Zum Inhalt wechseln

Kinderfreibetrag nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Der Familienleistungsausgleich ist im Steuerrecht geregelt. Nach § 62 Einkommensteuergesetz (EStG) erhalten Eltern für jedes Kind 154,00 EUR/ monatlich und ab dem vierten Kind für dieses und weitere 179,00 EUR/monatlich. Daneben kann die Freistellung des Existenzminimums eines Kindes auch durch Steuerfreibeträge (§ 32 EStG) herbeigeführt werden. Im Besteuerungsverfahren wird dann geprüft, ob die Steuerfreistellung des Existenzminimums des Kindes für den Kindergeldberechtigenden günstiger ist als die direkte Leistung Kindergeld. Wenn dies der Fall ist, so erfolgt ein entsprechender Ausgleich.

Die Steuerfreibeträge wirken sich allerdings nur bei sehr hohem Einkommen aus, so dass im Regelfall der Kindergeldbezug günstiger ist. Sowohl die Einräumung des Steuerfreibetrages als auch die Zahlung des Kindergeldes bei Kindern nach Vollendung des 18. Lebensjahres, die in Schul- oder Berufsausbildung sind, hängen davon ab, dass das Kind kein eigenes Einkommen von mehr als zzt. 7.680,00 EUR im Jahr erzielt. Mit diesem Betrag, der im Monat 640,00 EUR entspricht, hat der Gesetzgeber das Existenzminimum des Kindes definiert. Ein Kind, das mehr als diesen Betrag verdient, verliert seinen Eltern gegenüber auch den familienrechtlichen Unterhaltsanspruch, so dass auch eine Unterstützung der Eltern durch Kindergeld oder Kinderfreibeträge nicht mehr angemessen wäre. Wird der Betrag von 7.680,00 EUR im Jahr überschritten, so entfällt der Kindergeldanspruch bzw. die Einräumung des Steuerfreibetrags vollständig.

Wegen dieser harten Konsequenz war die Ermittlung dieses Betrages lange Zeit umstritten. Besonders umstritten war die Frage, ob aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung des Kindes die Sozialversicherungsbeiträge zur Ermittlung der Einkommensgrenze herangezogen werden müssen oder nicht. Hierzu hat jetzt das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 11.01.2005 (Az.: 2 BvR 167/02) entschieden, dass Sozialversicherungsbeiträge nicht in die Bemessungsgröße von zurzeit 7.680,00 EUR einbezogen werden dürfen. Es ist also nicht der volle Bruttobetrag des Einkommens des Kindes aus einer solchen Beschäftigung maßgeblich. Die Sozialversicherungsbeiträge sind vielmehr vom Bruttoeinkommen abzuziehen.
Die Entscheidung ist bedeutsam sowohl für Schüler und Studenten, die nebenher einer versicherungspflichtigen Beschäftigung
nachgehen, als auch für Auszubildende, deren Ausbildungsvergütung häufig im Grenzbereich der Bemessungsgröße liegt.

Beispiel (für 2005):

Ausbildungsvergütung 800,00 EUR /mtl. mit Sonderzahlung und Urlaubsgeld dreizehnmal im Jahr gezahlt.

Es ergibt sich folgende Rechnung:


Ausbildungsvergütung 10.400,00 EUR
abzgl. Werbungskosten/Pauschbetrag 920,00 EUR
(wenn nicht höhere tatsächliche Werbungskosten) _______________
= 9.480,00 EUR


Nach bisheriger Praxis der Finanzämter und Familienkassen wäre in diesem Fall weder Kindergeld gezahlt worden, noch wäre der Kinderfreibetrag eingeräumt worden, weil die Grenze von 7.680,00 EUR überschritten ist. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts müssen jetzt die Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von ca. 21 % gleich 2.184,00 EUR zusätzlich abgezogen werden, woraus sich folgende Rechnung ergibt:


Ausbildungsvergütung 10.400,00 EUR
abzgl. Werbungskosten/Pauschbetrag 920,00 EUR
(wenn nicht höhere tatsächliche Werbungskosten)
abzgl. Sozialversicherungsbeiträge 2.184,00 EUR_
= 7.296,00 EUR

Aufgrund dieser vom Bundesverfassungsgericht vorgeschriebenen Berechnung ist der Kindergeldanspruch bzw. der Anspruch auf den Steuerfreibetrag gegeben, weil die Bemessungsgrenze von 7.680,00 EUR nicht überschritten wird.

Konsequenzen und Empfehlungen zur Rechtswahrung

Die zuständigen Familienkassen sind angewiesen worden, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Dies gilt für die Zukunft und für alle offenen Verfahren. Bei neuen Kindergeldanträgen und soweit Kindergeldbescheide in der Vergangenheit mit Rechtsmitteln angegriffen worden und die noch nicht beschieden sind, erfolgt eine richtige Entscheidung durch die Kindergeldkassen automatisch.
Anders ist die Lage, wenn in der Vergangenheit gar keine Kindergeldanträge gestellt worden sind, Kindergeldanträge wegen Überschreitung der Verdienstgrenze abgelehnt worden sind oder wenn nur Steuerbescheide vorläufig waren oder mit Rechtsmitteln angegriffen wurden:
  • Wenn gar kein Kindergeldantrag gestellt wurde, weil man vom Überschreiten der Verdienstgrenze ausging, kann noch rückwirkend bis zum Jahr 2001 Kindergeld beantragt werden (Achtung: die Grenze lag 2001 bei DM 14.040,00; 2002 bis 2003 bei 7.188 EUR, ab 2004 gelten 7.680,00 EUR);
  • Wenn ein Kindergeldantrag wegen Überschreiten der Verdienstgrenze ab dem Jahr 2001 abgelehnt wurde, kann ebenfalls rückwirkend bis zum Jahr 2001 die Abänderung des Ablehnungsbescheids beantragt werden;
  • Wenn Einkommenssteuerbescheide noch „offen“ sind (weil vom Finanzamt für vorläufig erklärt oder unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt wurden oder aber mit dem Einspruch angefochten worden sind), wird das Finanzamt von sich aus rückwirkend bis maximal 2001 noch den Kinderfreibetrag berücksichtigen müssen.
  • Betroffene sollten aber ihrem Finanzamt die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge ihrer Kinder in den jeweiligen Kalenderjahren mitteilen.

Bitte beachten: Bei der Ermittlung der Verdienstgrenze wird nicht nur sozialversicherungspflichtiges Entgelt berücksichtigt, sondern auch sonstige Einnahmen. Dazu gehören Zinseinnahmen, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung aber auch Leistungen der Ausbildungsförderung.

Download
This link is for the Robots and should not be seen.