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25 Jahre GdP-Bezirk Bundespolizei

Otto Schily würdigt vertrauensvolle Zusammenarbeit und kritischen Dialog

Foto: GdP

Otto Schily, Bundesinnenminister a.D. hat anlässlich des 25-jährigen Bestehens des GdP-Bezirks Bundespolizei in seiner Festrede klare Worte gefunden: "Nach meiner Erfahrung ist hinsichtlich der Probleme und Fragen, die sich für die Polizeiarbeit ergeben, die beste Beratung der kritische Dialog mit der Gewerkschaft der Polizei."

Im Folgenden die Rede des Bundesinnenministers a.D. im Wortlaut:

Zum 25-jährigen Bestehen der Gewerkschaft der Polizei – Bezirk Bundespolizei gratuliere ich Ihnen sehr herzlich. Ich freue mich, dass ich aus diesem Anlass heute zu Ihnen sprechen darf, und wünsche Ihnen, dass auch die künftigen 25 Jahre Ihrer verantwortungsvollen Arbeit erfolgreich verlaufen werden. Freilich kann ich Ihnen nicht versprechen, dass ich auch einer Einladung zu Ihrem 50. Jubiläum folgen kann.

25 Jahre, ein Vierteljahrhundert, sind eine lange Zeit. Wir nennen diesen Zeitraum gern eine Generation. Jedenfalls waren diese fünfundzwanzig zurückliegenden Jahre nicht nur allgemein im Weltgeschehen eine sehr ereignisreiche Zeit, sondern auch in besonderem Maße für die Bundespolizei. Die Bundespolizei ist heute ein wesentlicher, unverzichtbarer Baustein in der Sicherheitsarchitektur unseres Landes. Ihre herausragenden Leistungen werden allgemein anerkannt. Niemand, der noch seinen Verstand beisammen hat, käme heute auf die Idee, die Abschaffung der Bundespolizei zu fordern. Es mag manche von Ihnen erstaunen: Aber das war nicht immer so.

Ich kann mich noch sehr deutlich aus meiner Anfangszeit als Bundesinnenminister daran erinnern, dass ein bekannter konservativer Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, dessen Namen ich aus Barmherzigkeit unerwähnt lasse, allen Ernstes den Bundesgrenzschutz, wie die Bundespolizei damals noch hieß, als Auslaufmodell betrachtete und daher dessen schrittweise Auflösung durch massive Kürzung der Haushaltsmittel auf mehr oder weniger subtile Art zu erreichen versuchte. Es bedurfte seinerzeit sehr energischer Auseinandersetzungen in den so genannten Chefgesprächen in den Haushaltsberatungen, um diese Versuche abzuwehren und allen Beteiligten zu der Einsicht zu verhelfen, dass die Wahrung der Inneren Sicherheit nicht nur auf Länderebene, sondern auch auf Bundesebene zu den Hauptaufgaben des Staates gehört. Seine Verantwortung für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes nimmt der Bund mit dem Bundeskriminalamt, dem Bundesamt für Verfassungsschutz, aber ebenso in sehr erheblichem Umfang mit der Bundespolizei wahr. Und der weitgefächerte Aufgabenbereich der Bundespolizei ist im Laufe der Jahre bekanntlich eher gewachsen.

Wie wir wissen, muss die Bundespolizei in allen räumlichen Dimensionen, auf dem Boden, in der Luft und auf dem Wasser für Sicherheit und Ordnung sorgen. Sie tut das auf mannigfaltige und sehr effiziente Weise. Sie ist selbst dann zur Stelle, wenn es darum geht, einem verzweifelten Teenager seinen Rucksack wiederzubeschaffen, den er an einer Bushaltestelle vergessen hatte, oder einem kleinen Fuchs zur Hilfe zu eilen, der sich in einen Luftschacht verirrt hatte und sich daraus nicht befreien konnte.

Die hohe Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Bundespolizei hat also nicht nur mich immer wieder sehr beeindruckt, sondern auch viele andere. Um diese Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit zu erreichen, kommt es nicht zuletzt darauf an, dass die Bundespolizistinnen und Bundespolizisten das für ihre Berufsausübung wichtige Selbstvertrauen entwickeln und von dem besonderen Rang ihrer Verantwortung auf der Grundlage eines gemeinsamen Berufsethos überzeugt sind. Dass es daran nicht mangelt, dazu hat sicherlich der Name Bundespolizei beigetragen, der dem umfassenden Aufgabenspektrum der Bundespolizei entspricht und der eine motivierende Corporate Identity für die Mitglieder der Bundespolizei stiftet. Um diesen Namen durchzusetzen mussten auch viele Widerstände überwunden werden, weil manche einem übertriebenen Föderalismus huldigen und nicht verstehen können oder wollen, dass für länderübergreifende Sicherheitsaufgaben Bundeskompetenzen notwendig und unerlässlich sind.

Manche werden vielleicht die Namensgebung als bloße Äußerlichkeit abtun, ich teile diese Einschätzung aus den genannten Gründen nicht. Auch die seit Jahren überfällige Modernisierung der Uniformen und der Farbgebung der Fahrzeuge und Hubschrauber der Bundespolizei war und ist wichtig für die Wahrnehmung und das Auftreten der Bundespolizei in der Öffentlichkeit.

Dass die Bundespolizei ein so hohes Leistungsniveau erreicht hat, hängt also sicherlich mit den scheinbaren Äußerlichkeiten zusammen, ist aber natürlich in erster Linie das Verdienst der einzelnen Bundespolizistinnen und Bundespolizisten, die ihre Leistungen aber auch nur dann erbringen können, wenn dafür die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Dazu gehören vor allem eine angemessene Personalausstattung, eine optimale Ausrüstung mit Sachmitteln, insbesondere mit moderner Technik, eine exzellente, auf die speziellen Anforderungen des Polizeidienstes ausgerichtete Ausbildung einschließlich einer umfassenden Allgemeinbildung und ein attraktives Angebot an Aufstiegschancen.

Dass sich in dieser Hinsicht im Laufe der Jahre – wenn auch leider mitunter mit erheblichen Verzögerungen – deutliche Verbesserungen ergeben haben, ist nicht zuletzt dem sachkundigen und engagierten Einsatz der Gewerkschaft der Polizei geschuldet. Ich habe das bereits bei früheren Gelegenheiten wiederholt gesagt, aber aus Anlass des 25. Jubiläums will ich der Gewerkschaft der Polizei auch noch einmal an dieser Stelle ausdrücklich für die vertrauensvolle Zusammenarbeit in meiner nicht immer ganz einfachen Amtszeit als Bundesinnenminister danken. Wie ich den Medien entnehme, vergeben Bundesministerien verstärkt ziemlich kostspielige Beratungsverträge nach außen. Das mag in dem einen oder anderen Fall berechtigt und sinnvoll sein. Nach meiner Erfahrung ist hinsichtlich der Probleme und Fragen, die sich für die Polizeiarbeit ergeben, die beste Beratung – die sogar kostenlos ist – der kritische Dialog mit der Gewerkschaft der Polizei. Den Grund dafür kann ich Ihnen auch nennen: Er besteht darin, dass der Führung des Ministeriums durch die Gewerkschaft ein unverfälschtes und ungeschöntes Bild der Polizeialltags vermittelt und damit die Möglichkeit verbessert wird, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Anzumerken bleibt, dass von einem Dialog nur dann die Rede sein kann, wenn auf beiden Seiten die Bereitschaft besteht, die eigenen Positionen zu überprüfen. Sture Rechthaberei führt nie zu vernünftigen Ergebnissen. Das gilt sowieso ganz allgemein. Es lohnt sich immer, noch einmal nachzudenken. Manche Fehlentwicklungen in der Politik beruhen auf der Weigerung, die scheinbar richtigen Annahmen noch einmal einer Realitätsprüfung auszusetzen. Wenn eine bestimmte Sicht der Dinge zu Glaubenssätzen überhöht werden, die keiner rationalen Diskussion mehr zugänglich sind, kommen wir auf eine schiefe Bahn.

Eine wichtige Voraussetzung für die polizeiliche Tätigkeit sind klare rechtliche Vorgaben, auch das hat die Gewerkschaft der Polizei immer wieder zu Recht angemahnt. Polizeiarbeit ist auf Rechtsklarheit angewiesen, daran dürfen es die politischen Instanzen nicht fehlen lassen. Beim Thema Migration und Grenzschutz scheint leider in dieser Hinsicht zeitweise reichlich viel Verwirrung entstanden zu sein. Eine Polizei, die tatenlos der gezielten unkontrollierten Schleusung von Hunderttausenden nach Deutschland zusehen muss, gerät unweigerlich in Selbstzweifel hinsichtlich ihrer Pflichten. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Ich bin durchaus für die großzügige Aufnahme von Schutzsuchenden, aber nicht durch schlichte Öffnung der Grenzen, sondern nach Kriterien, die wir festlegen, und unter Wahrung unserer elementaren Sicherheitsinteressen.

In der Retrospektive auf das Jahr 2015 ist es außerdem für die Bundespolizei eine höchst fragwürdige Sicht der Dinge, wenn behauptet wird, sie sei überhaupt nicht in der Lage gewesen, die Außengrenze Deutschlands gegen illegale Einwanderung zu schützen. Die Politik hat sich in diesem Zusammenhang in arge Widersprüche verwickelt. Auf der einen Seite nimmt sie huldvoll den Beifall für eine „humanitäre Entscheidung" entgegen, wer immer sie nach welchen Befugnissen getroffen haben soll, auf der anderen Seite wird entschuldigend argumentiert, der Zustrom von Hundertausenden Migranten nach Deutschland habe überhaupt nicht aufgehalten werden können. Aufgehalten wurde er am Ende doch, zwar nicht an der deutschen, aber an der mazedonischen Grenze. Aber eines kann ja nur richtig sein: Entweder ist damals eine Entscheidung getroffen worden, dann stellt sich die Frage, von wem und auf welcher rechtlichen Grundlage, oder es handelte sich um ein Naturereignis, das unabwendbar war, sodass wir uns nur noch mit den Auswirkungen zu befassen hatten.

Besondere Anerkennung verdient auch die Tatsache, dass die Gewerkschaft der Polizei in erheblichem Maße zur Ausprägung eines modernen Polizeiprofils beigetragen hat, einer Polizei, die sich durch unverrückbare rechtsstaatliche Orientierung, Charakterfestigkeit, hohes Leistungsvermögen und beeindruckende Sozialkompetenz auszeichnet. Diese Eigenschaften sind sicherlich dafür ausschlaggebend, dass die Polizei zu Recht immer bei der Bewertung staatlicher oder gesellschaftlicher Institutionen auf der Rangliste ganz oben steht. Umso erschreckender sind die sich häufenden verbalen und tätlichen Attacken, denen die Polizei oder die Feuerwehr oder andere Hilfskräfte bei ihrer Arbeit ausgesetzt sind. Diesen Attacken muss mit der gebotenen Entschiedenheit entgegengetreten werden. Das umschließt eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, für die zuallererst die politischen Instanzen verantwortlich sind. Politik darf nicht zögern, sich auch mit der harten Arbeit der Polizei zu solidarisieren und darf nicht ängstlich Abstand halten, wenn die Polizei einmal etwas robuster vorgehen muss. Einsatz körperlicher Gewalt ist gewiss nach dem rechtsstaatlichen Verständnis der Polizei, insbesondere auch der GdP, immer nur Ultima Ratio, letztes Mittel, aber wenn dieser Einsatz zur Durchsetzung des Rechts und zum Schutz vor Straftaten notwendig ist, darf sich die Politik nicht seitwärts in die Büsche schlagen und so tun, als ob sie das nichts angehe.

Angesichts der wachsenden und weitreichenden Bedrohungen durch Kriminalität und Terrorismus ist die Polizeiarbeit wichtiger denn je. Wir schulden den Polizistinnen und Polizisten, die bei der Abwehr dieser Gefahren ihre Gesundheit und sogar ihr Leben einsetzen, großen Dank und höchste Anerkennung.

In manchen Medien ist es zur törichten Mode geworden, das Wortpaar „Law and Order“ als obrigkeitsstaatliches Denken zu diskreditieren. Derweil ist es doch die selbstverständliche Kernaufgabe des Staates, die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung zu garantieren. Wer „Law and Order“ in Frage stellt, sollte wieder der schlichten Erkenntnis zugänglich werden, dass er dadurch „Unrecht und Unordnung“ und damit letzten Endes der Auflösung und der Zerstörung der gesamten gesellschaftlichen Ordnung den Weg bereitet. Zu welchen Konsequenzen das führen kann, ist in einem großen europäischen Nachbarland, aber bisweilen auch in Stadtteilen von Berlin zu besichtigen. Oder noch schlimmer: Wenn wir zulassen, dass sich mafiöse Strukturen herausbilden, in denen die staatliche Rechtsordnung de facto außer Kraft gesetzt wird. Was diese Problemfelder angeht, sind wir in Deutschland unglücklicherweise inzwischen auch schon bei der Alarmstufe 1 angelangt. Nur die uneingeschränkte Einhaltung von Recht und Ordnung sichert den gesellschaftlichen Frieden, dem wir alle verpflichtet sind. Das gilt übrigens ebenso für die virtuelle Welt des Internets. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum und darf nicht zum Instrument von Kriminalität und Terrorismus werden.

Wenn wir uns der elementaren Bedeutung von „Law and Order“ bewusst bleiben, müssen wir uns in der öffentlichen Debatte zugleich immer wieder dagegen zur Wehr setzen, Freiheit und Sicherheit in einen vermeintlich unüberbrückbaren Gegensatz zu bringen. Es ist nicht zu bestreiten, dass mitunter ein Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsverlangen und den Sicherheitserfordernissen besteht. Dass in diesem Spannungsverhältnis der richtige Ausgleich zustande kommt, das leistet das Recht, insbesondere der verfassungsrechtlich verbürgte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Europäische Union definiert sich in diesem Sinne als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. In diesem Dreiklang kommt das eben Gesagte sehr deutlich zum Ausdruck.

Um in diesen Fragen die richtige Einstellung zu finden, sollten wir uns vor allem immer wieder den Anfang des Grundgesetzes, dessen 70-jähriges Bestehen wir in diesen Tagen gedenken, in Erinnerung rufen. In Artikel 1 des Grundgesetzes stellt die Verfassung die Verpflichtung des Staates, die Würde des Einzelnen zu achten, an die Spitze aller Bestimmungen. Das ist eine bedeutsame Zäsur in der Verfassungsgeschichte Deutschlands und eine harte Abgrenzung gegenüber einem Obrigkeitsstaat und erst recht gegenüber einem totalitären Staat, der den einzelnen Menschen als Untertan und nicht als freien Bürger behandelt. Es wird aber häufig überlesen, dass die Verfassung in Artikel 1 des Grundgesetzes dem Staat zugleich die Verpflichtung auferlegt, die Würde des Einzelnen zu schützen. Polizeiarbeit in rechtsstaatlichem Rahmen erfüllt genau diese dem Staat in der Verfassung zugewiesene Aufgabe. Wenn die Polizei die Bürgerinnen und Bürger vor Verbrechen schützt, schützt sie ihre Würde und ihre Sicherheit.

Sie haben heute daher allen Grund, ihre jahrzehntelange besonders verantwortungsvolle Tätigkeit, die der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger dient, gebührend zu feiern.
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