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Reizklima in Deutschland

Polizei im Spannungsfeld

Kommentar von Jörg Radek, Vorsitzender GdP-Bezirk Bundespolizei

Foto: GdP-Bezirk Bundespolizei

Die eskalierende Respektlosigkeit gegenüber unseren Kolleginnen und Kollegen ist eine besorgniserregende gesellschaftliche Entwicklung. Mehr und mehr verspüren wir hierzulande ein politisches Reizklima. Jeder Amtsträger, jeder Journalist und auch jeder Bürger sollte derzeit genau überlegen, was und vor allem wie er etwas sagt, um nicht weiter zur Destabilisierung unserer Gesellschaft beizutragen.

Es begann in der Silvesternacht. In Berlin, Leipzig und an anderen Orten gab es gegenüber der Polizei und den Rettungskräften blanke brutale Gewalt. Die Aggressivität richtete sich gegen die bloße Anwesenheit von Polizei. Solche Attacken auf Menschen in Uniform sind politisch nicht zu beschönigen. Wir als Gewerkschaft der Polizei mahnten, diese Gewaltattacken nicht politisch zu instrumentalisieren. Hier waren es Angriffe aus der mutmaßlichen linksextremistischen Szene. Jeder Stein gegen die Einsatzkräfte ist eine Steilvorlage für interessierte Parteien und Gruppierungen, um weitere Zustimmung aus der Mitte der Gesellschaft zu erhalten.

Immer wieder erheben sich unterschiedliche Gruppierungen in brutaler, zynischer und arroganter Art und Weise über behördliche Maßnahmen und Anweisungen. Der Widerstand an sich ist das, was solche Menschen antreibt. Konstruktive, demokratische Debatten werden von solchen Tätergruppen abgelehnt, ihr egozentrisches Geltungsbedürfnis auf dem Rücken anderer dagegen ausgelebt. Die einen meinen, ihre Kräfte mit der Polizei messen zu müssen. Weil sie überschüssige Energie haben, um es sehr vorsichtig auszudrücken. Manche Leute sehen den Uniformträger als Projektionsfläche für die eigene Unzufriedenheit. Weil sie enttäuscht sind von der Gesellschaft und sich abgehängt fühlen. Der Uniformträger wird also zur Zielscheibe, weil er als Repräsentant des Staates wahrgenommen wird.

Im Jahresverlauf kommt das besondere derzeitige Spannungsfeld, ausgelöst durch die Corona-Krise, hinzu. Zum Gesundheitsschutz können Freiheiten eingeschränkt werden. Die Wiedereinführung der Grenzkontrollen schränkte die errungene Reisefreiheit ein. Gerade in Grenzgebieten zeigte sich daher seit der Corona-Krise durch die angeordneten Grenzkontrollen hohes Konfliktpotential. Natürlich ist jedem klar, dass sich ein Virus nicht an Grenzen hält und dass die Kontrollen der Bundespolizei das Einwandern des Virus nicht verhindern. Die Menschen im Grenzraum haben erwartet, dass eine Gefahr abgewehrt wird. So konnte es beispielsweise mit den Kontrollen zu Anfang nicht schnell genug gehen. Trotzdem gab es sofort kritische Stimmen, diese freiheitsbeschränkende Maßnahme nicht länger als notwendig durchzuführen.

Der Vorfall an der „Goldenen Bremm“

Anfang Juni dann der Vorfall am Grenzübergang „Goldene Bremm“ im Saarland: Nach unseren Informationen hatte sich ein 65-jähriger Franzose erst einer Polizeikontrolle entzogen, so dass er verfolgt werden musste. Bei der anschließenden Kontrolle konnte er keinen zulässigen Einreisegrund nennen, denn „Lotto spielen, günstig tanken, billig Marmelade oder Zigaretten kaufen“ sind nach geltendem Recht keine zulässigen Einreisegründe in Corona-Zeiten. Daraufhin haben die Beamten gegen den Mann eine amtliche Einreiseverweigerung ausgesprochen und ihn aufgefordert, Deutschland sofort wieder zu verlassen. Der Mann sei laut Aussagen unserer Kollegen aber nicht nach Frankreich zurückgefahren, sondern stattdessen ohne den vorgeschriebenen Mund-Nasen-Schutz im Lotto-Laden verschwunden. Im Kiosk haben die Beamten den Mann nochmals zur Rede gestellt und aufgefordert, sofort das Geschäft zu verlassen und auszureisen. Andernfalls würde er rausgebracht. Nachdem er sich weiterhin weigerte, sei er mit einfacher körperlicher Gewalt aus dem Laden gebracht worden. Vor der Tür habe er sich fallen lassen, so dass ein Kollege über seine Beine stolperte. Wenn man diese vollständigen Schilderungen liest, haben die Kollegen also einwandfrei rechtmäßig, verhältnismäßig und sogar sehr geduldig gehandelt.

Nach Erklärungen, beispielsweise des Kioskbetreibers, die nicht den vollständigen polizeilichen Sachverhalt wiedergaben, wandte sich der Saarbrücker Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) jedoch sofort in einem Brief an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und forderte die schnellstmögliche Aufklärung des Vorfalls und gegebenenfalls eine Entschuldigung der Bundesrepublik. Sofort mit Bekanntwerden haben wir uns als GdP entschieden gegen diese politisierende Skandalisierung und gespielte Empörung des Saarbrücker Oberbürgermeisters Conradt gestellt, der weder den Sachverhalt kannte noch irgendeine Zuständigkeit hat. Schließlich sollte man von einem Verwaltungschef wie Conradt erwarten, erst den Sachverhalt vollständig zu kennen, bevor er sich öffentlich äußert. Mangelnde Sach- und Rechtskenntnis und fehlende Zuständigkeit sind auch für Oberbürgermeister keine Entschuldigung für Vorverurteilungen.

Außerdem: Die Rechtmäßigkeitskontrolle des polizeilichen Handelns in Deutschland obliegt grundsätzlich den ordentlichen Gerichten und nicht irgendwelchen Beauftragten. Jeder Mensch hat das Recht jede gegen ihn getroffene polizeiliche Maßnahme bei einem Verwaltungsgericht auf ihre Rechtmäßigkeit und Angemessenheit überprüfen zu lassen und dafür auch gegebenenfalls Prozesskostenhilfe zu erhalten. Die Unabhängigkeit der Richter garantiert dabei, dass die Rechte der Bürgerinnen und Bürger vollumfänglich gewahrt werden. Deshalb bedarf es auch keiner weiteren Beauftragten oder unabhängiger Stellen.

Nur wenige Tage nach dem Vorfall im Saarland beteiligt sich die SPD-Chefin Saskia Esken an der Debatte um Polizeigewalt in Amerika. Sie zieht einen Vergleich und unterstellt den deutschen Sicherheitskräften latenten Rassismus und übermäßige Gewaltanwendung. Klartext: Wer diese Unterstellung erhebt, offenbart entweder gravierende Wissenslücken über die Arbeitsweise der deutschen Polizei oder versucht das verhältnismäßige Vorgehen der Einsatzkräfte parteipolitisch zu instrumentalisieren. Auch wenn sie später zurückruderte: die Aussage war getroffen. Doch gerade in dem politischen Reizklima, in dem wir uns derzeit durch die Corona-Krise mit ihren Auflagen für jeden persönlich befinden, sollten wir alle – und Amtsträger in besonderem Maße – genau abwägen, was und vor allem wie wir es sagen.

Gerade in den Einsätzen während der Pandemie zeigt sich der Anspruch an die Ausbildung unserer Polizeien. In der Ausbildung wird vermittelt, dass Eingriffsmaßnahmen das Ergebnis eines Abwägungsprozesses sind. Die Würde des Menschen ist zu achten. Seine körperliche Unversehrtheit konkurriert mit der Bewegungsfreiheit. Sicherheit und Ordnung sollen ebenso gewährleistet werden wie die Versammlungsfreiheit unter den Bedingungen des Infektionsschutzes. Für solche Aufgaben suchen die Sicherheitsbehörden in Deutschland ihr Personal aus und bilden dieses entsprechend aus. Anspruchsvoll und nicht vergleichbar mit den USA.

Die Instrumente des Rechtsstaats

Polizei wird beobachtet und bewertet. Eine Institution und ihre Mitarbeiter müssen diesen Blick aushalten. Was abzulehnen ist, zeigt sich auch am Beispiel der „taz“-Veröffentlichung unter dem Titel „All cops are berufsunfähig“ vom 15. Juni. Auch hier war zwar nicht alles hilfreich, was in diesem Zusammenhang geäußert wurde. Nichtsdestotrotz drückt der Text eine Menschenverachtung aus, die wir nicht akzeptieren möchten, auch nicht als Satire. Daher hat der GdP-geführte Bundespolizei-Hauptpersonalrat Beschwerde beim Deutschen Presserat eingelegt. Er ist die freiwillige Selbstkontrolle der Print- und Onlinemedien in Deutschland und tritt für die Einhaltung ethischer Standards und Verantwortung im Journalismus ein sowie für die Wahrung des Ansehens der Presse.

Wir leben in einem Rechtsstaat. Daher gilt es, die Instrumente dieses Rechtsstaates zu akzeptieren und zu nutzen.

Einer der vorläufigen Höhepunkte im Spannungsfeld zwischen Bürgern und Polizei war die Mittsommernacht von Stuttgart. Vermutlich aufgrund einer Festnahme wegen eines geringfügigen Betäubungsmitteldeliktes kam es zu spontanen Solidarisierungseffekten. Es flogen Steine und Flaschen auf die Polizeikräfte vor Ort. Die Lage entwickelte sich weiter zu Sachbeschädigungen und Plünderungen.

Es folgten Erklärungsversuche. Sie dürfen aber keine Rechtfertigungsversuche sein. Eine präsente Polizei ist ein sichtbarer Rechtsstaat. Das staatliche Gewaltmonopol liegt in den Händen von Polizei und Sicherheitsbehörden und niemand darf es uns absprechen. Völlig unabhängig von der Aufgabe – ob bei einer Personenkontrolle, zur Durchsetzung der Versammlungsfreiheit oder der Einhaltung des Infektionsschutzes. Der Präsenz der Polizei mit Aggressivität zu begegnen, richtet sich gegen den Rechtsstaat. Sie nicht zu verurteilen, ist eine moralische Rückendeckung für die Täter und beschämt die Opfer.

Jüngsten Umfragen zur Folge hat die Polizei eine gesellschaftliche Zustimmung von 86 Prozent. Das ist ein starker Vertrauensbeweis, den wir als Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden nicht verspielen dürfen. Die Durchführung unserer ohnehin schon schwierigen Aufgabe wird nicht einfacher, wenn die Polizei Gegenstand von falschen Vergleichen oder ihre Anwesenheit hinterfragt wird. Alle Akteure in der politischen Debatte sollten sich immer wieder vor Augen führen, dass die Menschen in der Polizei, beim Zoll, bei der Feuerwehr und den Rettungsdiensten ihre Gesundheit für das gesellschaftliche Miteinander, die Sicherheit und Ordnung, die Möglichkeiten einer vielfältigen, bunten Gesellschaft riskieren.

Dieses persönliche Risiko und der gesellschaftliche Zusammenhalt sollten die Sorgfalt in Wort und Tat rechtfertigen.
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