Podiumsdiskussion der Friedrich-Ebert-Stiftung Hessen am 26. Juni 2017 in Frankfurt
Gesellschaft in Bewegung - Polizei am Limit?
Aber nicht nur bei solchen Großeinsätzen sind Kolleginnen und Kollegen Gewalttaten ausgesetzt, sondern auch im alltäglichen Streifendienst nehmen Gewaltübergriffe zu. Trauriger Höhepunkt des Jahres 2015 war der Angriff eines "Schwarzfahrers", der in Herborn einen Kollegen getötet und einen anderen Kollegen schwer verletzt hatte. Das Motiv des Täters fasste der vorsitzende Richter des Strafverfahrens später so zusammen: „Das Zusammentreffen mit der Polizei sei für den Angeklagten die Möglichkeit gewesen, seine polizeifeindliche Gesinnung und seine bereits seit längerem gehegten Tötungsfantasien auszuleben. Allein wegen seiner Zugehörigkeit zur Polizei habe der Täter dem Beamten das Recht auf Leben abgesprochen und zugestochen!“ Zitat Ende.
Um in das Thema „steigende Gewaltbereitschaft“ einzusteigen, erfolgte ein wissenschaftlicher Vortrag von Professor Dr. Ulrich Wagner, der verschiedene Gewaltursachen darstellte. So verwies er u.a. auf eine veränderte demografische Zusammensetzung der Bevölkerung und betonte, wie wichtig eine primäre Prävention, zum Beispiel in Kindergärten und Schulen ist. Am Ende kam auch er zu dem Fazit, dass eine zukünftige Gewaltvermeidung und auch die beste Präventionsarbeit gewährleistet werden muss, wenn die Strafverfolgung und die resultierende Verurteilung unmittelbar bzw. zeitnah zur der Tat erfolgt.
Im Anschluss an den Vortrag übernahm der bekannte Hessenschau-Moderator Andreas Hieke die Moderation der Podiumsdiskussion. Seine erste Frage stellte er an den GdP-Landesvorsitzenden Andreas Grün, ob denn die Konflikte auf der Straße tatsächlich auch zugenommen haben? Andreas Grün schilderte eindrucksvoll von den Geschehnissen der letzten Tage, wo sich Kolleginnen und Kollegen mit der teilweise unbändigen Gewalt konfrontiert sahen. Ebenfalls referierte er über die Problematik, dass viele Strafverfahren zur Einstellung kommen und dadurch leider ein gewisser „Abstumpfungsprozess" bei vielen eingesetzt hat. Die Brutalität der Angriffe habe nach seiner Erfahrung und dem Austausch mit vielen Beschäftigten enorm zugelegt.
Andreas Hieke warf die Frage an Frau Hartmann ein, ob hier der Staat versage? Gehöre das Thema Respekt und Umgang mit Gewalt nicht schon in der Schule vermittelt?
Frau Hartmann sieht die Prävention als wichtiges Werkzeug an, Respekt gehöre zur Gewaltvermeidung und bedeute auch gegenseitige Wertschätzung. Es müsse in den Schulen wieder mehr Schulsozialarbeit geleistet werden. Politische Bildung und Demokratiebildung wäre nur eine Forderung von ihr. Leider gebe es im Moment nur gezielte Schulsozialarbeit, wenn es schon Vorfälle an einer Schule gab.
Der Moderator fragte in die Runde, ob auch ein jahrelanger Stellenabbau und dadurch der erhebliche Personalmangel dazu geführt haben könnte, dass es immer mehr Gewalttaten gäbe?
Alle drei Diskutanten bejahten diese Frage und stellten heraus, dass nicht alleine eine Schutzausstattung Gewalt vermeide. Auch die personelle Unterstützung muss miteinhergehen. Insgesamt wurde mehr Zivilcourage gefordert und die Kultur des "Wegsehens" bzw. "des sich nicht verantwortlich fühlen" sowie die Verrohung der Gesellschaft insgesamt für das Ansteigen der Gewalttaten verantwortlich gemacht.
Andreas Grün stellte nochmal den enormen Zuwachs von Aufgaben an die Polizei durch die Bekämpfung von Cybercrime oder der terroristischen Bedrohungslage dar.
Am Ende der Podiumsdiskussion wurden noch weitere Fragen aus den Reihen der Zuschauer an die Podiumsteilnehmer gestellt, bevor die Veranstaltung nach gut 2 Stunden durch Martin Weinert, Leiter des Landesbüros Hessen der Friedrich-Ebert-Stiftung, mit einem Dank an die Zuhörer und die Podiumsmitglieder beendet wurde.
Karin Schäfer
stv. Landesvorsitzende
Fotos von der Podiumsdiskussion
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