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Kundgebung und Aufzug am 4. April 2022 in der Mainzer Innenstadt

Deutliches Zeichen der Polizei aus vielen Bundesländern

Wiesbaden/Mainz.
Der Tag begann sehr windig und Unwetter waren nicht ausgeschlossen. Die Beflaggung der vielen Regierungsgebäude rund um den Ernst-Ludwig-Platz zeichneten ein ähnliches Bild der Unruhe im Regierungsviertel der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt.
Auch die Polizei bundesweit war in gewisser Sicht in Unruhe geraten. Nicht erst an diesem Tag, sondern schon über viele Jahre hinweg. Es ist kein Phänomen, wenn wir feststellen (müssen), dass Gewalt gegenüber Polizistinnen und Polizisten, Hilfs- und Rettungskräften und auch gegenüber, nennen wir sie mal „normalen Beschäftigten“ des öffentlichen Dienstes, stetig zunimmt.

Am 04. April 2022 stand die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt ganz im Zeichen der Gewalt gegen Polizeibeschäftigte, Rettungs- und Einsatzkräfte. Von der Straße sollte ein bundesweites Signal in die Bevölkerung gehen, dass endlich der Respekt gegenüber den „Menschen in Uniform“ wieder Einzug hält und die Gewalt gegen diese Kolleginnen und Kollegen harte Konsequenzen nach sich ziehen muss.

„In den Farben getrennt, in der Sache vereint“

Unter diesem Titel haben sich die drei Polizeigewerkschaften GdP, DPolG und bdk gemeinsam dazu entschieden, eine zentrale Kundgebung mit einem Aufzug zu organisieren. Der Aufzug stand unter dem Motto „Zum Gedenken an die im Dienst ermordete Yasmin und den im Dienst ermordeten Alexander“. Die sich anschließende Kundgebung trug den Titel „Zur Stärkung von Demokratie und Rechtsstaat“.

Es war beeindruckend, die von weit her angereisten Polizeibeschäftigten vereint in der Sache zu sehen. Aus Hessen nahmen mehr als 200 Kolleginnen und Kollegen teil, die ihre Betroffenheit und gleichzeitig Enttäuschung zum Ausdruck brachten. Ein Aufzug durch die Innenstadt zum Theaterplatz mit einer Kundgebung beeindruckte nicht nur uns selbst, sondern auch Bürgerinnen und Bürger. Viele Gespräche, die am Rande stattfanden, haben uns einen Rückenwind gegeben, den wir von unserer politischen Führung vermissen.

Aber auch Gespräche mit vielen betroffenen Beschäftigten, die selbst Erfahrung mit belastenden Einsätzen machen mussten, haben Eindruck hinterlassen. Dahingehend, dass wir nicht locker lassen werden, auf diese Missstände aggressiv aufmerksam zu machen. Wir werden nicht nachlassen, dass solche feigen Morde und andere Straftaten gegen uns endlich die richtigen Konsequenzen haben.

Es ist kein Phänomen, es ist die brutale Realität!

Bei einem Phänomen handelt es sich im Allgemeinen um eine Erscheinung. Diese Erscheinung kann selten sein, sehr schnell wieder verschwinden, ist aber aus der Sicht des Betrachters immer bemerkenswert oder auffällig. Gewalt gegen Polizeibeschäftigte also ein Phänomen? Bei Weitem nicht.

Wie brutal uns die Diskussionen zur Gewalt gegenüber unseren Beschäftigten der vergangenen Jahre eingeholt haben, zeigt der Morgen des 31. Januar 2022 in Rheinland-Pfalz, nahe Kusel. Yasmin und Alexander, zwei von uns, wurden auf nicht vorstellbare Art und Weise ermordet. Sie waren in ihrem Nachtdienst mit dem Auftrag und der Überzeugung unterwegs, für den sie diesen Beruf ergriffen haben. Für Sicherheit zu sorgen und den Rechtsstaat zu verteidigen.

Auf brutalste Art und Weise wurden sie nicht nur diesem Ansinnen beraubt. Sie wurden aus dem Leben gerissen. Dem Leben ihrer Familien und Angehörigen, aber auch aus unserem Leben. Dem der Polizeifamilie, bundesweit.

Wir alle haben in dieser Nacht den polizeilichen Super-GAU erleben müssen. Dass wir in unserem Beruf fortwährend ein gewisses Risiko in den Klamotten tragen, ist allen bewusst. Recht und Gesetz sind im Rechtsstaat jedoch auch dafür verantwortlich, alles risikominimierende für die zu schaffen, die eben diesen Rechtsstaat Tag und Nacht schützen und verteidigen.

Bei allen Vorsichtsmaßnahmen, der intensiven Aus- und Fortbildung, der umfangreichen Schutzausstattung und den schwierigen Lagebeurteilungen vor jedem Einsatz, die Angst bleibt. Sie steckt in den Köpfen fest, bewusst oder unbewusst.

Mit was müssen wir aber als Polizeibeschäftigte und Hilfs- und Rettungskräfte rechnen? Müssen wir uns denn eigentlich anspucken lassen, uns beleidigen lassen, bei banalen Einsätzen übel beschimpfen lassen? Menschen dürfen uns scheinbar als Rechtsextremisten verunglimpfen, bei Demonstrationen und „Spaziergängen“ inzwischen zur Normalität geworden.

Was denken eigentlich die polizeilich und politisch Verantwortlichen, was denkt der Gesetzgeber, wenn er solche Vorkommnisse täglich über die Medien erfahren (muss)? Es scheint so, als wäre es für sie angenehmer, wenn sie das alles nicht wüssten. Dann bräuchte man sich auch nicht abzuducken.

Die Gefühlswelt eines Polizisten, der bei einer Unfallaufnahme als Nazi-Polizist beschimpft wird, die Polizistin, die bei einer Personenüberprüfung übelste sexuelle und diskriminierende Beleidigungen hinnehmen muss. Was geht in einem Kollegen vor, der im Nachtdienst einen Kriminellen aufgrund eines Haftbefehls festnimmt, der dazu mehrere dutzend polizeiliche Voreintragungen hat. Eigentlich beendet er doch seinen Nachtdienst mit einem Erfolg, einem Gefühl, dass der Rechtsstaat funktioniert und der Festgenommene nun die Instrumente eben dieses Rechtsstaats spüren wird. Der Kollege wird im nächsten Dienst jäh von seinem Rechtsstaat enttäuscht sein, wenn der hinter Schloss und Riegel vermutete ihm wieder grinsend auf der Straße begegnet.

Einsatzkräfte der Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste, die sich für diesen Rechtsstaat einsetzen, dürfen auch erwarten, dass der Rechtsstaat alles unternimmt, um dieser politischen und gesellschaftlichen Fehlentwicklung Einhalt zu gebieten.

Doch was passiert eigentlich seit Jahren? Die Zahlen steigen weiter besorgniserregend an, alle politisch Verantwortlichen zeigen sich besorgt und vermitteln das Gefühl, man kümmere sich darum. Aber das nächste Mal, dass man von ihnen wieder was hört, ist bei der Veröffentlichung der polizeilichen Kriminalstatistik (um sich selbst zu loben), oder aber bei leider den Morden, wie sie jetzt geschehen sind.

Bei Ermittlungen gegen die Beschäftigten scheint der Rechtsstaat anders zu wirken

Sagen wir es einmal sehr deutlich. Offensichtlich wird bei Maßnahmen gegen unsere Kolleginnen und Kollegen mit anderem Maß gemessen.

Taucht gegen einen Polizisten oder eine Polizistin eine Beschwerde auf, wird im Rahmen einer rechtmäßigen Maßnahme eine Strafanzeige gegen die Handelnden gestellt, oder wird im schlimmsten Fall von der Schusswaffe Gebrauch gemacht, schießt unser Rechtsstaat aus allen Rohren.

Es öffnen sich sehr schnell mehrere Akten, bei der Polizei selbst, der Justiz und auch in den Präsidien bei den Disziplinarermittlern. Es folgt ein monate- teils jahrelanger Spießrutenlauf für den Kollegen oder die Kollegin. Und wieder öffnet sich die Gefühlsabteilung im Kopf. Der Rechtsstaat sagt, dass musst du aushalten, es ist schließlich dein Beruf und du musst mit solchen Verfahren halt rechnen.

Bis Verfahren durch die Staatsanwaltschaft, ein Gericht und danach bei den Disziplinarermittlern eingestellt bzw. erledigt werden, weht ein Makel über den Betroffenen. „Ich habe doch alles richtig gemacht“, das hören wir unentwegt. Die Betroffenen sehen sich in dieser Zeit einer Strafe ausgesetzt. Umsetzungen, Versetzungen, Entwicklungsmaßnahmen und auch Beförderungen und Beurteilungen pausieren.

Dazu springen plötzlich alle aus der Hose, die meinen, etwas dazu sagen zu müssen. Medien, Politik und allen voran die verantwortlichen Minister. Von Rückendeckung aber keine Spur.

Blicken wir auf die unsäglichen Hassposts nach den Morden an Yasmin und Alexander, verschlägt es einem die Sprache. Wo sind sie denn nun, die „Aus-der-Hose-Springer“? Dass ein Täter, ja, ein Krimineller aus Idar-Oberstein, zu Straftaten und Morden an Polizistinnen und Polizisten aufruft, wegen eines fehlenden Haftgrundes wieder auf freien Fuß muss, zeigt die systemischen Schwächen unseres Rechtsstaats. Eine Schande.

„Polizistinnen und Polizisten sind Menschen und verdienen eine Würde, die es zu respektieren gilt und die ebenso schützenswert ist, wie bei jedem anderen Menschen auch. Beleidigungen, Verleumdungen und andere strafbare Handlungen sind keine Bagatelle. Auch das Netz ist kein rechtsfreier Raum, in dem es keine Grenzen gibt und in dem jeder machen kann, was er will. Wer Strafbares tut, darf nicht straflos bleiben; auch nicht im Netz“, so die GdP-Chefin Sabrina Kunz in ihrem Statement zur Demonstration in Mainz.

Vielen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen, Tarifbeschäftigte und Beamtinnen und Beamte, die aus dem ganzen Bundesgebiet nach Mainz gekommen sind. Sie alle haben dazu beigetragen, dass unserer Enttäuschung Stimme und Bild gegeben wurde.

Und zum Schluss noch einmal zurück zu den „Aus-der-Hose-Springern“. Wo waren sie eigentlich in Mainz? Man hätte durchaus erwarten dürfen, dass sie sich bei einer solchen Veranstaltung zeigen und ihre Solidarität bekunden. Es ist traurig und beschämend zugleich, dass sich nahezu niemand hat blicken lassen.

Stellt sich wiederum die Frage, wie ernst es genau diese Verantwortlichen mit der Wertschätzung gegenüber unseren Kolleginnen und Kollegen bei Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten und anderen Beschäftigten nehmen.

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