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GdP-Chef Bruchmüller im dpa-Gespräch: Dringend mehr Personal für die Aufgabenbewältigung benötigt

HESSISCHE POLIZEI FÄHRT AUF DER FELGE

Wiesbaden.

Sicherheit steht an erster Stelle. Unsere Polizei ist die Bestausgestattete und Bestbezahlte in der gesamten Republik. Diese Worte kennen wir nicht nur von unserem ehemaligen Innenminister und heutigen Ministerpräsident Volker Bouffier, sondern hören sie auch auch ganz aktuell wieder bei Weihnachtsbesuchen von Regierungspolitikern auf unseren Stationen und Revieren. Die hohe Kunst der Lobhudelei genau zu den besinnlichen Weihnachtstagen, wohlwissend, dass man in der neuen Regierungsverantwortung unseren Kolleginnen und Kollegen wahrscheinlich erst richtig an die Wäsche will. Die Schreckgespenster, wie sie weiter unten beschrieben sind, gaukeln der Polizei, aber besonders auch der Bevölkerung weiter einen hohen Sicherheitsstandard vor, der so nicht vorhanden ist. Die Auswirkungen für die kommenden Jahre beschreibt der GdP-Landesvorsitzende Jörg Bruchmüller in einem Interview mit dpa-Redakteurin Ira Schaible:

Jörg Bruchmüller über fehlende Beamte, Respektlosigkeit und Internet-Kriminalität:

Herr Bruchmüller, was erwarten Sie von der neuen Landesregierung?Effektive Polizeiarbeit mit motivierten Beschäftigten wird es nicht zum Nulltarif geben können. Die Herausforderungen an die Polizei werden immer höher.
Neue Kriminalitätsformen, vermehrte Großeinsätze an Wochenenden und zusätzliche Präventionsarbeit haben dazu geführt, dass die Polizei für das Tagesgeschäft weniger Personalressourcen zur Verfügung hat und die Dienstleistung für den Bürger leidet.
In den nächsten Jahren müssen mindestens 650 neue Bewerber pro Jahr eingestellt werden, um die Abgänge zu decken und den
neuen Herausforderungen gewachsen zu sein.

Salafisten, Großeinsätze wie Blockupy, Gewalt in Fußballstadien und
Internetkriminalität. Wo sehen Sie die wesentlichen Herausforderungen für die Polizei?
Alle genannten Bereiche sind nach wie vor große Herausforderungen für die Polizei. Die Bedrohungsszenarien von Internetkriminalität und Cybercrime haben viele Menschen noch nicht ansatzweise auf dem Schirm. Polizeiliche Gefahrenabwehr und Strafverfolgung in den Bereichen Terrorismus,
Wirtschaftsspionage und Kinderpornografie dürfen in einer digitalen Welt nicht hinterherhinken. Die Polizei braucht mehr Fachleute. Der personelle
Offenbarungseid ist schon längst geleistet. Millionen von steigenden Überstunden und frustrierte Kollegen sind eindeutiger Beleg.
Die Polizei fährt auf der Felge.

Nehmen die Respektlosigkeit und die Gewalt gegen Polizisten weiter zu?
Welche Mittel können da helfen?
Unsere Gesellschaft hat sich verändert. Mangelnde Zivilcourage, weniger Respekt sowie Beleidigungen und Gewalt erleben meine Kolleginnen und Kollegen jeden Tag-Tendenz steigend. In Hessen hat die Gewalt gegen Polizeibeamte innerhalb von zwei Jahren um 36 Prozent zugenommen. Um diese besorgniserregende Entwicklung aufzuhalten, brauchen wir ein Gesamtpaket: ausreichend Personal, qualifizierte Ausbildung, Prävention und
rechtliche Rahmenbedingungen.

Was meinen Sie mit den rechtlichen Rahmenbedingungen?Wir haben mit dem Paragrafen 115 StGB eine Initiative gestartet, die einen Angriff auf Polizeibeamte auch dann unter Strafe stellt, wenn er beim bloßen Streifengang attackiert wird. Dies alles mündet in der Frage: Wer schützt eigentlich die, die den Staat schützen?

Der Polizei stehen Pensionierungswellen ins Haus. Gibt es genügend Bewerber und
Nachwuchs?

Was müsste gegebenenfalls noch getan werden?
Das demografisch bedingte Dilemma trifft die Polizei besonders hart: In den nächsten Jahren gehen viele Kollegen aus den geburtenstarken Jahrgängen in den wohlverdienten Ruhestand und reißen riesige Lücken. Andererseits hat am Arbeitsmarkt der Kampf um die Besten bereits
begonnen und wir haben Sorge, noch ausreichend qualifiziertes Personal zu gewinnen. Wenn man die Qualifikation der Bewerber nicht senken möchte, muss der Polizeiberuf weiterhin attraktiv bleiben.
Der Dienstherr muss seine Beamten nicht nur angemessen bezahlen und versorgen, sondern auch Arbeitszeiten regeln, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit Leben erfüllen.

Quelle: mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Presseagentur (dpa). Das Gespräch führte dpa-Redakteurin Ira Schaible.
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