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DGB und GdP streiten weiter für besseres Polizeilaufbahnrecht

Der vom Bundesinnenministerium vorgelegte Entwurf einer neuen Bundespolizeilaufbahnverordnung steht weiter im Zentrum der gewerkschaftlichen Kritik. Im Rahmen des im Bundesministerium des Innern unter Leitung von Abteilungsleiter Franz-Josef Hammerl sowie seines Vertreters Ralf Göbel, der Referatsleiterin Christine Bullmann, der für den Entwurf federführenden Referentin Elke Büchner sowie der Präsidiumsvertreter Jan Hohendorf und Jörg Pietrkiewicz durchgeführten Anhörungsverfahrens der Spitzenorganisationen der Beamtinnen und Beamten bekräftigten die Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Henriette Schwarz, und der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Sven Hüber, die bereits in der schriftlichen Stellungnahme vorgetragenen Einwendungen. Insbesondere der durch die Ministerialen vorgesehene Paradigmenwechsel und damit einhergehende Verschlechterungen bei den Aufstiegsverfahren wurden durch die Gewerkschafter massiv kritisiert. Nach den jetzt vorliegenden Vorstellungen sollen die Möglichkeiten des begrenzten Aufstieges ab 2015 erheblich eingeschränkt und verschlechtert werden. Der spätestens ab 2015 beabsichtigte Paradigmenwechsel für die Aufstiegsverfahren vom mittleren in den gehobenen Polizeivollzugsdienst äußert sich dabei in folgenden Punkten: - in der Etikettierung des Aufstiegs mit Fachhochschulstudium von der Bezeichnung „Ausbildungsaufstieg“ in die Bezeichnung „Regelaufstieg“, der nur in Brühl und Lübeck wahrgenommen werden kann. Dieser Aufstieg soll nach den Vorstellungen der ministerialen Erfinder und der anwesenden Vertreters aus dem Bundespolizeipräsidium dann nicht mehr - wie bisher - eine von vier möglichen und auch örtlich alternativen Aufstiegsformen sein, sondern eben die „Regel“-Form. - in der Abschaffung sowohl des unbegrenzten und als auch des begrenzten Praxisaufstieges, welche – anders als in der Verwaltungslaufbahn - in der Bundespolizei seit 2002 tausendfach absolviert wurden. Eine berufsbegleitende Möglichkeit des Laufbahnwechsels wird damit – aus Gewerkschaftssicht völlig unnötig – abgeschafft. - in der Verschlechterung der Alterszugangsgrenzen für Beamtinnen und Beamte, die an einem Aufstieg mit begrenzter Ämterreichweite teilnehmen wollen, von 40 auf 45 Jahre. Dieser Aufstieg, der inhaltlich deckungsgleich mit dem bisherigen begrenzten Praxisaufstieg ist, soll umbenannt werden in „Verkürzter Aufstieg“. Die GdP und der DGB sehen bereits in der Einschränkung der bisherigen Aufstiegsvielfalt auf nur noch zwei Angebote eine Beschränkung, die unnötigerweise die beruflichen und privaten Lebensplanungen eingreift. Im Gespräch konnten die Ministerialen den gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen keine stichhaltige Begründung für die beabsichtigte Abschaffung der Praxisaufstiegsregelungen geben. Die Bundesregierung hatte hingegen noch in der Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion mitgeteilt, dass sie „grundsätzlich“ die Auswirkungen des bisherigen vielfältigen Laufbahnmodells mit Ausbildungs-, Praxis- und begrenztem Praxisaufstieg auf den Dienstalltag „positiv“ bewerte und begründete dies seinerzeit auch: „Da in allen Aufstiegsvarianten am Ende der Lernerfolg festgestellt wird, ist sichergestellt, dass nur solche Beamtinnen und Beamte in die höhere Laufbahn aufsteigen, die die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nachweislich besitzen.“ In der jetzigen Anhörung wurde dem von den Ministeriumsvertretern auch nicht widersprochen. Die Gewerkschaftsvertreter wiesen darauf hin, dass bereits seit Mai 1993 (also bereits weit vor dem Attraktivitätsprogramm und eingeführt durch die damalige CDU/CSU-FDP-Koalition) für Beamtinnen und Beamte des mittleren Polizeivollzugsdienstes in der Bundespolizei die laufbahnrechtliche Möglichkeit besteht, um den Preis einer begrenzten Ämterreichweite auch vereinfacht in den gehobenen Polizeivollzugsdienst aufzusteigen. Zwar wechselten mit den Jahren die Bezeichnungen (zunächst „Aufstieg für besondere Verwendungen“, später „Begrenzter Praxisaufstieg“), jedoch blieb der tragende laufbahnrechtliche Ansatz regelmäßig der Gleiche: 1. der Polizeiberuf ist auch beim Bund grundsätzlich und regelmäßig ein Aufstiegsberuf 2. für Funktionen, die keine volle Ämterreichweite benötigen, können Beamte des mittleren Dienstes auch ohne Fachhochschulstudium (Bachelor-Studium) aufsteigen und bis zur Besoldungsgruppe A 11 befördert werden 3. die Funktionen des gehobenen Polizeivollzugsdienstes, die eine volle Ämterreichweite und einen Bachelorabschluss erfordern, bleiben Aufstiegsbeamten mit voller Fachhochschulausbildung oder sogenannten „Seiteneinsteigern“ vorbehalten Etwa ein Drittel der Stellen des gehobenen Dienstes wurde seither durch sogenannte Seiteneinsteiger (Abiturienten, die direkt in das Fachhochschulstudium einsteigen) besetzt, zwei Drittel durch Aufstiegsbeamte aus dem mittleren Dienst. Von den zwei Dritteln Aufstiegsbewerbern wiederum nahmen ca. 33 Prozent am Ausbildungsaufstieg mit Fachhochschulstudium, 12 Prozent am berufsbegleitenden Praxisaufstieg mit Fachhochschulabschluss sowie 55 Prozent am begrenzten Praxisaufstieg mit bei A 11 eingeschränkter Ämterreichweite teil; der Anteil der Aufstiegsbeamten im Bereich des gehobenen Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei sollte grundsätzlich 2/3 nicht übersteigen (so in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP, BT-Drucksache 16/4332). Diese sogenannte „Drittelregelung“, wonach ein Drittel „Seiteneinsteiger“, ein Drittel Aufsteiger mit voller Laufbahnbefähigung und ein Drittel Aufsteiger mit begrenzter Ämterreichweite den Personalersatz für den gehobenen Polizeivollzugsdienst stellen sollen, ist seit 1993 tragender Grundsatz der Personalentwicklung in der Bundespolizei. Das Bundesministerium des Innern vertrat bisher zudem die zutreffende und auch von der GdP geteilte Auffassung, dass – abweichend von der allgemeinen inneren Verwaltung - bei der Gestaltung der Aufstiegsverfahren der Bundespolizei „die Besonderheiten des Polizeiberufes eine besondere Rolle“ spielen, weil „die Laufbahn der Polizei seit Alters her vom Aufstieg geprägt ist (sog. Einheitslaufbahn). Sogenannte Seiteneinsteiger bilden […] nach wie vor nicht die Regel. Polizeiarbeit ist eine von Berufserfahrung lebende und davon fortentwickelte Tätigkeit“ und der Personalbedarf im gehobenen Dienst durch Aufstiegsverfahren, die die volle Ämterreichweite vermitteln (wie bisher der Ausbildungs- und unbegrenzte Praxisaufstieg und nunmehr der ‚Regelaufstieg‘) „nicht vollständig gedeckt werden kann und aufgrund der Dienstpostenstruktur auch nicht gedeckt werden muss“. „[Die Bundespolizei] verfügt über eine beachtliche Zahl von Funktionen, die sich im Schnittbereich von zwei Laufbahnen bewegen. Beamtinnen und Beamten, die diese Funktionen aus Gründen der Kontinuität längerfristig wahrnehmen sollen, benötigen auf der einen Seite Erfahrungen und Kenntnisse aus der niederen Laufbahn, auf der anderen Seite aber keine volle Ämterreichweite.“ Diese Feststellungen haben nach wie vor Bestand; auch ihnen wurde in der Anhörung durch die Ministeriums- und Präsidiumsvertreter nicht widersprochen. Umso mehr kritisieren die Gewerkschaften, dass der jetzt vorgelegte Laufbahnverordnungsentwurf nicht zu der beschriebenen Personal- und Funktionsstruktur der Bundespolizei passt. Die Altersgrenze für den Aufstieg mit bei A 11 begrenzter Ämterreichweite lag anfangs bei 45 Jahren und wurde im November 2008 auf 40 Jahre verbessert. Ähnliche Verfahren gibt es bei den Polizeien der Länder; so kann man z.B. bei der Polizei Berlin ab dem 35. Lebensjahr in einer einjährigen dienstbegleitenden Einführungszeit in den gehobenen Dienst aufsteigen, im Land Baden-Württemberg kann ab dem 40. Lebensjahr mit begrenzter Ämterreichweite vereinfacht aufgestiegen werden. Der Bundesminister des Innern teilte zudem in einer Presseerklärung am 10. Dezember 2008 mit, dass er „weitere Verbesserungen“ beim Aufstieg vom mittleren in den gehobenen Dienst anstrebe. Dieser politischen Zusage, an der sich auch der jetzige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich  messen lassen muss, wird der jetzige Verordnungsentwurf nicht gerecht. Die Zusage von weiteren Verbesserungen kann nach Gewerkschaftsmeinung nicht durch die Einführung von Verschlechterungen gebrochen werden. Insbesondere sollen nach den jetzt vorliegenden Vorstellungen die Möglichkeiten des begrenzten Aufstieges ab 2015 erheblich eingeschränkt und verschlechtert werden. Damit werden insbesondere die Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen wieder verschlechtert, weil es vielen Beamtinnen aus familiären Gründen nicht möglich ist, ein mindestens 26 monatiges, ausschließlich in Brühl und Lübeck angebotenes Fachhochschulstudium anzutreten und zudem der Praxisaufstieg als berufsbegleitendes Studium entfallen soll. Für viele Frauen soll nun Alternative einer heimatnahen Aufstiegsmöglichkeit mit begrenzter Ämterreichweite ab dem 40. Lebensjahr entfallen. Zudem steht für die Gewerkschafter zu befürchten, dass der nun ab 2015 vorgesehene durchgängige Regeleinsatz von vornehmlich Bachelor-Absolventen auf Dienstposten, die „keine volle Ämterreichweite [benötigen]“, mittel- und langfristig zu weiteren Frustrationen führen muss, weil diese Beamtinnen und Beamten mit voller Ämterreichweite sich aufgrund der Planstellenkegelung im gehobenen Dienst nicht oder nur zeitlich sehr mühsam fortentwickeln können. Ergebnisse der bereits im Februar 2007 gegenüber der FDP angekündigten Evaluation der bisherigen Aufstiegsverfahren, insbesondere auch zu den Abschlussergebnissen der Verfahren des begrenzten Praxisaufstieges und der nachfolgenden Bewährung und Beurteilung in der neuen Laufbahn, konnten in der Erörterung durch das BMI nicht offeriert werden, weil die Evaluation immer noch nicht abgeschlossen ist. DGB und GdP fordern daher, die bisherigen Verfahren des Praxisaufstieges ohne Analyse ihrer Bewährung nicht abzuschaffen. Der DGB und die GdP müssen und werden im Interesse und in Verantwortung für eine zukunftsfähige Personalentwicklung in der Bundespolizei den Druck auf das Ministerium auch über die Politik weiter erhöhen, damit die sachlich nicht begründeten, unnötigen und zukunftswidrigen Verschlechterungen in den Aufstiegsverfahren verhindert werden. Nach Gewerkschaftsauffassung sollten die ohnehin schlechten Beförderungsmöglichkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht noch durch zusätzliche Verschlechterungen der Aufstiegsmöglichkeiten verschärft werden. Aufgrund der gewerkschaftlichen Einwendungen überprüfen will das BMI hingegen bereits jetzt seine Positionen in zwei ebenfalls kritisierten Feldern. Zum einen soll das Thema „Treppenaufstieg“ neu geprüft werden. Damit ist die Möglichkeit der vollen Ämterreichweite der Laufbahn für Beamtinnen und Beamte gemeint, die bisher nur eine begrenzte Ämterreichweite besaßen. Zum anderen will das BMI erneut Sinn und Notwendigkeit der Einführung einer mindestens dreimonatigen, generellen „Erprobungszeit bei der Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens“ prüfen. DGB und GdP hatten kritisiert, dass dies lediglich neue, völlig unnötige Bürokratie produziere und niemand nachvollziehen könne, warum zum Beispiel der Wechsel eines PVB aus der Gruppe einer Einsatzhundertschaft in die Funktion eines Kontroll- und Streifenbeamten nun nochmals mit einer Bewährungszeit samt Vermerken und Bürokratie überfrachtet werden soll. Auch über die Möglichkeit der Entsendung zum Studium in gesuchten, dienstlich begehrten bestimmten (technischen) Fachrichtungen wird erneut beraten. Das Bundeskabinett soll sich voraussichtlich im Oktober 2011 mit der Bundespolizeilaufbahnverordnung befassen. Artikel zum ausdrucken
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