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Fachtagung der GdP zum Thema Jugendgewalt und Jugendkriminalität

Frankfurt-Griesheim.

Einmal mehr hat die GdP anschaulich dargestellt, dass man mit sensiblen Themen professionell umgehen muss.
Ralf Humpf als Vorsitzender der Kripokommission der GdP Hessen konnte am 6. November in Griesheim 70 Gäste begrüßen, die sich zu der Veranstaltung angemeldet hatten. Er richtete seinen Dank an die fünf Referentinnen / Referenten und übergab die Moderation an den Geschäftsführer der GdP Hessen, Bernd Kuske-Schmittinger.



Ins Thema wurden die Zuhörer durch die beispielhafte Darstellung der Geschichte eines jugendlichen Mehrfachtäters aus NRW geführt. Sind solche Fälle Medienereignisse, Einzelfälle oder etwa inzwischen der polizeiliche Alltag?
Hat zu früher ein Wandel stattgefunden, dem die Polizei hilflos gegenübersteht? Dies alles sollte in dem 3-stufig gegliederten Tagesablauf thematisiert werden.




1. Teil - Polizeialltag im Streifendienst- zwischen Frust und Angst?


Zunächst stellten sich hierfür zwei Polizeibeamte zur Verfügung, die in ihrem täglichen Dienst mit den Formen und dem Ausmaß von Jugendkriminalität konfrontiert sind.
Zum einen war dies Wulf Baltruschat (Foto links) von der PSt Eschborn und Mark Ritzel (Foto rechts) vom 14. Revier in Frankfurt.

Wie erlebt ein Streifenbeamter im täglichen Dienst Jugendkriminalität?
Wulf stellte aus seinen Erfahrungen fest, dass es natürlich Veränderungen zu früher gibt. Insbesondere auffällig ist hier der Konsum von Alkohol; nicht die Tatsache, dass getrunken wird, sondern die Schlagworte sind härter, schneller, schärfer!
Für ihn bedenklich ist auch der sinkende und teils mehr als mangelhafte Bildungsstand der Jugendlichen.
Mark konnte diese Darstellung nur bestätigen. Für ihn jedoch sehr bedenklich ist die Tatsache, dass den Jugendlichen die fehlenden Konsequenzen zu ihrem Verhalten bekannt sind. Die meisten wissen, dass es zu keinen merklichen Konsequenzen bei den polizeilichen Maßnahmen kommt. Ein kurzer Aufenthalt auf der Wache, dann sind sie wieder auf der Straße zurück. Einhergehend damit sinkt der Respekt vor der Polizei, dies bereitet den einschreitenden Kolleg/innen immer größere Probleme.

Thema Abschreckung- ist es ein Problem, dass sich Verfahren in die Länge ziehen und keine oder unzureichende justiziellen Folgen drohen?
Wulf schilderte den persönlich erlebten Fall eines 15-jährigen Jugendlichen. Er wurde festgenommen wegen Besitz von BTM, nach Anzeigenaufnahme nach Hause gebracht und den Eltern übergeben. Dann folgte ein Gerichtstermin, zu dem er nicht erschien. Mittels Vorführungsbefehl wurde er dann von zuhause abgeholt und zum Termin gebracht, die Eltern sind nicht mitgegangen. Für diesen Jugendlichen entstand ein Riesenkonflikt mit der für ihn „Unbekannten“ Justiz. Es folgte ein Urteil, dass er überhaupt nicht bewerten kann. Seine Erkenntnis war, ich kann nach Hause gehen, eine Strafe hat er nicht empfunden- es war ja nicht so schlimm.
Wulf bestätigt Teilerfolge durch massiveres Auftreten der Polizei an den Treffpunkten der Jugendlichen. Hier ist der Respekt eher vorhanden und man kann auch präventiv auf die Probleme eingehen. Diese Einsätze sind aber eher die Ausnahme, durch den immensen Personalmangel kann so etwas nur in Ausnahmefällen stattfinden, das Tagesgeschäft geht vor!

Jugendliche Täter werden immer jünger- kann dies so festgestellt werden?
Mark kann dem nicht grundsätzlich zustimmen. Der Eindruck in der Öffentlichkeit entsteht auch durch die vielfache mediale Präsenz. Jeden Tag wird man inzwischen im Fernseher oder den Zeitungen über solche Taten mit jungen Menschen konfrontiert. Dies stärkt vermutlich den Eindruck, dass es immer jüngere Personen sind, die als Täter auftreten.

Die Bevölkerung fühlt sich in vielen Bereichen zunehmend bedroht. Ist dies eine Belastung für die Polizei (personell und einsatzsteigernd)?
Beide Kollegen sind der Überzeugung, dass die Polizei moderner geworden ist. Es fehlen jedoch die wichtigsten Voraussetzungen, um professionell zu arbeiten. Dies sind die Faktoren Personal und Zeit!

Klares Signal von beiden war, dass eine professionelle Arbeit mit mehr Aufgaben nur mit entsprechendem Personal funktionieren kann!
Immer mehr Aufgaben belasten den täglichen Dienst, dies bekommen auch die Jugendlichen mit. Die Bevölkerung merkt dies natürlich ebenfalls, wenn es teils sehr lange dauert, bis die Polizei nach einem Anruf erscheint oder eine Streife überhaupt noch präventiv gesehen wird.

Gibt es zu viele jugendliche kriminelle Ausländer- kann man dies so feststellen?
Beide sind der Überzeugung, dass dies in der Masse nicht so ist, in Einzelbereichen aber auf jeden Fall. Insbesondere bei so genannten Großfamilien, wo die Jugendlichen in kleinen Wohnungen leben, tritt dieses Problem häufiger auf. Sie gehen lieber auf die Straße und sind dort mit den bekannten Problemen konfrontiert, ach mit Alkohol und Drogen.
Mark bemerkte, dass die Integrationspolitik vollkommen versagt hat. Es geht heute darum, diese Probleme zu beseitigen, sowohl im sozialen aber auch kulturellen Bereich.

Gibt es hierfür Lösungsmöglichkeiten- gerade in Problemgebieten?
Mark berichtet von Einsätzen, bei denen man die „Schulschwänzer“ einfängt und den Eltern oder der Schule übergibt, um so die Verantwortung zu stärken. Dies geht aber auch nur, wenn Personal und Zeit es zulassen. Das ist zwar nicht die ureigenste Aufgabe der Polizei, aber die sozialen Einrichtungen sind bei den Jugendlichen nicht mehr anerkannt und durchsetzungsfähig.
Wulf bemerkte zu dieser Frage, dass hier die tragende Rolle auf eine funktionierende Sozialarbeit in Zusammenarbeit mit den Präventionsräten, der Polizei, aber auch der Städteplanung zukommt. Auf keinen Fall aber in die Kompetenzen eines Freiwilligen Polizeidienstes geht- dies ist hier völlig fehl am Platze!

Zum Abschluss des ersten Teils der Veranstaltung ergab sich eine lebhafte Diskussion bei denen viele Aspekte zur Prävention beleuchtet wurden. Hier waren Schwerpunkte die Themen Abschreckung, Verurteilungen/Auflagen, Arbeit der Polizei, StA und Gericht, soziale Einrichtungen und Häuser des Jugendrechts.
Einigkeit herrschte im Fazit, dass es nur zielführend sein kann, wenn man präventive Möglichkeiten hat, die Jugendlichen von der Straße weg zu bekommen, und sie sinnvoll zu beschäftigen.


2. Teil - Arbeit von Sondereinheiten



.... Petra Bopp bei ihrem Vortrag
Foto: Weinbach
...Zum zweiten Teil begrüßte Bernd zunächst die Leiterin der AG Jaguar des PP Westhessen, Petra Bopp (Foto), die sich für die GdP als Referentin zur Verfügung gestellt hatte.
Petra bedankte sich für die Einladung und machte einen historischen Ausflug in die Geschichte der Einheit, die im Jahre 1993 gegründet wurde. Es folgten kurze Darstellungen zu steigenden Fallzahlen, aber auch insbesondere zur der gesteigerten Gewaltbereitschaft unter den Jugendlichen. Die Gesetze von früher sind außer Kraft gesetzt. Heute wird brutaler und intensiver Gewalt angewendet, dies ist eine prägende Erfahrung, die sie aus ihrem Bereich feststellen kann.
In ihrem engagierten und interessanten Vortrag schilderte Petra die Arbeitsweise der AG. Die Basis hierfür ist die Vermischung von Prävention, Repression und Netzwerkarbeit. „Der Weg ist das Ziel“, - das ist die Marschrichtung der zurzeit 6 Kolleg/innen in ihrem Team, das auch gerne Personalzuwachs hätte. Zielführende Arbeit beginnt bei der Jugendarbeit der Polizei.
Dies ist heute ein Teil der Erziehung bei den Jugendlichen. Verbunden ist dies mit viel Zeit und Aufwand.
Für die Arbeit der AG im präventiven Bereich gibt es einige zementierte Grundlagen, an denen man die Arbeit ausrichtet. Diese beginnen bei der Einrichtung von festen Sachbearbeitern für Schulen, Präventionsvorträgen in den Klassen 6 bis 8, Vorträge bei Lehrerkonferenzen und Elternabenden, dass Aufsuchen von Jugendtreffpunkten bis hin zur Präsenz bei allen größeren Stadtfesten.

Im repressiven Bereich richtet man sich aus an einer zeitnahen und konsequenten Arbeit. Im Vordergrund steht eine täterorientierte Sachbearbeitung einschließlich der zentralen Sachbearbeitung der Mehrfach/Intensivtäter. Auch hier gibt es feste Sachbearbeiter für alle Schulen. In dem weitern Ermittlungsverfahren strebt man die vorgezogenen Jugendverfahren an und letztendlich spielt auch die Diversion eine tragende Rolle.

Petra machte einen kurzen Ausflug in den Bereich der Mehrfach/Intensivtäter, die in Westhessen zentral durch ihre AG betreut werden. Es gibt seit 2003 eine Erlasslage für diesen Täterbereich, jedoch nur für Erwachsene. Für die Jugendlichen ist dies bis heute nicht reguliert. Die AG Jaguar wendet die bestehende Erlasslage auch für den Bereich der Jugendlichen MIT an. Nur dies führt zu Erfolgen

Abschließend stellt Petra die Wichtigkeit einer funktionierenden Netzwerkarbeit dar. Nur eine intensive Zusammenarbeit mit den Schulen, Jugendamt, Jugendhilfe, Jugendgerichtshilfe, StA, Opferhilfe und vieles mehr, können zu Erfolgen in der Prävention führen. Es gilt zu verhindern, dass Jugendliche in eine kriminelle Karriere abgleiten.

Nach einer Mittagspause, bei der sich die Gäste stärken und erste Erfahrungen austauschen konnten, begrüßte Bernd den Leiter der EG Kompass (im K 14) des PP Frankfurt.
Er begann seine Ausführungen mit der Historie der 2005 gegründeten Einheit unter dem Motto BASUS21. (Besonders auffällige Straftäter unter 21).
Aufbauend auf der Neuordnung der polizeilichen Jugendarbeit im Jahre 2004 wurde diese Einheit im PP Frankfurt gegründet.
Er beschrieb zunächst die Zuständigkeiten und Aufgabenbeschreibungen der dort tätigen Kolleg/innen. Die Zielgruppe dieser Arbeit sind Kinder und Jugendliche, die an der Schwelle zur kriminellen Karriere stehen oder jugendliche Ersttäter mit einer Negativprognose.
Ihre Ziele sind eine zeitnahe Intervention und Verhinderung des Abgleitens in die Kriminalität. Die Senkung der Fallzahlen und intensive Zusammenarbeit mit anderen Institutionen stehen im Vordergrund.
Die Kernaufgaben beschrieb er mit den Schwerpunkten täterorientierte Ermittlungen und Gefährderansprachen. Das Bestreben in Frankfurt ist, zeitnah zu Straftaten Konsequenzen folgen zu lassen. Dies scheitert jedoch oftmals an justiziellen und rechtlichen Schranken.
Es wird als sinnvoll angesehen und angestrebt, in seinem Bereich ein spezielles Referat bei der StA einzurichten. Dies scheint in Frankfurt mittelfristig auch möglich zu sein.
Er beschrieb anhand von statistischen Bereichsdaten die Arbeit in Frankfurt, insbesondere in Bezug auf Jugendliche mit Migrationshintergrund.
Im Fazit kann festgestellt werden, dass es bei beiden Einheiten, also der AG Jaguar und auch EG Kompass, grundlegende Parallelen bei der konzeptionellen Arbeit und Betreuung der Jugendlichen gibt.
Im Vordergrund steht letztendlich, analog den Erkenntnissen aus den Erfahrungen der Streifenkolleg/innen vor Ort, der für die Polizei gewichtigste Faktor Prävention.



3. Teil - Jugendgewalt-/kriminalität im gesellschaftlichen Kontext

Bernd konnte für diesen Bereich Frau Jacqueline Kempfer gewinnen. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Kriminalwissenschaften der Uni Marburg.
Frau Kempfer stellte sich kurz vor und bedankte sich für die Einladung der GdP.
Sie berichtete, dass sie schon länger und gerne mit der Polizei zusammenarbeitet. Dies fand aber bisher hauptsächlich mit Vorträgen an der Hochschule der Polizei in NRW statt.
Dieser Auftritt sei der Erste in Hessen, und dies noch auf Einladung der GdP- hierüber freute sie sich besonders.
Der Vortrag gliederte sich in 4 Teilbereiche, die die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, soziale und kulturelle Einflüsse und auch die Rolle der Medien beleuchten sollten.
...
interessantes Thema ... interessierte Zuhörer ...
Foto: Weinbach


Anstieg der Kriminalität und Gewalt
Zu diesem Thema stellte Frau Kempfer anhand von statistischen Erhebungen Daten vor, die sich mit der Altersstruktur und Geschlechterverteilung bei Jugendlichen beschäftigte.
Auch die Entwicklung von jugendlichen Tatverdächtigen der vergangenen Jahre wurde insgesamt beleuchtet.
Zum Anstieg der Kriminalität bei Jugendlichen kann festgestellt werden, dass dies in den Jahren 1990 bis 1998 in einer steil ansteigenden Kurve nach oben geschah. Seitdem hält es sich gleich bleibend auch hohem Niveau.
Die Darstellungen in den Medien widersprechen in diesem Bereich den erhobenen Daten deutlich.
Bemerkenswert ist, dass die schweren Raub- und KV-Delikte in den letzten 10 Jahren um ca. 50% angestiegen sind.
Statistisch gesehen gibt es also einen Anstieg der Jugendkriminalität, dieser liegt aber bereits Jahre zurück und ist nicht aktuell feststellbar!
Ob sich die Art der Gewaltanwendung verändert hat, ist statistisch aufgrund fehlender Vergleichsuntersuchungen nicht genau belegbar.



Jacqueline Kempfer
Foto: Weinbach
....Täter mit Migrationshintergrund
Es ist sehr problematisch, statistische Aussagen zu treffen, da es grundlegende Probleme bei der Methodik gibt. Ungeeignet hierfür ist jedoch der Rückgriff auf die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS).
Es gibt eine Studie des KFN (Studie 100), bei der über 14.000 Jugendliche aus über 80 Ethnien befragt wurden. Im Rahmen einer Täter/Opfer-Befragung wurden die 6 größten in Deutschland lebenden Gruppen einbezogen.
Im Ergebnis konnte festgestellt werden, dass hier grundsätzlich eine höhere Gewaltbereitschaft besteht. Jedoch war die Risikobelastung dieser Personen höher und unterschiedlich ausgeprägt.
Werden die Risikofaktoren gleichgesetzt, weisen die deutschen Jugendlichen ein ebenso großes Risiko zur Gewaltbereitschaft auf. Die Aussage ist:
„Türkische Jugendliche, die ein Gymnasium besuchen, keine Elterngewalt erleben und Männlichkeitsnormen ablehnen, sind genauso selten Gewalttäter wie die entsprechenden deutschen Jugendlichen“.

Rolle der so genannten Gewaltmedien
Unzählige Studien weisen zunächst in eine Richtung- Nur, wer aufgrund anderer Ursachen gewaltbereit ist, kann durch Medien verleitet werden, eine Gewalttat zu begehen.
Die Medien können Auslöser, aber nicht Ursache sein.
Ergebnisse und Aussagen dieser Studien basieren auf der Theorie des sozialen Modelllernens.

Schwinden polizeilicher Autorität
Genaue Aussagen hierzu können nicht gemacht werden.
Frau Kempfer hat sich die PKS über mehrere Jahre zur Grundlage genommen, um zu überprüfen, ob es einen Anstieg bei den typischen Widerstandsstraftaten gibt.
Hier konnte sie jedoch keine ausschweifenden Ausreißer feststellen, weder bei Erwachsenen noch bei Jugendlichen.
Wohl aber ist eine Zunahme in diesem Deliktsbereich feststellbar.

Auch hier glich die abschließende Aussage zum Thema den Vorrednern.
Man muss so früh wie möglich und sehr nah an den Jugendlichen dran sein. Nur dies kann in einem Verbund von Eltern, Schule, Polizei mit den Kommunen/Städten und ihrer Präventionsarbeit zu Erfolgen bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität führen.


Zum Ende der Veranstaltung bedankte sich Bernd Kuske-Schmittinger bei den Gästen für ihr gezeigtes Interesse und besonders bei den Referent/innen für ihre sehr guten Vorträge.
Die GdP hat wieder einmal bewiesen, dass sie sich sachlich mit Themen auseinandersetzt und professionell zu Lösungen beitragen möchte.

Bernd schloss den Tag mit der Hoffnung, dass dieses Thema nicht erneut zum Wahlkampfthema stilisiert wird und unterstrich die Personalforderungen der GdP für die zu leistende Arbeit im Sinne der Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger.

Peter Wittig
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