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Kennzeichnungspflicht bei der Polizei
- eine politisch-ideologische Glaubensfrage?

Wiesbaden.

Der im Koalitionsvertrag von CDU/Bündnis90/Die Grünen politisch formulierte Wunsch, die Polizei „zwangszukennzeichnen“, sie also einer Verpflichtung zu unterwerfen, immer und ohne Ausnahme identifizierbar zu sein, unterstellt in aller erster Linie Misstrauen und mangelndes Vertrauen in die Arbeit der Polizei.
Durch die Einführung einer generellen Kennzeichnungspflicht entfernt sich der Staat einen weiteren Schritt von seiner Polizei. Es ist ein zusätzlicher Baustein einer unsensiblen Führungskultur und nicht nur ein symbolischer Akt, der den Respekt gegenüber der Polizei weiter sinken lassen wird.
Die Begründung, dass mittels einer Kennzeichnung Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte nach übergriffigem und rechtswidrigen Verhalten besser ermittelt werden könnten, ist bislang als rein hypothetisch anzusehen. Gleichermaßen wurde in der bisherigen Diskussion um eine Kennzeichnungspflicht für die Polizei weder der Nachweis von schweren unaufgeklärten Übergriffen noch die für eine Änderung der Rechtslage notwendige Erforderlichkeit offengelegt.



Die bisherige taktische Kennzeichnung ermöglicht es bis auf Halbgruppenstärke (Fünf Beamte/innen) die Namen der eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten belegen zu können. Dies ist nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei bisher völlig ausreichend gewesen. Seit Einführung der taktischen Kennzeichnung sind uns keine Fälle bekannt geworden, bei denen übergriffiges Verhalten nicht ermittelt werden konnte.
Wenn behauptet wird, dass eine Kennzeichnungspflicht die Aufklärung von polizeilichen Übergriffen überhaupt erst möglich machen könne, so muss dem entgegen gehalten werden, dass in unserem demokratischen Rechtsstaat in der jüngsten Vergangenheit zahllose polizeiliche Einsätze eben durch das polizeiinterne Videografieren so dokumentiert wurden, dass auch etwaiges Fehlverhalten einzelner Beamter unter Feststellung der Personalien der betroffenen Person leicht ermittelbar war. Die Erfahrung zeigt: Für das namentliche Ermitteln von Polizeibeamten ist eine Kennzeichnungspflicht weder erforderlich noch notwendig.
Das verpflichtende Tragen einer Kennzeichnung stellt die Polizei unter einen gewissen Generalverdacht. Es wird unterstellt, dass das Verhalten im Kontakt mit Bürgern in einem nicht unerheblichen Maße gestört sei und zugleich unrechtmäßiges und übergriffiges Verhalten der Polizei von den Bürgerinnen und Bürgern als latent empfunden werde.

Das Gegenteil ist aber der Fall. In allen Umfragen der großen Meinungsforschungsinstitute genießt die Polizei in Deutschland ein geradezu herausragendes Vertrauen bei der Bevölkerung. Dieser Umstand lässt sich eindeutig der professionellen und rechtmäßigen wie bürgernahen Arbeitsweise der Polizei in Deutschland zuordnen. Würde, wie unterstellt wird, die Polizei in Deutschland tendenziell rechtswidrig handeln oder die Bevölkerung müsste Angst vor übergriffiger polizeilicher Gewalt haben, wären diese hervorragenden Umfragewerte niemals zu erreichen.

Es ist eine Tatsache, dass schon heute einzelne Beamte persönlich ausgeforscht, ihr Name und ihre Privatanschrift ermittelt und in der politisch extremen Szene veröffentlicht werden und polizeiliche Strukturen sehr weitgehend erfasst und ebenfalls veröffentlicht werden. Diese Gefahr wird auch durch eine numerische Kennzeichnung nicht völlig aufgehoben. Bereits aus Fürsorgegründen ist der Dienstherr aufgefordert, alles zu unternehmen, um der Möglichkeit des Ausgeforschtwerdens durch das polizeiliche Gegenüber einen Riegel vorzuschieben.

Darüber hinaus öffnet die Kennzeichnungspflicht ungerechtfertigten Anzeigen Tür und Tor. In einem Antrag der Fraktion der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus hieß es 2011 zu diesem Thema:

„Individuelle Kennzeichnungen führen zwangsläufig zu einer erheblichen Steigerung taktischer, im Zweifel verleumderischer Anzeigen. Selbst wenn sich die Vorwürfe als haltlos erweisen sollten, bedeutet das eine Beförderungssperre für die betroffenen Beamten. Individuelle Kennzeichnungen sind besonders für die Polizeibeamten gefährlich, die gegen organisierte Kriminalität oder politische Extremisten vorgehen müssen. Schon jetzt sind diese Beamten häufig Ziel von Bedrohungen und Straftaten.“

Die GdP akzeptiert schon seit vielen Jahren, dass im Einzeldienst und ggf. auf freiwilliger Basis Namensschilder getragen werden sollen oder dass an Türen zu Büros von Polizeibeamtinnen und -beamten Namensschilder auf die Identität des jeweiligen Beamten hinweisen.

Entscheidend für die Akzeptanz der freiwilligen Kennzeichnung im Einzeldienst war und ist bis heute die Tatsache, dass im Einsatz der Bereitschaftspolizei bzw. bei geschlossenen Einheiten eben keine Kennzeichnungspflicht gegeben ist. Die Kolleginnen und Kollegen sollten sich deshalb auf das Wort des ehemaligen hessischen Innenministers Boris Rhein: “Es wird mit mir keine Kennzeichnungspflicht in Hessen geben“, verlassen können.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist gleichwohl das grundgesetzlich normierte Recht, auf das die GdP ihre ablehnende Haltung gegenüber der Kennzeichnungspflicht stützt. Der unzweifelhaft vorliegende Eingriff in dieses Recht liegt bei ausnahmsloser Verpflichtung zum Tragen der namentlichen oder weiteren individuellen Kennzeichnung gerade darin, dass der Beamte keine Möglichkeit hat, auch im speziellen Einsatzfall die namentliche Identifizierbarkeit seiner Person auszuschließen.

Aus diesen Gründen heraus ist die bisherige freiwillige namentliche Kennzeichnung in Hessen genau der richtige Weg, um den berechtigten Interessen der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten gerecht zu werden und zugleich Transparenz und Bürgernähe in einem sich in der Vergangenheit bewährten Rahmen fortzuentwickeln.

Im Bundesland Brandenburg führen zwei Kollegen eine Verfassungsklage gegen die dort eingeführte Zwangskennzeichnung der Polizei. Die Musterverfahren richteten sich gegen die Kennzeichnung mit Nummern für Beamte der Bereitschaftspolizei sowie gegen Namensschilder im Streifen- und Wachdienst.

In einer Masterarbeit einer Kollegin der Deutschen Hochschule der Polizei, Masterstudiengang 2011/2013, kommt die Verfasserin u.a. zu dem Schluss, dass sich das Tragen eines Namensschildes als ein Aspekt der Arbeitsbedingungen bei der überwiegenden Zahl der Befragten negativ auf die Arbeitszufriedenheit auswirkte.


Andreas Grün, Landesbezirksvorsitzender
    Fazit:

    Die Gewerkschaft der Polizei in Hessen kann bei der geplanten Einführung der numerischen Kennzeichnung der Polizei im Einsatz keine Erforderlichkeit erkennen. Vielmehr sehen wir hierbei ein rein politisch-ideologisches, aber eben nicht sachlich begründbares Begehren. Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass eine Notwendigkeit zur Einführung dieser Kennzeichnung anhand realer Gegebenheiten erforderlich ist.

    Außerdem bestehen erhebliche rechtliche Zweifel, ob die Einführung einer Zwangskennzeichnung verfassungsmäßig ist. Die anhängigen Klagen in Brandenburg untermauern diesen Verdacht.


Die Verpflichtung der Polizeibeamten, sich auch in geschlossenen Einheiten und bei Großlagen zu kennzeichnen bzw. zu individualisieren, ist genau das Gegenteil dessen, was angesichts steigender Gewalt gegenüber der Polizei und einer sich radikalisierenden Szene geboten ist.

Die Polizistinnen und Polizisten in Hessen halten für den Rechtsstaat ihren Kopf hin, statt wie in viel zu vielen Ländern dieser Erde die „Hand auf“. Wir haben den Anspruch und wir sind eine im besten Sinne demokratische wie rechtsstaatliche Bürgerpolizei. Deshalb ermitteln wir auch heute schon rechtswidriges und übergriffiges Verhalten der Polizei im Einsatz. Eine „Zwangskennzeichnung“ ist dazu weder erforderlich noch notwendig. Sie gründet alleine auf politisch-ideologischen Sichtweisen, die wir als Gewerkschaft der Polizei nicht teilen können.

Die Diskussion um die Einführung einer Zwangskennzeichnung im Einsatz konterkariert genau das was tausende von Polizistinnen und Polizisten tagtäglich im Umgang mit der überwiegenden Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land erleben: Vertrauen, Verständnis und Solidarität der Bürger mit ihrer Polizei.

Man könnte auch ein altes deutsches Sprichwort bemühen um auszudrücken, was viele meiner Kolleginnen und Kollegen angesichts der Diskussion um die Zwangskennzeichnung fühlen:

Das Pferd, das den Hafer verdient, bekommt ihn nicht.

Andreas Grün
Landesvorsitzender GdP Hessen

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