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Kommentar

Der „Schutz“ der Grenzen ist unsere Aufgabe

Von Jörg Radek, stellvertretender GdP-Bundesvorsitzender und Vorsitzender GdP-Bundespolizei

Foto: GdP

Grenzschutz ist Ausdruck eines souveränen Staates. Und hierzulande ist er Aufgabe der Bundespolizei. Grenzschutz hat in erster Linie das Ziel, unerlaubte Einreise zu unterbinden und damit auch Schleuserkriminalität aufzudecken, jenes menschenverachtende Geschäftsmodell des „Menschenhandels“.

Zwanzig Jahre nach dem tatsächlichen Wegfall der Grenzkontrollen interessierte sich die Öffentlichkeit 2015 wieder für den deutschen Grenzschutz. Allerdings nicht an jedem der 3.760 Grenzkilometer. Es war die Grenze zu Österreich, die zum polizeilichen Brennpunkt wurde. Zunächst übrigens wegen des G7-Treffens im bayerischen Elmau. Nach den Möglichkeiten des Schengener Grenzkodex wurde von der zeitweisen Wiedereinführung von Grenzkontrollen Gebrauch gemacht. Ein Umstand, der im Zusammenhang mit Großveranstaltungen wie Fußball-Weltmeisterschaften oder einem G20-Gipfel nicht ungewöhnlich ist.

Im Zeitraum vom 26. Mai bis 15. Juni wurden an der deutschen Schengen-Binnengrenze 394.080 Personen kontrolliert, 72.691 Identitätsfeststellungen vorgenommen, und es kam zu 5.096 vorläufigen Festnahmen und 107 sogenannten Gewahrsamnahmen. Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen wird also niemand ernsthaft in Zweifel ziehen.

Und: Die Bundespolizei hat da gute Arbeit geleistet. Bei der Flüchtlingsbewegung hat sie dies fortgesetzt. Der große Zustrom von Flüchtenden war jedoch nicht die Ursache für das, was dann folgte, sondern deckte die Versäumnisse der Vergangenheit schonungslos auf.

Bereits im Juli wendeten wir uns als Gewerkschaft schriftlich an den verantwortlichen Minister, den damaligen Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière. Wir wollten nicht hinnehmen, dass Bundespolizistinnen und Bundespolizisten wegen fehlender Ressourcen die ihnen übertragenen gesetzlichen Pflichten nicht erfüllen konnten. Es wurde uns bei Vor-Ort-Besuchen berichtet, dass aufgegriffene Personen zwar zuvor in den durchreisten europäischen Staaten polizeilich kontrolliert worden waren, jedoch die Weiterreise nach Deutschland gestattet wurde. Wir forderten eine energische Reaktion des Schengen-Staatenverbundes.

Inländisch wurden beispielsweise in Passau unerlaubt Eingereiste, sofern es sich nicht um Schleuser handelte, nicht mehr erkennungsdienstlich behandelt. Die Identitätsprüfung muss jedoch bereits bei der Einreise an der Grenze erfolgen. Wer seine Identität verschleiert oder Papiere vernichtet, muss damit rechnen, dass er erst einreisen kann, wenn die Identität zweifelsfrei geklärt und eine mögliche Rückübernahme in das Heimatland gesichert ist.

Um das zu gewährleisten, braucht es nun einmal Personal. Gründe für das Unterlassen der erkennungsdienstlichen Behandlungen waren fehlende Kapazitäten in der polizeilichen Informationstechnik, fehlende Geräte und letztlich fehlendes Personal. Es ist traurige Gewissheit, dass die Haushaltsforderungen aus der Bundespolizei heraus für 2015 und die Vorjahre mehrheitlich unberücksichtigt blieben.

Auch heute gilt wie vor vier Jahren noch: Ich bewerte nicht die politische Entscheidung der Bundesregierung zu Aufnahme und Umfang von Schutzsuchenden, sondern die zugleich erfolgte Außerachtlassung wichtiger und notwendiger Sicherheitsbelange.

Unsere Sicht der Praxis an der Grenze seit dem 13. September 2015 war: Die Bundespolizei führte zwar wieder Grenzkontrollen durch, sie machte dabei jedoch aus politischen Gründen mit Blick auf §18 Abs.4 Nr.1 oder 2 AsylVfG (Gesetz über das Asyverfahren) von ihrem Recht der Einreiseverweigerung oder Zurückschiebung keinen Gebrauch. Das schilderten wir Anfang Dezember auch der Bundeskanzlerin in einem sehr kritisch gehaltenen Brief.

Viele Kolleginnen und Kollegen stellten sich die Sinnfrage ihrer Arbeit. Nicht etwa, weil sie vermeintlich weinerlich seien. Sie leben ein Berufsethos und stehen in einem „besonderen Dienst- und Treueverhältnis“. Blickt man auf unseren Staatsaufbau hat die Spitze der „Exekutive“ in das „schlicht-hoheitliche Tätigwerden“ eingegriffen. Durch Regierungshandeln wurde die berufliche Praxis der Bundespolizei verändert. Bundespolizistinnen und Bundespolizisten in Ausbildung zur Grenzpolizei wurden in ihrem Aufgabenvollzug berührt.

Wir baten die Regierungschefin darum, dass die Bundespolizei wieder umfänglich zu ihrer eigentlichen polizeilichen Arbeit zurückkehren kann, die einerseits der anspruchsvollen Ausbildung entspricht und andererseits notwendig ist, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Handlungsfähigkeit und das rechtssichere Handeln der Grenz- und Strafverfolgungsbehörden zu erhalten.

In seinem im Frühjahr erschienenen Buch „Regieren“ schreibt de Maizière zu oben beschriebener Entscheidung: „Es blieb bei dieser Entscheidung offen, was mit dem Begriff ‚Grenzkontrollen‘ genau gemeint war, insbesondere, ob das eine faktische Schließung der deutschen Grenzen bedeuten würde durch Zurückweisungen aller Asylsuchenden an den Grenzen nach einer Vollkontrolle aller Einreisenden.“

Diese Ungewissheit blieb, wie die politische Debatte in der Bundesregierung im Jahr 2018 über die polizeiliche Überwachung und Kontrolle an der Grenze zu Österreich zeigte.

Im Raum von Europäischem Recht (Schengener Grenz-Kodex, Dublin-III-Verordnung) und deutschem Asylverfahrensgesetz wurde mit Begriffen wie Rückführung, Zurückweisung, Abschiebung, Abweisung und Zurückschiebung oder Vollkontrollen erneut jongliert. Der rechtliche Begriff „Grenzschutz“ wurde zu einer Vokabel der Rhetorik im politischen Marketing; zwischen den Streithähnen in der Bundesregierung gar zu einem politischen Kampfbegriff. Die Grenzpolizei als solche blieb unbeachtet.

Bundespolizistinnen und Bundespolizisten haben einen Eid auf die Verfassung geschworen – und nicht auf ein Parteibuch. Wir taugen daher auch nicht als Zeugen für eine politische Ideologie oder Programmatik. Fakt ist jedoch, dass die Glaubwürdigkeit der Politik immer dann verliert, wenn inkonsistentes Verhalten gezeigt wird, und Betroffene und ihre Befindlichkeiten nicht ernst genommen oder außer Acht gelassen werden.

Wir brauchen in Europa sicher keine lückenlosen Grenzkontrollen, aber sehr wohl Möglichkeiten, je nach Lage gezielt gegen Terroristen, Schleuser und Menschenhändler vorgehen zu können. Bei den Anschlägen der vergangenen Jahre zeigte sich, dass Terroristen insbesondere die Grenze zu Frankreich und Belgien ungehindert passieren konnten. So wurden die lieb gewonnenen Errungenschaften eines freien Europas für brutale Verbrechen ausgenutzt.

Um dem entgegenzuwirken, ist es dringend erforderlich, die Bundespolizei personell und materiell deutlich besser auszustatten und den Zoll – noch intensiver als bisher – in die gemeinsame Arbeit einzubinden. Kurzum: Wir brauchen ein verlässliches europäisches Netzwerk, das die grenzüberschreitenden Sicherheitsaufgaben bewältigen kann, und in dem alle Behörden mit Sicherheitsaufgaben an den Grenzen ihre Fähigkeiten bündeln.
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