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Grundrechte schützen für Hungerlohn – Berlins Bereitschaftspolizisten leisten Überstunden für rund 7,50 Euro

Weit mehr als 300.000 Überstunden – GdP fordert zusätzliche Bezahlung für Alarmierungen

Ständig im Einsatz - Berlins Bereitschaftspolizisten. Foto: Spreepicture

Berlin. Bis zum 31. Dezember 2017 haben Berlins Bereitschaftspolizisten 327.309,39 Überstunden angehäuft. Damit stieg der Wert gegenüber dem Vorjahr nochmals um mehr als 43.000. Die offiziellen Zahlen des Berliner Senats sind die Antwort auf eine schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD). Sie zeigen das enorme Arbeitspensum und belegen die vielfach zitierte GdP-Redewendung, dass die Kolleginnen und Kollegen gar nicht mehr aus den Stiefeln herauskommen. Die Situation erscheint in einem noch dunkleren Gesamtbild, wenn man die erbrachte Leistung dem Lohn gegenüberstellt.

290 Stellen unbesetzt – 327.309 Überstunden

„Die Überstunden offenbaren die Folge eines immer kleiner werdenden Personalbestands bei steigender Belastung. Die Bereitschaftspolizei hat sich zu einem Personalpool entwickelt, aus dem andere Dienststellen und Aufgaben bestückt werden. Irgendwann ist das Wasser mal alle“, so Stephan Kelm, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Der frühere Hundertschaftsführer verweist auf einen weiteren Bestandteil der Anfrage Schreibers. Dieser folgend sind aktuell 290 Stellen bei den drei Bereitschaftspolizeiabteilungen nicht besetzt. Noch in diesem Jahr soll eine weitere Einsatzhundertschaft (Ehu) gegründet werden. Mit welchem Personal, ist unklar. Oftmals fahren Berlins Ehus mit nur noch 60 anstatt der vorgesehenen 100 Beamten zum Einsatz. Da die Einsatzzahlen zunehmen, lagen die auszahlbaren A-Stunden Ende 2017 bereits bei 111.648,01, die nur in Freizeit abzugeltenden B-Stunden bei 215.661,38. Kelm: „Unsere Kolleginnen und Kollegen kommen kaum dazu, die Überstunden in für sie tragbare Freizeit abzugelten. Sie sich auszuzahlen zu lassen, macht wenig Sinn, weil das nach Abzügen einem Hungerlohn gleicht. Uns ist klar, dass wir Staatsbesuche nicht absagen können und wir zum Glück in einem Land leben, in dem Grundrechte wie die Demonstrationsfreiheit geschützt werden. Wenn man aber dadurch ständig privat zurückstecken muss, sollte man wenigstens angemessen bezahlt werden. Schauen wir doch mal in den TVÖD, wie man dort zum Beispiel bei Ärzten mit Alarmierungen in Rufbereitschaften umgeht!“

Alarmierungen steigen weiter – GdP fordert finanzielle Aufschläge

In der Tat bekommen Berlins Bereitschaftspolizisten zwar eine zusätzliche Vergütung für Dienst zu ungünstigen Zeiten, in den Nachtstunden, an Feier- und Wochenendtagen. Fällt ein kurzzeitig anfallender Einsatz wie der Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu letzte Woche aber auf einen Wochentag, sind es netto für eine/n Polizeiobermeister/in rund 7,50 Euro. Das ist der Lohn für diejenigen, die immer öfter erst am Tag vorher erfahren, dass sie am nächsten Morgen statt um 6 Uhr um 3 Uhr antreten müssen oder ihr freier Tag gestrichen wurde. „Ihr Einsatz und die damit verbundenen privaten Opfer stehen in keinem Verhältnis zum Lohn. Wir werden das aufgrund des Personaldefizits in den nächsten Jahren kaum verändern können. Also müssen wir über finanzielle Entschädigungen reden. Wir halten 20 % Aufschlag für eine Dienstzeitverlagerung und Alarme sowie 50 % Aufschlag für einen Freizeitalarm für angemessen. Außerdem brauchen wir eine feste Zulage von 100 Euro für die Bereitschaftspolizei und die Alarmhundertschaften in den örtlichen Direktionen, weil auch sie immer mehr kurzfristige Einsätze haben“, so Kelm. Von Januar bis Mai 2018 kam es bei der BePo zu insgesamt 186 Alarmen (Vorjahreszeitraum: 184), die letztlich für einen Großteil der Überstunden verantwortlich sind. Zwar konnten die Dienstantritte gemäß Dienstplan mit Alarm (mehr als drei Stunden Verschiebung) auf 130 gesenkt werden (Vorjahreszeitraum: 141), die Dienstantritte mit Dienstzeitverlagerung (DzV, weniger als drei Stunden Verschiebung) stiegen aber auf 254 (Vorjahreszeitraum: 228). Noch schwerwiegender sind die bisherigen 56 Freizeitalarme (Vorjahreszeitraum: 43), in denen die Kolleginnen und Kollegen an einem eigentlich dienstfreien Tag in den Dienst gerufen werden. „Es reden immer alle von der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege. Mir muss mal bitte jemand erklären, wie man ein ordentliches Familienleben führen soll, wenn man ständig geplante Ausflüge, Geburtstagsfeiern oder andere Termine eines normalen Menschenlebens absagen muss“, so Kelm abschließend.

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