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Sven Giegold (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): "Erfolgreiche Bekämpfung der Geldwäsche braucht leistungsfähige Behörden der Strafverfolgung und des Zolls"

Sven Giegold - Foto: Simon Ritter
Düseeldorf/Hilden.

"Natürlich ziehen die GdP und wir Grünen bei der Ausstattung der Polizei, der Staatsanwaltschaften und des Zolls schon lange am gleichen Strang!" - Im Wahlprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bundestagswahl wird die Forderung nach der Schaffung einer Finanzpolizei erhoben. Die GdP-Zoll fasste im Interview mit dem Europaparlamentarier Sven Giegold nach.

Der Wirtschaftswissenschaftler Sven Giegold ist seit 2009 für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mitglied des europäischen Parlaments. Aktuell ist er Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament. Außerdem ist er Obmann der grünen Fraktion im Ausschuss für Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Als GdP-Zoll stehen wir schon seit einiger Zeit im Austausch mit Sven Giegold. Auf seiner persönlichen Webseite finden sich über 300 Artikel zum Thema Geldwäsche und über 20 Artikel zum Thema Finanzpolizei. Zum Vergleich: Auf der persönlichen Webseite des amtierenden Bundesfinanzministers Olaf Scholz gibt es nur einen Artikel zu Geldwäsche, die Finanzpolizei findet dort keine Erwähnung.

 

Herr Giegold, Sie üben seit mindestens 10 Jahren massive Kritik an der Geldwäschebekämpfung in Europa und Deutschland. Dabei sehen Sie Defizite bei der internationalen Zusammenarbeit, nationalen Behördenstrukturen, sowie der europäischen und nationalen Rechtslage. Können Sie uns eine kurze prägnante Beschreibung des Zustandes der Geldwäschebekämpfung in Deutschland und Europa aus ihrer Sicht geben?

Kriminalität lohnt sich nur, wenn die Kriminellen die Erträge ihrer Taten auch genießen können. Daher ist es eine Niederlage für unsere Rechtsstaaten, dass es uns nicht gelingt, mehr als 1% der kriminell erwirtschafteten Gelder einzuziehen. Dieses Geld landet dann in unseren Immobilien und Unternehmen, wo es die soziale Marktwirtschaft mit verantwortlichen Eigentümer*innen durch schmutziges Geld zu zersetzen droht. In vielen Entwicklungsländern ist Geldwäsche im internationalen Finanzsystem das Rückgrat korrupter Regierungen, die ihre Bevölkerung in Armut halten. Gleichzeitig sehen wir eine gefährliche Welle an organisierter Kriminalität, wie uns die Morde an den Journalist*innen Daphne Caruana Galizia und Peter de Vries schmerzlich vor Augen geführt haben. Deshalb kann es mit der ineffektiven Geldwäschebekämpfung der Nationalstaaten gegen das international vernetzte Verbrechen so nicht weitergehen. Dabei kritisiere ich nicht nur. Gemeinsam mit Parlamentskolleg*innen anderer Parteien habe ich in den letzten Jahren viel erreicht. Die Bekämpfung der Geldwäsche und Finanzkriminalität ist von einem Nischenthema zu einer Dauerbaustelle im Europaparlament geworden. Zuletzt haben wir erreicht, dass die EU-Kommission nun eine neue Verschärfung des EU-Anti-Geldwäsche-Rechts vorgelegt hat sowie einen Vorschlag für die Schaffung einer EU-Geldwäschebehörde. Das ist auch bitter nötig!

 

Sie sind schon seit vielen Jahren ein Verfechter der Gründung einer europäischen Finanzpolizei, die durch länderübergreifende Zusammenarbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung im Finanzbereich tätig sein soll. Wann kommt diese europäische Finanzpolizei? Wie ist der aktuelle Stand?

Die Vorschläge der EU-Kommission beziehen sich auf die Prävention der Geldwäsche und sind von der Finanzaufsicht her gedacht. Doch die erfolgreiche Bekämpfung der Geldwäsche braucht leistungsfähige Behörden der Strafverfolgung und des Zolls. Der Vorschlag der EU für eine gemeinsame Stelle zur Kooperation der nationalen FIUs ist daher nur ein erster Schritt. Wir brauchen auch leistungsfähige Kooperationen im Bereich der Polizei, der Staatsanwaltschaften und des Zolls. Es ist ein Fortschritt, dass Europol seine Aktivitäten im Bereich der Finanz- und Wirtschaftskriminalität in den letzten Jahren verstärkt hat. Doch Europol ist eben keine europäische Finanzpolizei. Vielmehr kann Europol nur auf Anforderung der nationalen Behörden aktiv werden. Zudem entspricht das Budget von Europol etwa 3% des amerikanischen FBIs. Das ist ein schlechter Scherz, die organisierte Kriminalität kann sich freuen. Europol muss in Zukunft eigenständig in Ermittlungsteams Ermittlungen aufnehmen können. Zudem braucht Europol eine starke Aufstockung der finanziellen und personellen Ressourcen. Ein großer Fortschritt ist zudem die Gründung der EU-Staatsanwaltschaft. Allerdings kann sie nur Ermittlungen einleiten, wenn die finanziellen Interessen der EU berührt sind. Das gilt etwa beim Verlust von Zolleinnahmen, beim Missbrauch von EU-Geldern und auch beim Umsatzsteuerbetrug. Das betrifft schon wichtige Felder der organisierten Kriminalität. Aber das genügt nicht, auch in grenzüberschreitenden Fällen der Geldwäsche sollte die EU-Staatsanwaltschaft ermitteln dürfen. Das muss bei der anstehenden Überarbeitung der Regeln der EU-Staatsanwaltschaft berücksichtigt werden. Im Übrigen ist ganz bitter, dass die Bundesregierung und der zuständige Bundesfinanzminister Scholz während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft nichts unternommen haben, um die Verhandlungen zum EU-Umsatzsteuerrecht abzuschließen. Hier könnten wir strukturell der internationalen Finanzkriminalität eine milliardenschwere Einnahmequelle nehmen.

 

Vor kurzem zitiert Sie die Frankfurter Rundschau wie folgt: „Die Geldwäscheaufsicht und Strafverfolgung bei Wirtschaftskriminalität ist dank Föderalismus, Bürokratie und politischer Gleichgültigkeit erschreckend unwirksam.“ Im grünen Wahlprogramm zur Bundestagswahl wird die Forderung nach der Schaffung einer Finanzpolizei erhoben und im Satz danach die Bedeutung des Zolls in diesem Zusammenhang dargestellt. Die Schaffung einer Bundesfinanzpolizei im Zoll ist eine langjährige Forderung der GdP. Sehen Sie hier Gemeinsamkeiten zwischen der Position der Grünen und der GdP Zoll? Falls ja, welche?

Das grüne Wahlprogramm betont, dass wir bei der Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerkriminalität einen Schwerpunkt unserer deutschen Steuerpolitik sehen. Wir fordern hier ein umfassendes Aktionsprogramm. Auch unser Ko-Vorsitzender Robert Habeck betont die Bedeutung dieses Politikfeldes in jedem Auftritt. Das wird daher auch entsprechende Priorität für uns in der nächsten Legislaturperiode haben. Als Europapolitiker werde ich mich - das Subsidiaritätsprinzip sei gegrüßt - nicht dazu äußern, wo zusätzliche Ressourcen auf Bundesebene anzusiedeln sind. Aber natürlich ziehen die GdP und wir Grünen bei der Ausstattung der Polizei, der Staatsanwaltschaften und des Zolls schon lange am gleichen Strang!

 

Die GdP-Zoll kritisiert seit geraumer Zeit die ineffizienten Strukturen der Kontroll-, Fahndungs- und Ermittlungsdienste im Zoll. Die Einheiten sind, einem Flickenteppich ähnlich, über die ganze Verwaltung verteilt. Im Grünen Wahlprogramm findet sich mit Blick auf die Polizei die Forderung nach leistungsfähigen Strukturen innerhalb der Behörden. Schließt die Grüne Forderung nach leistungsfähigen Strukturen auch die polizeiähnlichen Strukturen im Zoll ein? Wie sehen Sie die Chancen, dass eine Bundesregierung mit Grüner Beteiligung anders als die derzeitige Bundesregierung die GdP-Zoll in diese Diskussion einbezieht?

Absolut. Gerade beim Zoll sehen wir großen Verbesserungs- und Stärkungsbedarf. Ich werde das Thema auch selbst weiter begleiten. Allerdings sind Zusicherungen von Beteiligungen an Koalitionsverhandlungen in Interviews doch eher ungewöhnlich. ;-) Aber: Es war immer Stil grüner Politik mit den Betroffenen gemeinsam Politik zu machen.

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