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Gewerkschaft der Polizei zur Zolljahrespressekonferenz am 23.05.2023

Deutschland braucht einen starken Zoll mehr denn je

Lindners BMF ist beim Zoll auch Polizeiministerium

Foto: GdP (DB)
Berlin/Hilden/Hamburg.

Sparen und Billiglösungen bestimmten in den letzten Jahrzehnten im Zoll die Politik des Bundesministeriums der Finanzen (BMF). Bis heute fehlt es im Zoll an allen Enden und Ecken.“

Die anhaltende Kokainschwemme bei der Betäubungsmittelkriminalität sowie Tabak- oder Arzneimittelschmuggel, Außenwirtschaftskriminalität, Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Marken- und Produktpiraterie aber auch massive Lohnprellung bis hin zu menschenverachtender Ausbeutung, Zwangsarbeit und üblem Menschenhandel sind zahlreiche Delikte, die der Zoll mit ganzer Kraft bekämpfen muss. Diese Delikte ragen oft weit in den Bereich der Organisierten Kriminalität und ermöglichen es den international aufgestellten Tätergruppen, millionenschwere illegale Gewinne zu erlangen. Entsprechend professionell müsste der Zoll strategisch ausgerichtet, personell und organisatorisch aufgestellt und sachlich ausgerüstet sein. „Weit gefehlt“, sagt Frank Buckenhofer von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Sparen und Billiglösungen bestimmten in den letzten Jahrzehnten im Zoll die Politik des Bundesministeriums der Finanzen (BMF). Bis heute fehlt es im Zoll an allen Enden und Ecken.“

Der Zoll hält sich, trotz dieser bedeutenden Aufgaben in der deutschen Sicherheitsarchitektur, seit Jahrzehnten in einem parlamentarischen Schatten auf und fristet deshalb ein Nischendasein. Der Finanzausschuss im Bundestag fühlt sich nicht wirklich als wichtiger Polizeiausschuss für Kriminalitätsbekämpfung und der dafür verantwortliche Innenausschuss ist für den Zoll nicht zuständig. Kaum einer weiß zudem, was der Zoll alles macht. Dass der Zoll z.B. Finanz- und Polizeibehörde zugleich ist und nicht nur Steuern und Zölle einnimmt, sondern eben auch internationale Verbrecher jagt, ist vielen gar nicht richtig bewusst. Und weil der Zoll nicht so eng durch die Politik begleitet wird – wie beispielsweise BKA, Bundespolizei oder Bundeswehr – hat sich im politischen Schatten beim Zoll eine vollkommen untaugliche aber sehr teure „Patchworkorganisation“ entwickelt. So sind z.B. alle relevanten polizeilichen Einheiten des Zolls fein säuberlich voneinander getrennt. Dadurch haben sich – statt schneller und effektiver polizeilicher Melde- und Befehlswege für alle Kontroll-, Fahndungs- und Ermittlungseinheiten – wasserkopflastige Doppel- und Dreifachstrukturen etabliert. Eine schnelle und polizeifachliche kluge strategische Ausrichtung auf sich eilig wandelnde Kriminalitätsphänomene ist so kaum möglich.

Auch der Bürger weiß am Ende gar nicht, welche „Art“ von Zollbeamten ihm mit welchem Auftrag und welchen Befugnissen gegenübersteht. Selbst die Zusammenarbeitsbehörden von Polizei, Justiz und Finanzverwaltungen blicken nur selten durch das Chaos in den Organigrammen, sachlichen und örtlichen Zuständigen unterschiedlichster Zollbehörden durch.

„Lindner hat den Zoll in der laufenden Legislatur endlich entdeckt und die Latte vor einem Jahr sehr hochgelegt“, erläutert der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke. „Wir dürfen daher alle sehr gespannt sein, ob die Verantwortlichen im Ministerium und in der Generalzolldirektion die ministerielle Challenge auch annehmen und endlich begreifen, dass der Zoll mit seinen vielfältigen Kriminalitätsbekämpfungsaufgaben auch Polizei ist. Die deutsche Sicherheitsarchitektur braucht einen starken Zoll und das verlangt in der Folge dann aber auch die Einführung bzw. den Ausbau polizeilicher Strukturen, Einsatzmittel, Methoden, Datenbanken und -systeme, Ausrüstungen, Fortbildung und eine entsprechende strategische Ausrichtung.“

Vorbild für diese Neuausrichtung könnte die höchst effektive italienische Guardia di Finanza (Finanzpolizei) sein, von der Christian Lindner letztes Jahr im Februar noch schwärmte.

Journalist: Hallo, Manuel Schwarz von der dpa. Sie haben die Guardia di Finanza gerade eben gelobt. Was konkret nehmen Sie von diesem Kennenlerntermin mit? Was macht die italienische Finanzpolizei gut und wo muss Deutschland noch dazulernen? Was kann Deutschland sich von den Italienern abschauen?

Christian Lindner: Die Finanzpolizei in Italien ist ja personell stark ausgestattet. Und sie nutzt auch sehr stark die Zusammenarbeit mit anderen Behörden. Hier wird risikobasiert auch das, was an Daten zur Verfügung steht, gezielt ausgewertet. Und das sind Aspekte, die auch für Deutschland bedeutsam sind. Das ist eine Frage für die weitere Digitalisierung des Zolls, aber auch die Verstärkung unserer eigenen für die Bekämpfung der Finanzkriminalität zuständigen Behörde.

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