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Vorgesehene Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) ist verfassungswidrig

GdP schreibt alle Abgeordneten an.

Berlin.
Mit dem folgenden Brief hat sich die Gewerkschaft der Polizei an die Abgeordneten gewandt.

Der Senat von Berlin hat vor, den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes in das Abgeordnetenhaus von Berlin einzubringen. In Artikel I des vorgenannten Gesetzes soll nach dem Willen des Senates von Berlin ein Satz 3 mit folgender Formulierung angefügt werden:

„Dienstkräfte der Polizei mit der Befähigung für eine Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes, die zu einem späteren Zeitpunkt in ein Beamtenverhältnis übernommen werden sollen, kann der Polizeipräsident polizeiliche Aufgaben und die Ausübung polizeilicher Befugnisse durch Verwaltungsanordnung übertragen.“

Die Gewerkschaft der Polizei möchte Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, dass diese Gesetzesänderung verfassungswidrig ist. Artikel 33 Abs. 4 Grundgesetz bestimmt, dass die Ausübung hoheitlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Zwar ist es im Allgemeinen eine Sache des freien Ermessens des Staates, wie er seine öffentlichen Aufgaben erledigen lassen will, jedoch gilt dies freilich nur bis zu einem gewissen Grade in Bezug auf Eigenart und Gewicht der einzelnen Aufgabe selbst.

Der Begriff des öffentlichen Dienstes im Sinne des Art. 33 Abs. 4 GG ist wesentlich enger als das, was im geschriebenen allgemeine funktionellen Sinne als öffentlicher Dienst verstanden wird. Er ist auch enger als das, was gemeinhin im Sprachgebrauch als öffentlicher Dienst (Beamte, Angestellte und Arbeiter im Staatsdienst) bezeichnet wird. In Art. 33 Abs. 4 GG ist das Berufsbeamtentum gemeint, wie sich aus dem Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 5 GG ergibt. Denn Artikel 33 Abs. 4 GG enthält zusammen mit Ar. 33 Abs. 5 GG eine Garantie des Berufsbeamtentums als Institution.

Das Grundgesetz in seiner derzeitigen Fassung sieht im Berufsbeamtentum eine Institution, die gegründet auf Sachwissen, fachliche Leistung und loyale Pflichtenerfüllung eine stabile Verwaltung sichern und damit einen ausgleichen Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften darstellen soll (BVerfGE 7,162).

Dementsprechend soll nach Art. 33 Abs. 4 die dauernde Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse in der Regel Beamten und nicht Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes übertragen werden. Soweit hoheitliche Befugnisse in größerem Umfang auf Nicht- Beamte übertragen werden, ist dies mit dem Grundgesetz nicht vereinbar (BVerfGE 9,284).

Die Senatsvorlage zur Änderung des ASOG spricht aber zum einen von Dienstkräften der Polizei mit der Befähigung für eine Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes, die zu einem späteren Zeitpunkt in ein Beamtenverhältnis übernommen werden und meint damit eben Arbeitnehmer, denen der Polizeipräsident in Berlin polizeiliche Aufgaben und die Ausübung polizeilicher Befugnisse durch Verwaltungsanordnung übertragen will. Die Senatsvorlage enthält aber keinerlei zeitliche Beschränkung einer solchen Befugnisübertragung auf Arbeitnehmer.

Insoweit werden hoheitliche Befugnisse in größerem Umfang und auf Dauer auf Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes übertragen.

Das ist eindeutig verfassungswidrig.

Innerhalb der derzeit geführten Diskussion um das „Teilzeitparlament“ Abgeordnetenhaus und die Schaffung professionellerer Strukturen, das in der Lage ist, die Verwaltung effektiver zu kontrollieren, möchten wir mit unseren Ausführungen Ihre Aufmerksamkeit auf den offensichtlich verfassungswidrigen Gesetzesentwurf der Landesregierung zur Änderung des ASOG lenken. Wir dürfen die Erwartung aussprechen, dass Sie als frei gewählter Abgeordneter eines Landesparlamentes unseren Hinweisen nachgehen und den Gesetzesentwurf des Senats von Berlin zum allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz einer kritischen Prüfung unterziehen und ihn ablehnen. Die Glaubwürdigkeit der politischen Institutionen hat in den Augen der Berlinerinnen und Berliner in der Vergangenheit durch die bekannten Vorfälle schon stark gelitten. Der Verfassungsbruch des Regierenden Bürgermeisters als amtierender Bundesratspräsident und die mehrheitliche Zustimmung des Abgeordnetenhauses zum verfassungswidrigen Haushalt des Landes Berlin haben das Vertrauen in die rechtmäßige Ausübung der Pflichten von Legislative und Exekutive nicht gerade gestärkt.

Ein verfassungswidriges Gesetz über die Möglichkeit der Ausübung hoheitlicher Maßnahmen bis hin zum Schusswaffengebrauch durch angestellte Polizisten würde das Vertrauen in die Arbeit unseres Parlaments vollends zerstören.

Wir schreiben Ihnen diesen Brief zum jetzigen Zeitpunkt, damit Sie vor Beginn der parlamentarischen Beratungen unsere Rechtsauffassung kennen und die auf Sie zukommende Verantwortung wahrnehmen können.
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