgliedsgewerkschaften, die insgesamt über sechs Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer repräsentieren, den rechtspolitischen Positionen der Gewerkschaft der Polizei anschlossen. Oliver Malchow: „Eine solche Überzeugungsarbeit dient auch dem Schutz unserer Kolleginnen und Kollegen. Messlatte für uns und die Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Gewerkschaftsbund bleiben Recht und Gesetz.“

Dem umstrittenen Antrag der DGB-Jugend an den Bundeskongress hatte sich die
Junge Gruppe in der GdP bereits im Vorfeld enthalten. Der Antrag lautete:

„Der DGB sieht Aktionen des zivilen Ungehorsams als legitime Aktionen in
gesellschaftlichen und betrieblichen Auseinandersetzungen an. Der DGB sieht die
aktuellen Blockadeaktionen gegen Naziaufmärsche als eine Form des zivilen
Ungehorsams und als Auftakt einer theoretischen Debatte und praktischen
Auseinandersetzung rund um das Potenzial von Aktionen des zivilen Ungehorsams
für die Entwicklung neuer Arbeitskampfformen und Aktionen in weiteren
gesellschaftlichen Auseinandersetzungen bis hin zum politischen Streik an.
Menschen, die in Folge der Teilnahme an gewerkschaftlichen Aktionen zivilen
Ungehorsams mit der Polizei in Kontakt geraten sind, müssen mindestens bis zur
endgültigen Aufklärung solidarisch unterstützt werden. Der DGB setzt sich dafür
ein, dass diese Diskussion auf einer theoretischen Ebene und anlassbezogen im
DGB geführt wird. Der DGB beteiligt sich aktiv an Gegenprotesten zu Rassisten-
bzw. Neonaziaufmärschen, -Kundgebungen und Ähnlichem. Das Mittel der Blockade
als Form des zivilen Ungehorsams ist dabei eine mögliche Form des Widerstandes.
Der DGB-Bundesvorstand wird aufgefordert, auf eine geschlossene Haltung der
Mitgliedsgewerkschaften bezüglich des Aktionskonsenses bei Demonstrationen auch
und gerade im Zusammenhang mit der GdP hinzuwirken.“

Diesen Antrag hatte die Antragsberatungskommission(ABK) bereits drastisch
gekürzt und dabei bereits problematische Aussagen herausgestrichen.

Doch auch der abgeänderte Vorschlag der ABK fand nicht die Zustimmung der GdP.
Dazu lieferte der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow einen auf dem Kongress
viel beachteten Wortbeitrag, in dem er insbesondere die Bedeutung der
rechtsstaatlichen Verfassung Deutschlands und die gesetzlichen Grundlagen für
das Handeln der Polizei herausstellte. Malchow: “Ich bitte darum, dass ihr
versteht und akzeptiert, dass die Polizei so nicht denken kann.“



Malchows Redebeitrag veranlasste die ABK, eine weitere Änderung vorzuschlagen.
Einstimmig, bei einer Enthaltung beschlossen die Delegierten:

„Der DGB sieht Aktionen des zivilen Ungehorsams als legitime Aktionen in
gesellschaftlichen und betrieblichen Auseinandersetzungen an. Der DGB beteiligt
sich aktiv an Gegenprotesten zu Rassisten bzw. Neonazisaufmärschen,
-kundgebungen und Ähnlichem. Über Aktionen des zivilen Ungehorsams wie etwa den
Einsatz von Blockaden als legitime Aktions- und Kampfform des DGB soll
anlassbezogen im DGB diskutiert und entschieden werden. Menschen, die infolge
der Teilnahme an gewerkschaftlichen Aktionen zivilen Ungehorsams Sanktionen
ausgesetzt sind, werden solidarisch unterstützt. Der DGB Bundesvorstand wird
aufgefordert, einen Prozess des Dialogs über Formen des zivilen Ungehorsams zu
initiieren."

Oliver Malchow: „Es ist also nicht richtig, wie von Seiten einer
Konkurrenzorganisation behauptet, dass der DGB auf seinem Bundeskongress ohne
Gegenstimme beschlossen habe, zivilen Ungehorsam künftig zum Programm zu
machen. Auch ruft er nicht zum zivilen Ungehorsam auf. Wer böswillig versucht,
mehr hinein zu interpretieren, als die Delegierten des Kongresses beschlossen
haben, disqualifiziert sich selbst.“
Redebeitrag des GdP-Bundesvorsitzenden Oliver Malchow vom 13. Mai 2014 zur Antragsberatung um „Aktionen des zivilen Ungehorsams“ beim 20. Gewerkschaftstag des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Berlin

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Oliver Malchow, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Ich danke allen, die vor mir zu diesem Thema gesprochen haben. Ich danke ihnen, weil sie deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass politische Debatten notwendig sind, dass Engagement notwendig ist und dass das, woher wir als Gewerkschaftsbewegung kommen, auch immer etwas mit Grenzüberschreitung zu tun hatte.

Manche Beispiele, die zur Rechtfertigung für zivilen Ungehorsam genannt worden sind, haben glücklicherweise, und zwar auch durch uns selber, nichts mehr mit unserer heutigen Situation hier in Deutschland zu tun. Die Frage, welche Ketten wir sprengen müssen, haben wir hier in Relation zu bringen. Es ist vorhin angedeutet worden, dass die Junge Gruppe sich enthalten und gesagt hat: Okay, wir können anerkennen, dass die anderen Jugendorganisationen diesen Weg gehen. Wir selber können es nicht unterstützen, aber wir erkennen den Weg an.

Wir als Gewerkschaft der Polizei sind vor vielen Jahrzehnten sehr bewusst in den Deutschen Gewerkschaftsbund eingetreten. Wir haben intensivste Diskussionen in unserer Mitgliedschaft geführt und uns war klar, welche Geschichte der DGB und seine Mitglieder haben. Uns war klar, dass es Regelverletzungen und -übertretungen gegeben hat, um die eigenen Rechte durchzusetzen. Wir haben trotzdem gesagt: Wir sind als Polizisten für die Einhaltung von Recht und Gesetz verantwortlich. Das ist unser Auftrag. Wir machen es. Wir haben also bewusst bei unserer Entscheidung, Mitglied in dieser Organisation zu sein, auch dieses Thema im Auge gehabt.

Trotzdem fällt es uns natürlich schwer, Regelverstöße – und darüber rede ich, wenn wir über zivilen Ungehorsam sprechen – als Polizist zu akzeptieren. Das kann ich nicht und das darf ich auch nicht. Ich sage Euch: Wenn Ihr Euch wirklich eine Polizei wünscht, in der ein Polizist für sich als Einzelnen die Regelverstöße akzeptiert und das Werturteil, das ja hinter zivilem Ungehorsam steht, oder die Bewertung von Unrecht für sich als Einzelnen definiert, dann ist es okay, wenn er dann bereit ist, auch die Konsequenzen zu tragen. Aber wer meint, eine Polizei haben zu wollen, die auch eine solche Bewertung vornimmt, dann kann ich nur sagen: Wünscht Euch eine solche Polizei bitte nicht. (Beifall)

Wir als Gewerkschaft der Polizei stehen für eine Bürgerpolizei. Wir wollen beim Bürger sein. Wir wollen durch unsere Mitgliedschaft hier im DGB deutlich machen, dass wir auch Arbeitnehmervertreter sind. Wir wollen durch diese Mitgliedschaft auch deutlich machen, dass wir nicht Staat im Staate sind. Wir wollen Teil dieser Gesellschaft sein. Ich war auch bei vielen Aktionen dabei, wo es zivilen Ungehorsam gegeben hat, allerdings auf der anderen Seite. (Vereinzelt Beifall) Wir mögen das belächeln. Wir können auch sagen "armer Kerl". So ist das auch häufig bei meinen Kolleginnen und Kollegen, wenn sie bei den Demonstrationen stehen und Menschen das Recht gewähren müssen, bei deren Überzeugung wir Krämpfe kriegen, Wutausbrüche haben müssten und so weiter und so fort. Aber diese Emotion dürfen wir nicht haben. Wir dürfen sie nicht haben, weil wir dann unserem Auftrag nicht mehr gerecht werden.

Der Streit um die richtigen Überzeugungen, um die richtigen Ideen, der Meinungsstreit, findet nach den Regeln des Versammlungsgesetzes statt. Da mag es dann auch Blockaden geben. Daran teilzunehmen ist das eine, dazu aufzufordern aber, bringt die Polizei in Handlungszwänge, weil sie nämlich nicht fragen darf, ob die moralische Bewertung des eigenen Handelns okay ist oder nicht. Würde sie es tun, wären wir bei der Polizei, die vor über 80 Jahren nicht nur freundlich, sondern geradezu feindlich gegenüber Gewerkschaftern war. Wie würdet Ihr denn die Diskussion finden, wenn andere, anders als wir Denkende, die Frage von zivilem Ungehorsam für sich formulieren würden? Hier geht es um die Prüfung der Definition, um Antworten auf die Fragen: Was ist es denn? Nur die Blockade? Ist es die Körperverletzung, die Beleidigung, die Bedrohung? Was ist es?

Ich verstehe die Diskussion hier, aber ich bitte darum, dass Ihr versteht und akzeptiert – ich hoffe auch, dass es Ihr eigentlich so wollt –, dass Polizei so nicht denken kann. Wir sind solidarisch mit dieser Organisation und ihren Werten, aber wir vertreten den Rechtsstaat und haben das zu tun, was uns durch Gesetze vorgegeben worden ist. Wir können Gesetze durch Anträge verändern, wir können sagen, dass Blockaden gegen rechte Demos nicht nur nicht verboten, sondern vielleicht gewünscht sind. Das muss dann gesetzlich normiert werden, dann wird auch kein Polizist irgendwelche Probleme damit haben dürfen, weil es dann der gesetzliche Auftrag wäre. Aber sein Auftrag ist ein anderer.

Insofern war ich sehr froh, als ich im letzten Jahr von der IG Metall gebeten wurde, am 1. Mai in Wolfsburg zu reden, als es dort ein Buntes Bündnis gegen rechts geben sollte, um dort die Rolle der Polizei darzustellen. Ich habe dort am 1. Mai vor vielen tausend Kolleginnen und Kollegen geredet, um die Schwierigkeit, aber auch die Zielsetzung von polizeilichem Handeln deutlich zu machen. Ich finde es unerträglich, dass auch Formen des zivilen Widerstandes und des zivilen Ungehorsams zu einer Konfliktlage zwischen Kollegen von ver.di, IG Metall, NGG oder wem auch immer auf der einen Seite und Kollegen der GdP auf der anderen Seite führen und Rechte ganz stramm durch Städte marschieren können. Das finde ich unerträglich. (Beifall) Insofern danke ich der ABK für die Eingrenzung und Euch danke ich fürs Zuhören. (Starker Beifall)


Quellen: Filmmaterial und Rede-Wortlaut mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)
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