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CDU und Innere Sicherheit in Brandenburg

Schreiben der GdP

Potsdam.

Im Vorfeld des CDU-Parteitages am 21.05.2005 wandte sich die Gewerkschaft der Polizei an den CDU-Vorsitzenden und Innenminister Jörg Schönbohm. Sie forderte ihn auf, endlich die brennenden Fragen in der Polizei des Landes Brandenburgs -insbesondere zum bevorstehenden zusätzlichen Stellenabbau- zu beantworten.

Unser Schreiben vom 19.Mai 2005:

Innenpolitisches Profil der CDU

Sehr geehrter Herr Landesvorsitzender, sehr geehrter Herr Innenminister,

Sie haben mich zu Ihrem 18. Landesparteitag am 21.05.2005 eingeladen. Ich nehme diese Einladung gern an.

Ihr Parteitag wird sicherlich geprägt von der unmittelbar bevorstehenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Dies ist verständlich vor dem Hintergrund, dass das Ergebnis dieser Landtagswahl langfristige Auswirkungen auf den Einfluss Ihrer Partei in der Bundespolitik haben wird.

Ich möchte jedoch nicht über die Ergebnisse von Wahlen spekulieren. Ich möchte Sie auffordern, klare Aussagen zum Thema Innere Sicherheit in Brandenburg zu treffen.

Es ist richtig, dass in 2004 die Straftaten in Brandenburg um 2,5 % zurückgegangen sind und gleichzeitig die Aufklärungsquote auf 58,6 % erhöht werden konnte.

Dies ist in erster Linie der engagierten Arbeit von gut ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen zu verdanken.

Im Regierungsprogramm der CDU Brandenburg 2004 bis 2009 trifft Ihre Partei folgende Aussagen:

„Innere Sicherheit verträgt keine Experimente. ... Wir wollen, dass junge und ältere Bürger in Brandenburg ohne Angst vor Gewalt und Verbrechen leben können. Wir wollen, dass sie sich zu jeder Tages- und Nachtzeit sicher fühlen.“

Im Bericht der Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Landtag Brandenburg auf dem 17. Parteitag der CDU betonte Frau Blechinger, dass es ein Grundrecht der Menschen ist, in Sicherheit zu leben. Sicherheit ist für sie eine Voraussetzung für Freiheit.

In Ihrem Wahlprogramm fordern Sie weiterhin u. a.:
  • Null Toleranz gegenüber Gewalt und Verbrechen
  • Erhöhung der Polizeipräsenz
  • Verschärfte Bekämpfung von Graffiti-Schmierereien
  • Ausbau der Sicherheitspartnerschaften zwischen den Schulen und der Polizei
  • Verbesserte Verkehrserziehung
  • Keine Macht den Drogen (verstärkte polizeiliche Kontrollen gegen Drogenhandel)
  • Verstärkte Bekämpfung der organisierten Kriminalität
  • Politischen Extremismus weiterhin entschlossen bekämpfen

    Obwohl das Thema Innere Sicherheit in Ihrem Wahlprogramm aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei deutlich untergewichtet gegenüber den Bereichen Arbeitsmarkt und Bildungspolitik war, sind die o. g. Aussagen klar und eindeutig.

    Die Frage ist, mit wem wollen Sie diese Ziele erreichen?

    Die Brandenburger Landesregierung hat –auch mit Ihrer Stimme- beschlossen, bis 2009 weitere 585 zu den bereits beschlossenen 725 Stellen im Bereich der Polizei abzubauen.

    Das bedeutet, dass die Rot-Schwarze Landesregierung in zwei Wahlperioden fast 14 % des Personals in der Polizei abbaut.

    Die Polizeireform 2002 war ausschließlich vom beschlossenen Stellenabbau von 725 Stellen diktiert. Diese politische Vorgabe wurde durch keine Aufgabenkritik untersetzt. Allein durch Strukturveränderungen sollte dieser Stellenabbau kompensiert werden. Nachweisbar wurden alle 4 Reformziele glatt verfehlt.

    Im Kabinettsbeschluss von Februar 2005 wurden die Einsparverpflichtungen nun deutlich erhöht. Die Auswirkungen haben wir versucht, in einer Anhörung im Ausschuss für Inneres aufzuzeigen. Diese Anhörung endete mit einem Eklat; verursacht durch den Generalsekretär Ihrer Partei, Herrn Petke.

    Sie waren im Rahmen der Polizeireform 2002 der Auffassung, dass mit den 725 Stelleneinsparungen die Polizei ihre Vorleistung erbracht hätte. Dies war ein politischer Irrtum.

    Ihr Ministerium stellt fest, dass die erneuten Sparvorgaben die äußerste Grenze des Vertretbaren und Realisierbaren sind.

    Wir sind der Auffassung, dass mit diesen Sparvorgaben die Grenze des Vertretbaren und Realisierbaren deutlich überschritten wurde. Die Einsparverpflichtungen bedeuten einen Abbau von Innerer Sicherheit in Brandenburg.

    Jetzt herrscht in der gesamten Polizeiführung allgemeine Ratlosigkeit. Egal mit wem man spricht, keiner weiß, wie bis 2009 der Wegfall von 910 Stellen zu kompensieren ist.

    Herr Staatssekretär Lancelle äußerte in der Öffentlichkeit, dass dieser Stellenabbau erfolgt, ohne dass der Bürger es merken würde. Ich möchte hier nicht wiedergeben, wie diese Aussage in der Polizei kommentiert wurde.

    Fakt ist, dass ein Stellenabbau in der Verwaltung unmöglich ist. Bereits seit Jahren wird kein Arbeiter oder Angestellter eingestellt, um allein den altersbedingten Stellenabbau zu kompensieren. Die Folge ist, dass Polizeivollzugsbeamte Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (nur ein Beispiel zum Thema „Mehr Grün auf der Straße“).

    Wenn also in der Verwaltung nicht abgebaut werden kann, stellt sich die Frage - wo dann? Sie haben zwei Prämissen gesetzt; zum einen zur Anzahl der Polizeipräsidien und zum anderen zur Anzahl der Schutzbereiche. Alles andere ist nach Ihrer Vorgabe strittig gestellt.

    Unsere Kolleginnen und Kollegen stellen sich jetzt folgende Fragen:

    1. Sie legten im Landtagswahlprogramm 2004 – 2009 den Aufbau einer Autobahnpolizei mit 325 Stellen fest. Bereits 2 Jahre später wird die Stärke der Autobahnpolizei oder ggf. sogar ihre Auflösung diskutiert.

    Wie soll dann verstärkte Überwachung auf der Autobahn erfolgen?

    2. Die Stärke unserer Bereitschaftspolizei ist im Rahmen des Bund-Länder-Abkommens abgestimmt. Eine Reduzierung um eine Hundertschaft würde es uns unmöglich machen, Polizeieinsätze auf Abteilungsebene umzusetzen. Wir wären bei Großeinsätzen verstärkt auf die Hilfe anderer Bundesländer angewiesen, was wieder mehr Ausgaben bedeutet. Gleichzeitig können wir andere Bundesländer weniger unterstützen, was Einnahmeverluste zur Folge hat. Auch muss gefragt werden, wie bei einer evtl. Reduzierung der Anzahl der Hundertschaften die Unterstützungseinsätze (die „lebensnotwendig“ für die Schutzbereiche sind) zukünftig realisiert werden?

    3. Der gesamte Bereich der Prävention wurde strittig gestellt. Noch in Ihrem Wahlprogramm war dies ein Schwerpunkt der weiteren Entwicklung. Erfolge durch Prävention sind sicherlich nicht zahlenmäßig messbar. Aber Prävention ist eine der wichtigsten Aufgaben der Polizei.

    Wie soll Verkehrs- oder Kriminalprävention an Kindertagesstätten, Schulen oder Jugendeinrichtungen realisiert werden, wenn gleichzeitig deutlich Personal in diesem Bereich abgebaut wird?

    4. Brandenburg ist ein Flächenland. Die Bürger können erwarten, dass sie in einem angemessenen Maße im Straßenbild Polizei wahrnehmen und dass sie eine Polizeidienststelle in vertretbarer Entfernung erreichen. Bereits jetzt kann in zahlreichen Wachen der Dienstbetrieb nur in Mindestschichtstärke abgesichert werden.

    Wie soll den berechtigten Erwartungen der Bürger entsprochen werden, wenn gleichzeitig Polizeiwachen geschlossen bzw. in Tageswachen umgewandelt werden?

    5. Im Wahlprogramm fordern Sie zu Recht den Ausbau des Wassertourismus. Gleichzeitig wurden die Wasserschutzpolizeistationen den Schutzbereichen angegliedert. Auch steht die Anzahl der Stationen vor dem Hintergrund des Personalabbaus zur Disposition.

    Wie soll der Wassertourismus ausgebaut werden, wenn gleichzeitig polizeiliche Präsenz auf schiffbaren Wasserstraßen (Brandenburg hat die meisten schiffbaren Wasserstraßen der Bundesrepublik) nicht gewährleistet werden kann?

    Die Palette der Fragen könnte deutlich erweitert werden. Keiner kann die Frage beantworten, wie der Stellenabbau kompensiert werden kann. Aber alle wissen, dass er kommt.

    Dieser Stellenabbau wird eine erneute Polizeireform zur Folge haben.

    Auch der Hinweis auf das Seitz-Gutachten, mit dem zu gern seitens der Politik der Stellenabbau begründet wird, ist falsch. Mit Schreiben vom 3.Februar 2003 hat Ihr Ministerium gemeinsam mit der GdP wesentliche Punkte des Seitz-Gutachtens widerlegt.
    Falsch ist auch Ihre Erwartung, dass allein durch technische Innovation das fehlende Personal kompensiert werden kann; dies auch vor dem Hintergrund, dass in der Haushaltsgruppe 8 –Investitionen- 8 Mio. Euro gestrichen wurden. Technische Innovationen werden so in Frage gestellt. Z.B. ist Brandenburg allein in der Einführung des dringend erforderlichen Vorgangsbearbeitungssystems bundesweit Schlusslicht.

    Wir möchten Sie auffordern, den Bürgerinnen und Bürgern im Klartext zu sagen, wo wir Innere Sicherheit nicht mehr im bekannten Maße gewährleisten können. Der Polizei müssen Sie sagen, welche Aufgaben wir zukünftig nicht mehr wahrnehmen werden.

    Sie haben im Kabinett diesem Stellenabbau zugestimmt und Sie müssen politisch entscheiden, welche Organisationsveränderungen dessen Folge sind. Nach Ihren eigenen Vorgaben soll dieses im Juni 2005 geschehen.

    Diese Fragen müssen vor allem vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass es offensichtlich über 2009 hinaus einen weiteren Stellenabbau gibt. Finanzminister Rainer Speer hat es in einem Interview mit der Märkischen Oderzeitung sehr deutlich gesagt. Der Koalitionsausschuss hat ihm einen so genannten „Maulkorb“ verpasst; jedoch wäre dies nicht mehr notwendig gewesen. Finanzminister Speer hat das Thema öffentlich gemacht und jetzt – auch wenn sich kein Minister mehr dazu äußert – wird dieses überall in der Polizei diskutiert.

    Der Koalitionsausschuss hätte das Thema beenden können, wenn er klar zum Ausdruck gebracht hätte, dass es keinen weiteren Stellenabbau über 2009 hinaus gibt. Er hat aber nur gesagt, dass dazu erst mit den Haushaltsverhandlungen 2007/2008 diskutiert wird. Damit ist jedem klar, dass es zu einem weiteren Stellenabbau kommt.

    Ich möchte in diesem Schreiben ein letztes Thema ansprechen. Sie haben in Ihrem Wahlprogramm gefordert, die Abwanderung junger Menschen aus Brandenburg zu stoppen, indem sichere Ausbildungsplätze geschaffen werden. Gleichzeitig hat die Brandenburger Landesregierung mit Ihrer Stimme beschlossen, in den nächsten 2 Jahren 460 Ausbildungsplätze in der Polizei zu streichen. Zeitgleich geben Sie mindestens 46 Mio. Euro aus, um eine neue Fachhochschule der Polizei in Oranienburg präsentieren zu können.
    Die Halbwertzeit ihres eigenen Wahlprogramms ist offensichtlich sehr gering.

    Das Vertrauen der Brandenburger Polizei in das innenpolitische Profil der CDU ist deutlich gesunken; ebenso auch die Motivation in der Polizei durch die Einsparbeschlüsse der Landesregierung. Eine Kurskorrektur ist dringend erforderlich. 58,6 % Aufklärungsquote bedeuten eben auch 41,4 % nicht aufgeklärte Straftaten.

    Ihr Landesparteitag bietet eine gute Möglichkeit, die offenen Fragen zu diskutieren und die notwendigen Antworten zu geben.


    Mit freundlichen Grüßen
    Der Vorstand

    i. A.


    Andreas Schuster
    Landesbezirksvorsitzender
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