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Polizeieinsatz zur NPD-Demo am 15.09.2012

Offener Brief

Potsdam.

Politische Versäumnisse dürfen nicht länger auf dem Rücken der Polizei ausgetragen werden!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Gewerkschaft der Polizei hat bereits 1994 auf ihrem Bundeskongress in Dresden gefordert, neonazistischen Bestrebungen die verfassungsrechtlichen Grundlagen zu entziehen. Unsere Initiative stieß auf viel Sympathie und Beifall, aber die Politik hatte nicht den Mut, diesen gemeinsamen Weg mit uns zu gehen. Als Grund dafür wurden rechtsstaatliche Bedenken angegeben.

Das ist nun schon 20 Jahre her und die Politik ist weiterhin nicht in der Lage, diese gewerkschaftspolitische Forderung, die auch breiter Wille der Bevölkerung in Deutschland ist, umzusetzen. Man hat es weder geschafft, eine Grundgesetzänderung vorzunehmen, noch ein rechtsstaatliches NPD-Verbotsverfahren durchzusetzen.

Gleichzeitig haben die zuständigen Parlamente die Meinungs- und Versammlungsfreiheit als verfassungsrechtlich hohes Gut gesetzlich untersetzt und geschützt. Die Politik hat dieses beschlossen und die Polizei hat den Auftrag, das umzusetzen.

Im Ergebnis des politischen (!) Scheiterns, die Verbreitung neofaschistischen Gedankengutes gesetzlich zu verbieten, wird dann die Gewerkschaft der Polizei auf das Heftigste kritisiert, wenn wir einfordern, dass politisch beschlossenes Versammlungsrecht umgesetzt wird.

Die Polizei ist ausschließlich dem Recht und Gesetz verpflichtet. Jeder Beamte hat darauf seinen Eid geleistet. Die Polizei ist keiner politischen Partei oder politischen Richtung verpflichtet. Im Gegenteil; wir haben parteipolitisch unabhängig und allein auf Grundlage der Verfassung und der geltenden Gesetze zu agieren.

Wenn dann ein Verwaltungsgericht eine NPD-Demo mit Auflagen genehmigt, muss, ob sie es will oder nicht und wie der einzelne Beamte politisch darüber denkt, die Polizei diese genehmigte Demonstration durchsetzen. Es sei denn, der so genannte Polizeinotstand steht dem entgegen.

Höchstrichterliche Rechtsprechung hat eindeutig festgelegt, dass Verhinderungsblockaden gesetzlich nicht zulässig sind. Im Rahmen von Spontandemonstrationen kann es zu zeitlich begrenzten Blockaden kommen, um den politischen Willen der Gegendemonstranten zu untersetzen.

Die Gewerkschaft der Polizei hat dieses sehr deutlich im Rahmen der Diskussion zum umstrittenen Polizeieinsatz vom 24.09. 2011 in Neuruppin vorgebracht (Info vom 21.10.2011). Das fand u. a. die klare Zustimmung des Justizministers.

Die letzten NPD-Demos in Brandenburg und zuletzt konkret in Potsdam haben jedoch gezeigt, dass Versammlungsrecht in Brandenburg nicht konsequent umgesetzt, sondern politisch "gelebt" wird.

Polizeipräsident Arne Feuring bringt in einem Brief an seine Mitarbeiter zum Ausdruck, dass das Versammlungsrecht nicht nur für die eine, sondern auch für die andere Seite gilt. Das ist korrekt! Er weiß natürlich auch, wie versammlungsrechtlich eine nicht verbotene Demonstration und ggf. Spontandemonstrationen zu bewerten und polizeilich zu begleiten sind.

Der Gewerkschaft der Polizei in diesem Zusammenhang Polemik zu unterstellen, ist mehr als bedenklich. Befremdlich ist für uns, wenn eingesetzten Polizeibeamten die Fähigkeit einer korrekten Auslegung des Versammlungsrechtes abgesprochen wird. Für die Gewerkschaft der Polizei sind kritische Bewertungen eines Gruppenbeamten bis hin zum Hundertschaftsführer ebenso relevant wie die Auffassung des jeweiligen Einsatzführers. Alle sind im Versammlungsrecht ausgebildet und wollen dies zu Recht auch konsequent umsetzen.

In einem geben wir natürlich dem Polizeipräsidenten Recht, der Gruppenbeamte und auch die Vorgesetzten können nicht wissen, was in Brandenburg politisch gewollt ist; unsere Brandenburger Kolleginnen und Kollegen nicht und erst recht nicht unsere Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bundesländern. Aber es ist auch nicht Aufgabe der Polizei, Politik umzusetzen, sondern Recht und Gesetz.

Wie bewertet man den so genannten zivilen Ungehorsam z.B. wenn Flughafengegner die Zufahrten zum Flughafen blockieren? Oder Braunkohlekraftgegner in Castor-Manier die Gleise zu den Tagebauen besetzen usw.. Dann steht nämlich dieser zivile Ungehorsam den politischen Interessen der in Regierungsverantwortung befindlichen Parteien entgegen. Wir dürfen auf die Reaktionen und Diskussionen gespannt sein, wenn dann Politik unter Einsatz der Polizei konsequent Versammlungsrecht umsetzt und ggf. räumt.

Die Gewerkschaft der Polizei vertritt konsequent die Interessen ihrer Mitglieder, den Polizistinnen und Polizisten und Tarifbeschäftigten. Wir vertreten keine parteipolitischen Interessen.

Häufig genug werden gegen unsere Kolleginnen und Kollegen Disziplinar- oder Strafverfahren eröffnet, wenn z.B. eine Anzeige wegen Strafvereitlung im Amt vorliegt. Da wird den Kolleginnen und Kollegen unterstellt, man hätte weggesehen und nicht konsequent nach Recht und Gesetz gehandelt. Kein Politiker sagt dann, das sei alles halb so schlimm. Da fordert man zu Recht das Legalitätsprinzip ein.

Die Gewerkschaft der Polizei fordert erneut mit Nachdruck die Politik auf, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, dass neofaschistisches Gedankengut auch in Brandenburg nicht verbreitet werden kann und damit die Polizei auch die erforderliche Grundlage hat, dieses zu verhindern.

Diese Schwarze-Peter-Politik (die Politik schafft nicht die rechtlichen Grundlagen und macht die Polizei damit zum Sündenbock) muss endgültig ein Ende haben.

Politische Versäumnisse dürfen nicht länger auf dem Rücken der Polizei ausgetragen werden.

Ich appelliere an alle Verantwortlichen, endlich in diesem Sinne ZU HANDELN und nicht über weitere öffentliche Reaktionen den neonazistischen Kräften unnötiges und ungerechtfertigtes Gewicht zu geben.

Andreas Schuster

Landesbezirksvorsitzender der GdP

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