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Gesundheitsreform

Das ändert sich für die Versicherten

Hamburg.

Olaf Scholz - parlamentarische Geschäftsführer der SPD, im Deutschlandfunk: "Die meisten von uns finden, auch die Gesundheitsreform ist eine ganz wichtige politische Frage, sicher, aber nichts, wo es um das Gewissen geht." Die Gesundheitsreform bringt für 82 Millionen Menschen erhebliche Neuerungen. Im Folgenden die wichtigsten Fragen und Antworten.




• Was zahlen die Kassen künftig – und wie teuer werden sie?
Die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) sollen sich durch die Reform nicht verschlechtern. Im Gegenteil: Versicherte können mit Erleichterungen rechnen, wenn sie etwa eine Eltern-Kind- oder Reha-Kur beantragen. Die schmerzmedizinische Begleitung Sterbender kann bei allen Krankenkassen abgerechnet werden. Im Gegenzug wird die gesetzliche Krankenversicherung teurer. Die meisten Kassen haben ihre Beiträge bereits zum 1. Januar kräftig erhöht. Der durchschnittliche Beitragssatz beträgt nun 14,8 Prozent. Die Kassenverbände erwarten, dass er bis 2009 auf 15,3 Prozent steigt.
• Wie können Kassenpatienten Geld sparen?
Der Monatsbeitrag in der teuersten Krankenkasse ist zurzeit fast 70 Euro höher als der in der billigsten Kasse. Die erste Regel zur Kostensenkung lautet deshalb: Kasse wechseln! Das gilt auch, wenn es ab 2009 einen einheitlichen Beitragssatz für alle Kassen gibt. Denn dann unterscheiden sich die Kassen durch die Höhe der Zusatzbeiträge, die sie dann nehmen dürfen. Unabhängig davon können die Kassen nach und nach Wahltarife anbieten – etwa solche, in denen homöopathische Arzneien bezahlt werden. Andere zielen darauf ab, den Versicherten Geld zurückzuzahlen, wenn sie nur bestimmte Ärzte besuchen, einen Teil der Kosten selbst zahlen oder nur wenige oder gar keine Leistungen in Anspruch nehmen. Wer mehrere solcher Tarife kombiniert, soll maximal 900 Euro Prämien von seiner Kasse zurückbekommen können.
• Was ändert sich für Privatversicherte?
Zunächst nichts. Erst ab 2009 müssen Privatkassen einen Basistarif anbieten, der im Leistungsumfang der gesetzlichen Versicherung entspricht. Die Prämie richtet sich nach Alter und Geschlecht, aber nicht nach dem persönlichen Krankheitsrisiko. Das unterscheidet den Tarif von üblichen PKV-Verträgen. Die Versicherungs-Unternehmen können keinen Kunden ablehnen.
• Können Privatversicherte künftig leichter den Anbieter wechseln?
Ab 2009 gilt auch, dass Neukunden der privaten Krankenversicherung (PKV) ohne Einschränkungen den Anbieter wechseln können. Anders als heute nehmen die Versicherten ihre Altersrückstellungen künftig zumindest zum Teil mit. Dies verbilligt ihre Prämien beim neuen Anbieter. Die Portabilität ist aber auf die Rückstellungen begrenzt, die den Basistarif umfassen. Wer die übliche Privatversicherung will, muss sich einer Gesundheitsprüfung unterziehen, Risikozuschläge akzeptieren – und kann auch abgelehnt werden.
• Was gilt für bisher nicht Versicherte?
Derzeit gibt es weit über 200 000 Menschen ohne jeden Krankenversicherungsschutz. Mit der Reform wird eine Versicherungspflicht eingeführt. Sie gilt mit dem Start der Reform zum 1. April. Private Krankenversicherer müssen ab 1. Juni diejenigen aufnehmen, die vormals bei ihnen versichert waren oder – etwa als Selbstständige – dieser Versicherungsart zuzurechnen sind. Die Prämie darf den Höchstsatz in der gesetzlichen Krankenversicherung, der zurzeit rund 500 Euro beträgt, nicht übersteigen. Allen anderen Nichtversicherten stehen die gesetzlichen Krankenkassen offen. Wer in Zukunft nicht versichert ist, muss mit erheblichen Nachzahlungen rechnen, wenn er von den Kassen erfasst wird.
• Was passiert mit denen, die nicht zahlen können?
Wer freiwillig in der GKV oder in der PKV versichert ist und seinen Beitrag nicht zahlt, kann künftig nicht mehr gekündigt werden. Er hat dann aber nur Anspruch auf eine Notversorgung wie ein Asylbewerber.
• Was bedeutet die Reform für die Ärzte und Apotheker?
Für die niedergelassenen Ärzte bringt die Reform ein neues Vergütungssystem. Es orientiert sich stärker am tatsächlichen Krankheitszustand der Patienten. Wenn alles gut läuft, werden die ärztlichen Leistungen ab 2009 direkt in Euro und Cent bezahlt. Bisher gibt es ein kompliziertes Punktesystem, bei dem ein Arzt erst mit Verzögerung erfährt, wie viel Geld er bekommt. Das Honorar-Budget, das dazu geführt hat, dass ein Drittel der Leistungen gar nicht vergütet werden, wird gelockert. In unterversorgten Regionen sollen Ärzte höhere Honorare bekommen. Die Apotheker bekommen dagegen weniger, sie müssen 180 Millionen Euro sparen. Der Rabatt, den Apotheker den Kassen pro Medikament gewähren müssen, steigt von 2,00 Euro auf 2,30. Vor der Verordnung teurer Medikamente muss ein zweiter Arzt befragt werden.
• Was kommt auf die Krankenkassen zu?
Das bestehende System der Krankenkassen ändert sich radikal. Die Bundesregierung hat künftig mehr Möglichkeiten, einzugreifen. So entscheiden nicht mehr die Kassen, sondern Gesundheitsministerium und Bundestag über die Höhe der Beiträge. Alle Kassen müssen Mitglied im „Spitzenverband Bund“ werden. Der handelt alle wesentlichen Verträge mit Ärzten, Kliniken oder Pharmafirmen aus. Zusammenschlüsse der derzeit noch rund 250 gesetzlichen Kassen werden erleichtert. So dürfen künftig auch verschiedene Kassenarten wie Orts- und Betriebskrankenkassen fusionieren. Bis Ende 2008 müssen die Kassen entschuldet sein.
• Was ist der Gesundheitsfonds?
Der Gesundheitsfonds soll ab Januar 2009 starten. In ihn sollen Kassenbeiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern fließen. Zuvor setzt die Regierung einen einheitlichen Beitragssatz fest. Die Kassen erhalten für jeden Versicherten den gleichen Betrag aus dem Fonds. Zwischen den Kassen gibt es zudem einen neuen Finanzausgleich, der das Krankheitsrisiko der Versicherten berücksichtigt. Kassen, die zum Beispiel ältere Mitglieder mit Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankung haben, erhalten mehr Geld als Kassen mit jüngeren Mitgliedern. Krankenkassen, die mit dem Geld nicht auskommen, können Zusatzbeiträge erheben. Sie dürfen bis zu ein Prozent des Einkommens eines Versicherten oder pauschal bis zu acht Euro im Monat betragen. Gut wirtschaftende Kassen können im Gegenzug Vergünstigungen gewähren oder Beiträge erstatten.

Quellen: dpa, epd, „Die Welt“
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