GdP-Chef Freiberg über Gnade für Verurteilte und
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"Wollen keine Sheriffs ausbilden"
GdP-Chef Freiberg über Gnade für Verurteilte und
Polizei-Einsatz in Afghanistan

Berlin.

Vor 30 Jahren machte sich in Westdeutschland die terroristische Szene Rote Armee Fraktion (RAF) auf ihren blutigen Weg gegen Staat und Bürger. Unter den Opfern waren auch zahlreiche Polizisten. Vor neun Jahren verkündeten die Reste ihre offizielle Auflösung. Derzeit sitzen noch vier RAF-Täter in Haftanstalten. Es werden Gnadenerlass und Freilassung diskutiert. Zur Frage der Gnade für verurteilte Terroristen, aber auch zum Fall Kurnaz, zu unterlassener staatlicher Hilfe und zum Polizei-Einsatz in Afghanistan äußert sich Konrad Freiberg, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Interview mit dem Berlin-Korrespondenten des “Gießener Anzeiger", Dieter Wonka.


Frage: “Wegsperren und zwar für immer", sagte ein einstiger Kanzler über Täter im Bereich Kindesmissbrauch. Sind Sie für ein “Wegsperren für immer" bei den Ex-RAF-Tätern?

Freiberg: Das ist für alle eine Gewissensfrage. Viele Polizisten waren RAF-Opfer. Von dieser besonderen Betroffenheit kann man sich bis heute nicht freimachen. Voraussetzung für eine Gnaden-Diskussion sind zwei Dinge: Der Täter muss erkennbar und aufrichtig bereuen und es darf von ihm keinerlei Gefahr mehr ausgehen. Wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, halte ich eine Debatte über staatliche Gnadenerweise für verantwortbar.

Keine Gnade ohne Reue?

Freiberg: Ja. Ohne Reue und ohne Entschuldigung kann es keinerlei Vergünstigung für die Täter von damals geben.
In Deutschland gibt es eine breite Ablehnungsfront gegen das Gefangenenlager Guantanamo und gegen Folter. Im Fall des Bremer Taliban Murat Kurnaz könnte es sein, dass deutsche Verantwortliche Hilfe verweigert und den Opferschutz aktiv abgelehnt haben. Halten Sie das für denkbar?

Freiberg: Nein. Auch deshalb gibt es großen Aufklärungsbedarf. Dazu müssen alle Beteiligten jetzt schnell ihre Karten auf den Tisch legen. Die Öffentlichkeit muss dringend und umfassend erfahren, dass solch ungeheuerliche Vorwürfe in unserem demokratischen Rechtsstaat völlig ausgeschlossen sind. Es ist erschütternd, was in Guantanamo unter US-Aufsicht mit Gefangenen offenbar angestellt wird. Dafür darf es keinerlei deutsche Hilfsdienste gegeben haben. Sollten falsche Entscheidungen von Verantwortlichen in der Bundesrepublik getroffen worden sein, dann ist es im Übrigen das Mindeste, dass sich die Verantwortlichen beim Opfer dafür entschuldigen und dass staatliche Entschädigung geleistet wird.

Die EU will den Polizei-Einsatz in Afghanistan, zum Zweck der Ausbildung, verdreifachen. Nach deutschem Vorbild soll mehr und gründlich ausgebildet werden, auch direkt in den kriegerischen Gebieten des Landes. Sind deutsche Polizisten die mutigeren deutschen Soldaten?

Freiberg: Das kann nicht die Frage sein. Es muss, für deutsche Behörden, bei der strikten Trennung zwischen militärischen und polizeilichen Aufgaben bleiben ­ auch im Ausland. Ich warne unsere Verantwortlichen dringend davor, sich auf die US-Linie einzulassen, Polizei quasi paramilitärisch in Afghanistan einzusetzen. Wir können und wollen natürlich bei der Ausbildung afghanischer Polizeikräfte vor Ort helfen. Das setzt aber die strikte Trennung zu militärischen Aufgaben voraus und es verlangt den Schutz der Kollegen gerade auch außerhalb von Kabul.

Ein stärkeres deutsches Polizei-Engagement wird also nicht am fehlenden Personal scheitern?

Freiberg: Nein. Nur daran, dass die Amerikaner in Afghanistan eine andere Polizei haben wollen. Geht es nach den USA, dann sollte die Polizei direkter im Bürgerkrieg aktiv werden. Das kann und darf aber kein deutsches
Polizeibild sein. Für solche Aufgaben muss das Militär ran. Zur Frage Kontingent-Größe nur so viel: Es wird ganz sicher kein sehr großes deutsches Polizei-Kontingent entsandt werden können. Uns fehlen die Kräfte. Und wir werden ganz sicher nur Polizisten ausbilden und ganz gewiss keine Bürgerkriegs-Kräfte. Die Amerikaner wollen Sheriffs haben ­ die haben wir nicht und die wollen wir nicht ausbilden. Die militärische Grundausbildung müssen andere übernehmen, reguläre Soldaten beispielsweise.