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Bildungsreise 2011

„Das wirkt lange nach!“ – Ein Reisebericht von Birgit Rink-Baldeweg

Birgit Rink-Baldeweg reiste mit der GdP das erste Mal in das fazinierende Erez Israel. Hier berichtet sie über ihre Eindrücke und einige ausgwählte Programmpunkte der zehntägigen Reise im November 2011. Birgits Fazit: „Es war unglaublich schön! Das wirkt lange nach.“

„Wir fahren in ein warmes Land“, so lautete die E-Mail. Und von Regen war die Rede. Wir waren dort, statt der im November üblichen angekündigten 20 – 25°C waren es nur 10 – 18°C. Und wir erlebten Regen. Sogar in der Wüste hat es geregnet. Die israelischen Menschen hat es gefreut, warum sollten wir da enttäuscht sein? Es wäre aber auch das Einzige gewesen, was wir gern an dieser Reise hätten ändern wollen.

Israel ist ein sehr beeindruckendes Land, und durch sein Geschichte sehr anstrengend. So viele Fakten wie von unseren Reiseleitern Yalon Graeber und Sven Hüber habe ich noch nie bei einer Reise verarbeiten müssen. Und sie wirken lange nach.
Tel Aviv mit Jaffo – unsere erste Station. Kontrastreich. Jaffo – die einige Tausend Jahre alte Stadt, Tel Aviv – eine moderne europäisch wirkende Stadt, aber natürlich auch mit Geschichte. Dort ist der Ort, an dem Itzhak Rabin ermordet, und der Ort, an dem der Staat Israel am 14. Mai 1948 gegründet worden ist. Wir erfuhren im Dorf Kfar Shmaryahu von Zeitzeugen, wie das Land von ihren Eltern, geflüchteten deutschen Juden, besiedelt worden ist. Ich pflückte meine ersten Orangen von einem Baum. Im Kibbuz in Rehovot lernten wir den Mut junger israelischer Menschen kennen, die in einer unterirdischen Fabrik Munition für den israelischen Unabhängigkeitskrieg produziert hatten.

Auf unserer Fahrt zur Festung Massada fuhren wir durch sehr unterschiedliche Landschaften. Grüne Felder, Palmenhaine, Obstplantagen, ausgetrocknete Flussbetten, Beduinenzelte, Kamele und schließlich die Judäische Steinwüste waren für uns ungewöhnliche Anblicke. Die Festung Massada hat für Israel eine besondere Bedeutung. Hier verschanzten sich etwa 1000 Juden nach dem Fall des Tempels in Jerusalems im Jahre 70 vor den römischen Soldaten. Nach drei Jahren, als es keine Hoffnung auf ein Weiterleben in Freiheit mehr gab, brachten sich die Menschen um. Ein Leben in römischer Sklaverei erschien nicht lebenswert. An der Festung begegnete mir zum ersten Mal ein junges, bildhübsches israelisches Mädchen mit einer Waffe auf dem Rücken. Ab diesem Zeitpunkt bestimmte die Waffenpräsenz das Bild der Öffentlichkeit.
Zur Entspannung badeten wir im Toten Meer. Ein eigenwilliges Gefühl, sich einfach auszustrecken und nicht unter zu gehen.
Wir übernachteten nicht nur in Hotels, sondern auch in Kibbuzim. Ich hatte noch die Vorstellung im Kopf, dass dort die Menschen alles miteinander teilten, die Kinder gemeinsam erzogen usw… Aber solch einen Kibbuz lernten wir nicht kennen. Die Kibbuzim sind heute eine gute Übernachtungsmöglichkeit und stellen eine Konkurrenz zu den Hotels dar.

Beim Besuch der Stadt Jericho in der Westbank passierten wir die „Grüne Grenze“ bezeichnete alte Waffenstillstandslinie bis 1967, wir befanden uns in der Zone A des palästinensischen Gebietes. A bedeutet, dass die Palästinenser verantwortlich sind für die Verwaltung und die Sicherheit des Gebietes. Wir besuchten dort gemeinsam mit dem Polizeivertreter des deutschen Verbindungsbüros Ramallah, Kollegen Wolf, die palästinensische Polizeiakademie, die mit Mitteln der EU und besonderer Unterstützung von Deutschland errichtet und betrieben wird. Der Kommandant der Akademie zeigte uns mit Stolz die Schule.

Jericho ist die am tiefsten gelegene Stadt unter dem Meeresspiegel, nämlich ca. 300m unter NN. Wir fuhren mit der Seilbahn auf den Berg der Versuchung. Hier soll Jesus Christus 40 Tage in der Wüste gelebt haben, in der er durch den Teufel in Versuchung gebracht wurde. Nachdenklich machte mich, dass außer uns nur sehr wenige Besucher dort waren. Das bedeutet, dass in dieses Gebiet nicht sehr viele Touristen kommen. Und auch die Palästinenser benötigen jede nur mögliche Geldeinnahmequelle, um zu überleben. Am Stadtrand von Jericho steht ein riesengroßer Schlüssel, auf dem steht „We will return.“. Eine Provokation?

Am See Genezareth erkannten wir ein weiteres Problem des Landes Israel – das Wasserdargebot. Dem See fehlt Wasser. Wasser wird aber in der Landwirtschaft benötigt. Und deshalb waren wir über den Regen während unserer Zeit in Israel nicht enttäuscht.

Wir wandelten auch auf den Spuren christlicher Geschichte, wobei sich die jüdische und die christliche Geschichte nicht voneinander trennen lassen. Und aufgrund der Existenz des Urvaters Abrahams gehören auch die muslimischen Wurzeln dazu. In Nazareth besuchten wir die Verkündigungskirche, der Ort, an dem Erzengel Gabriel Maria verkündete, dass sie Jesus gebären wird. Der Berg der Seligpreisung („Selig sind die, die da arm sind im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich. …“) und die Brotvermehrungskirche in Tabgha gehörten auch zu unserem Besuchsprogramm.
In Haifa wurde uns von den israelischen Kollegen die Polizeistation gezeigt. Wir erhielten einen tiefen Einblick in die Arbeit der dortigen Polizei. Die Offenheit, mit der uns alles gezeigt wurde, hat uns sehr beeindruckt.

Eine außergewöhnliche Gastfreundschaft erfuhren wir bei unserem Besuch des Beduinendorfes Bir El Maksur, das Dorf unseres Busfahrers Deaib Ghadir. Empfangen wurden wir vom Bürgermeister des Dorfes. Er machte uns mit der Geschichte dieses Beduinenstammes bekannt. Einfach war der Übergang des Nomadenvolkes in die Sesshaftigkeit nicht. Aber es gibt Menschen, die sich engagieren und sich für andere einsetzen. Da das Wetter nun nicht so warm war wie normalerweise im November, wurde im Haus Ghadir eine Wand rausgerissen, damit wir alle 35 Leute bei der Familie im Haus empfangen werden konnten. Sonst war das Abendessen immer auf der Terrasse des Hauses. Wir wurden verwöhnt mit allen möglichen Leckerbissen, erfuhren wie die Beduinen ihren Kaffee mahlen, lernten die Familie Ghadir vom jüngsten bis zum Oberhaupt, der Omi Ghadir, kennen. Eine solche Gemeinschaft habe ich bisher noch nicht erlebt. Sogar die Moschee durften wir betreten, einen kleinen Einblick in die Welt der Moslems wurde uns gewährt.

Die neuere Geschichte Israels erfuhren wir beim Besuch im Tal der Tränen „OZ 77“ auf den Golan-Höhen. Die 7. Brigade war hier im Yom Kippur Krieg 1973 eingesetzt.

Der Staat Israel wurde am 14. Mai 1948 proklamiert. Einen Tag später erklärten die arabischen Nachbarn dem Staat Israel den Krieg. Das Land musste seit seiner Staatsgründung schon sehr oft sein Territorium verteidigen.
Den nördlichsten Kibbuz Israels Misgav Am, direkt an der Grenze zum Libanon, lernten wir auch kennen. Wir schauten auf das benachbarte libanesische Dorf, sahen die Stellungen der Hisbollah und den Beobachtungspunkt der österreichischen UN-Truppen und konnten erahnen, wie wacklig dieser Frieden ist.

Der Höhepunkt unserer Reise war zweifellos Jerusalem, Jerusalem mit dem Nabel der Welt, Ursprung von mindestens drei Religionen. Beeindruckt wurden wir sehr durch den Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem. Die Israelis versuchen hier jedem durch die Nazis und deren Anhänger getöteten Juden wieder ein Gesicht zu geben. Oft ist von den Menschen nichts mehr da, kein Foto, kein Dokument, kein Mensch, der sich an ihn noch erinnert. Mit Tränen in den Augen kamen wir aus der Halle zur Erinnerung der 1,5 Millionen ermordeten Kinder. Hier wird jeder Name, seine Herkunft und sein Alter, in dem es ermordet wurde, akustisch genannt.

Ein Besuch bei der israelischen Grenzpolizei und an der Mauer sowie dem Kontrollpunkt zu Bethlehem brachte uns auch die Alltags- und Sicherheitsprobleme nahe.
Die Klagemauer, der Klagemauertunnel, die Via Dolorosa, die Grabeskirche standen auch auf dem Besuchsprogramm. Im Gewühl der Altstadt erfuhren wir etwas vom Schmelztiegel der Religionen. Leider konnten wir nur einen kleinen Einblick in diese Stadt erfahren und für so manchen aus unserer Gruppe stand die Aussage „Und nächstes Jahr in Jerusalem!“ schon auf der AGENDA für 2012.

Wieder zu Hause bin ich jetzt ein aufmerksamerer Zuhörer bei Nachrichten aus Israel. In meiner Heimatstadt gibt es die Stolpersteine, die an die ehemals bei uns lebenden Juden erinnern, und sie berühren mich mehr als vor dieser Reise.

Birgit Rink-Baldeweg
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