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Amtsangemessene Alimentation – Klagen oder nicht?

Unser Mann in Sachen Rechtsfragen - GdP-Büroleiter Thomas Woelke. Foto: Benjamin Jendro

Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit einigen Wochen kursieren anwaltliche Beratungsschreiben, in denen auf die Notwendigkeit einer einzureichenden Klage hingewiesen wird. Diese soll für die Berücksichtigung bei späteren Nachzahlungen nötig sein, sofern das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hinsichtlich einer verfassungswidrigen Besoldung in Berlin positiv entscheidet. Bezuggenommen wird u. a. auf die Entscheidungsbegründung des BVerfG vom 23.05.2017 (BVerfGE 2 BvR 883/14, 905/14). Der Zweite Senat des BVerfG hatte in seinem Beschluss (aaO. Rz. 124) erklärt: „Eine rückwirkende Behebung ist jedoch sowohl hinsichtlich der Klägerin des Ausgangsverfahrens als auch hinsichtlich etwaiger Kläger erforderlich, über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist.“ Aufgrund des Wortlauts, der sich hier allein auf Klägerinnen und Klägern bezieht, wird darauf geschlossen, dass die Erhebung einer Klage erforderlich ist, wenn man bei einem positiven Verfahrensausgang von einer etwaiger Nachzahlung profitieren möchte.

Eine allgemeine für alle Beamtinnen und Beamten des Landes Berlin geltende rückwirkende Behebung eines Verfassungsverstoßes wird es sicherlich nicht geben. Dem hat auch das BVerfG schon eine Absage erteilt (BVerfG, Urteil vom 05.05.2005 – 2 BvL 17/09, Rz. 195). Offen ist daher, ob auch Widerspruchsführerinnen und -führern, deren Verfahren aktuell ausgesetzt sind und bei denen das Land auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat, hiervon profitieren. Mit der Klassifizierung von etwaigen Klägern, „über deren Anspruch noch nicht abschließend entschieden worden ist“, bleibt derzeit offen, ob allein die (zeitnahe) Einlegung eines Widerspruchs gegen eine Besoldungsmitteilung für einen Rechtsanspruch auf rückwirkende Nachzahlungen analog zu Beamtinnen und Beamten, die sich bereits im Klageverfahren befinden, ausreicht. Das Rundschreiben der Senatsverwaltung für Finanzen vom 08.08.2018 (vgl. Rundschreiben IV Nr. 33/2018) positioniert sich hier nicht eindeutig. Danach kann keine Vorhersage darüber getroffen werden, wie die Senatsverwaltung mit einer für das Land nachteiligen Entscheidung des BVerfG umgehen wird.

Mit Blick auf vorherige gerichtliche Entscheidungen gehen wir davon aus, dass es sich hier um eine unbeabsichtigte Formulierungslücke des BVerfG handelt. Bereits in einem Beschluss im November 1998 zur Mindestalimentation kinderreicher Familien hat der Zweite Senat des BVerfG wie folgt begründet: „Die rückwirkende Korrektur habe sich auf solche Beamte beschränken können, die ihren Anspruch auf amtsangemessene Alimentation zeitnah, also während des laufenden Haushaltsjahres, gerichtlich oder durch Widerspruch geltend gemacht hätten.“ (Vgl. BVerfGE 99, 300 (330)) Es ist kein sachlicher Grund erkennbar, Kläger und Widerspruchsführer, die jeweils zeitnah der Höhe ihrer Besoldung widersprochen haben, und deren Ansprüche aufgrund einer eingelegten Klage oder aufgrund eines Einredeverzichts auch noch nicht verjährt sind, unterschiedlich zu behandeln. So sieht es auch der Landesverband Berlin des Deutschen Richterbundes. Warum es gerade einer gerichtlichen Geltendmachung bedarf und ein Widerspruch nicht ausreichend sein sollte, ließe sich der Entscheidung nicht entnehmen (Votum des Deutschen Richterbundes, Nr. 4/18, S. 9).

Wir unterstützen finanziell Verfahren, die aktuell dem BVerfG zur Entscheidung (BVerfG 2 BVL 4-9/18) vorliegen. Der Prozessbevollmächtigte hat in einem von uns finanzierten Begleitschreiben zum Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) diese Problematik aufgeworfen und darauf verwiesen, dass die unterschiedliche Behandlung der Beamtinnen und Beamten dem Fürsorgegrundsatz schon deshalb widerspricht, weil das Land Berlin seine Betroffenen hierüber im Unklaren lässt. Wir möchten aber darauf hinweisen, dass sich in diesem Fall keine klare Aussage treffen lässt. Wir sehen die Notwendigkeit einer einzureichenden Klage derzeit nicht gegeben. Deshalb wird auch der Rechtschutz für Klageverfahren versagt. Wer diese Unklarheit scheut und seine etwaigen Ansprüche auf Nachzahlung der Besoldung nicht gefährden möchte, sollte klagen. Er sollte sich aber über die damit verbundenen Kosten im Klaren sein.

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