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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.01.2021

Polizei befürchtet schwindende Akzeptanz

Nach Sperrungen von Rodelpisten viel Unmut / Gewerkschaft: "Können keine Kreisgrenzen abriegeln"

Rhein Main.

Bilder aus Ski- und Rodelgebieten, wenn dort der erste Schnee gefallen ist, Familien, die fröhlich den Hang hinuntersausen, das gab es in den vergangenen Jahren schon. Mit größeren Polizeieinheiten im Vordergrund, die Pisten sperren und Schlitten "sicherstellen", allerdings nicht. Im Internet werden solche Bilder derzeit vielfach geteilt. Mit Kommentaren wie: "Eine Polizei, die Kindern den Schlitten beim Rodeln wegnimmt, kann man nicht ernst nehmen. Aber bei Clans wegschauen." Und: "In was für einer Welt leben wir eigentlich, wo Spaziergänge und Rodeln zum Verbrechen werden?" Der generelle Vorwurf lautet, man befinde sich schon inmitten eines Polizeistaats. Nach einer Corona-Kontrolle in Frankfurt wurde jüngst sogar im Netz ein Bild gepostet, das einen Polizisten in Uniform mit einem SS-Offizier vergleicht.

Die Gewerkschaft der Polizei schlägt nun Alarm. Sie sieht darin eine neue Eskalation des mangelnden Respekts gegenüber dem Staat, wie der stellvertretende Landesvorsitzende, Jens Mohrherr, sagt. Gerade durch die neuen Maßnahmen steige die Gefahr, dass die Menschen die Corona-Politik immer weniger akzeptierten. Das bekomme die Polizei, die die Regeln umzusetzen habe, unmittelbar zu spüren. "Es ist nicht schön, wenn Kitas, Schulen, Geschäfte, Freizeiteinrichtungen und kulturelles Leben nahezu zum Stillstand kommen", sagt Mohrherr weiter. "Wenn aber in den Social-Media-Plattformen Kolleginnen und Kollegen als Büttel des Staates, als obrigkeitstreue Helfer bezeichnet oder gar mit Einheiten aus dem Dritten Reich verglichen werden, nur weil sie beim Schneechaos auf dem Feldberg, der Wasserkuppe oder der Sackpfeife einschreiten müssen, weil Abstandsgebote völlig außer Acht gelassen werden oder Verkehrsbehinderungen einen polizeilichen Einsatz erfordern, ist das nicht hinnehmbar." Zu oft werde die Polizei inzwischen als Feindbild gesehen, diene "als Ventil für Unverständnis gegenüber dem Staat". Mohrherr hofft deshalb auf eine stärkere Unterstützung durch die Politik.
Durchbrochene Straßensperren hätten "nichts mit zivilem Ungehorsam zu tun", sagt Mohrherr weiter. Das gelte auch für wichtige Zufahrtsstraßen, die zugeparkt seien, so dass es notwendig werde, den Notarzt mit einem Rettungshubschrauber zum Einsatzort zu bringen, wie es jüngst der Fall gewesen sei. "Hier ist die Grenze überschritten." Sollte sich durch die Pandemie eine Schwächung der Wirtschaft zeigen mit einer steigenden Arbeitslosigkeit und sozialen Nachteilen, sei das ein "Nährboden für Corona-Leugner, Querdenker und andere Agitatoren, die diesen Staat nicht wollen". Im Mittelpunkt der dann häufig folgenden Auseinandersetzungen stehe dann abermals die Polizei.

Sorge bereiten ihm auch die nächsten Wochen. "Je länger die Einschränkungen dauern, desto schwieriger wird das Verständnis in der Gesellschaft." Mit den nun abermals strikteren Restriktionen werde die Polizei "sicherlich noch mehr zu tun bekommen". Sie könne jedoch "keine Landkreise an den Kreisgrenzen abriegeln und kontrollieren, wer aus welchen berechtigten oder unberechtigten Gründen den 15-Kilometer-Radius verlässt", so Mohrherr. Derzeit gebe es zwei Landkreise mit Inzidenzen über 200. "Was aber, wenn es nur noch zwei Landkreise in Hessen gibt, die unter einem Inzidenzwert von 200 liegen? Personell gesehen, sind wir am Limit."

Das hessische Innenministerium teilte am Mittwoch mit, man sei sich der Tatsache bewusst, dass Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus "kontrovers diskutiert werden". Gleichwohl seien sie zur Bekämpfung des Virus alternativlos. Die Polizei trete weiterhin aktiv mit den Bürgern in den Dialog, "um das Verständnis für die notwendigen Verordnungen zu erhöhen".

isk.

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Autorin: Katharina Iskander, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.01.2021, Rhein-Main (Rhein-Main-Zeitung), Seite 34

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