So denken Kollegen über Personalentwicklung!
Wer sind wir und wenn ja, wie viele?
Die Mitarbeiter sind unser wichtigstes Kapital
Sie glauben vielleicht, dass ich diese Aussage erst kürzlich auf einem Führungskräfteseminar aufgeschnappt hätte? Nein, diese Kernaussage ist uralt, aber ständig aktuell; vielleicht etwas in Vergessenheit geraten, aber deshalb nicht weniger wichtig und unter den Aspekten, die ich oben geschildert habe, das Maß aller Dinge! Kein Manager der freien Wirtschaft würde dies bei zunehmendem Personalkosten und gleichem Auftragsvolumen auch nur ansatzweise in Frage stellen, nur sind wir als Polizei den Zwängen der Gewinnmaximierung und Konkurrenzsituation am freien Markt nicht ausgesetzt. Egal was passiert, Polizei funktioniert irgendwie immer und das Paradoxon ist, sie funktioniert in den messbaren Feldern sogar immer besser. Beispielweise können sich die Ergebnisse in der Kriminalitätsbekämpfung bundesweit sehen lassen. Aber können wir dieses Niveau zukünftig halten, oder besser gesagt, wie können wir dieses Niveau zukünftig halten und steigern, obwohl wir weniger und älter werden?
Motivation nach innen
Sicherlich befindet sich die Polizei in unzähligen Abhängigkeiten und Zwängen. Unvorhersehbare Ereignisse zwingen uns zu schnellem und professionellem Handeln. Bahnbrechende Motivationsinstrumente, wie Leistungszulagen und ähnliches mehr, sind zeitnah nicht zu erwarten. Dennoch sind es oftmals die kleinen Aufmerksamkeiten, die unsere Mitarbeiter merken lassen, dass sie „wahrgenommen“ werden. Meine 30jährige polizeiliche Erfahrung hat mich gelehrt, dass bei großen Anforderungen von Außen, Signale von Innen zunehmend ignoriert respektive als weniger wichtig wahrgenommen werden. Ein Vergleich zu einem lebenden Organismus ist hierbei durchaus angebracht und, um bei diesem Vergleich zu bleiben, sollte man sich beizeiten auch mal selber wieder etwas gönnen, etwas Gutes tun!
Den Mitarbeiter wahrnehmen bedeutet, ihn respektieren und ihm anlassbezogen etwas Gutes tun. Das Gute bedarf noch nicht einmal großer Anstrengungen, Gesten des Respektes sind völlig ausreichend. Aber nehmen wir Vorgesetzte gute Leistungen überhaupt noch wahr? Ist das Führungssystem nicht längst dazu übergegangen, gute Leistungen überwiegend als normale Pflichterfüllung zu registrieren und sich vielmehr bei fehlerhaften Leistungen zu melden! Ein kurzer Anruf, eine kleine Email wirkt manchmal Wunder, und zwar nicht nur bei guten Leistungen, sondern auch bei Beförderungen, Dienstjubiläen, Verabschiedungen und Geburtstagen. Uns selber sollte aber auch nicht abhanden kommen, motivationsfördernde Tatsachen wahrzunehmen. Vor zehn Jahren hätte ich nicht einmal im Traum daran gedacht, mit welcher persönlichen Ausstattung (sicherlich noch verbesserungsfähig) und welchen Dienstfahrzeugen wir heutzutage unseren Dienst versehen.
Transparenz fördert nicht notwendiger Weise die Motivation, Intransparenz jedoch kann demotivieren!
Nun verfügen wir in der Polizei über eine gut ausgebaute mediale Infrastruktur und trotzdem werden die Mitarbeiter zum Teil über Entscheidungen oder Ereignisse schneller oder ganz und gar über die lokale Presse informiert. Motivation nach Innen bedeutet nicht nur, den Mitarbeiter wahrzunehmen, sondern auch, ihm Vertrauen zu schenken. Vertrauen, mit den erlangten Informationen auch sorgsam umzugehen. Es ist ein Trugschluss, mit einem Informationsvorsprung besser führen zu können, denn bei dieser These wird eine Gefahr unterschätzt, der Flurfunk. Mit Gefahr meine ich, dass sich durch den Flurfunk, und dieser verbreitet sich bisweilen schneller als der Schall, gefährliche Un- bzw. Halbwahrheiten verbreiten, deren Auswirkungen oftmals irreversibel, also unumkehrbar sind.
Transparenz erfordert also Mut und Vertrauen.
Motivation durch konsequentes Führungsverhalten
Auch ich kenne zumindest die meisten Motivationstheorien, kann mich nicht allen anschließen und habe, als Praktiker, Mitarbeiter und Vorgesetzter, meine eigenen Erfahrungen gesammelt. Kolleginnen und Kollegen, die chronisch demotiviert sind, kann man nicht mehr zurückholen, man muss mit ihnen umgehen können. Wichtig ist, dass man diejenigen nicht verliert, die einen Schritt davor sind, demotiviert zu sein. Es ist kein Widerspruch zu behaupten, dass insbesondere diese Mitarbeiter eine nicht unwesentliche Außenwirkung entfalten. Jeder kennt die Klimakiller, Krankmacher und Meckerer, die durch ihr Verhalten unbedacht oder auch gezielt das Motivationsgefüge ins Wanken bringen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beobachten sehr genau, wie die Vorgesetzten reagieren. Wenn die erwarteten Konsequenzen unterbleiben, welche im Übrigen auch von ihnen gefordert und erwartet werden, führt dies bei einigen „Grenzgängern“ dazu, es ihnen gleichzutun, da sich ja offensichtlich Leistung „nicht mehr lohnt“. Die Vorgesetzten sind aufgefordert, auf der gesamten Klaviatur der ihnen bereitgestellten dienstrechtlichen Instrumente zeitnah und beharrlich zu spielen. Geben Sie durch ihr Führungsverhalten die notwendige Orientierung und Identifikation für diejenigen, die an das Gesamtsystem glauben und es tragen.
Personalentwicklung
Das Konzept der Personalentwicklung ist leider etwas in Verruf geraten, weil es durch die Landesregierung zum Synonym des Personalabbaus entstellt worden ist. Der Sinn dieses Konzeptes liegt im zusammengesetzten Substantiv: Personal entwickeln, nicht abwickeln. Personalentwicklung in der Polizei bedeutet also, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter strukturell, also transparent und nachvollziehbar auf ihre zukünftigen Aufgaben vorzubereiten, und dies langfristig, auf allen Ebenen und möglichst einheitlich. Sicherlich ist es den Nachstrukturwehen geschuldet, dass die Personalentwicklung noch nicht flächendeckend umgesetzt worden ist. Personalentwicklung darf jedoch auf keinen Fall, und darin liegt die Gefahr, zu einem weiteren Synonym verwittern: Personalverwicklung!
Es klingt schon fast wie ein Nachruf:
Plötzlich und (größtenteils) unerwartet ereilte uns ein neues Landesbeamtengesetz und weil es so plötzlich und unerwartet kam (siehe auch Transparenz), eröffnete sich ein Regulationsvakuum, da die dazugehörige Laufbahnverordnung Polizei hinterherhinkt und somit einer großen Spekulationsblase (siehe auch Flurfunk) freien Gestaltungsraum lässt. Hinsichtlich der Personalentwicklung ergeben sich Fragen, die an der Basis täglich und durchaus nachvollziehbar diskutiert werden. Ist das Studium an der Deutschen Hochschule der Polizei lediglich eine Möglichkeit, so schnell als möglich von A 10 nach A 13 zu kommen, ohne den Mehrgewinn dieser Ausbildung für unsere Polizei deutlich herauszustellen? Welches Amt können denn Absolventen der Fachhochschule der Polizei zukünftig erreichen?
Für mich stellt sich eine weitreichende Frage:
Die regionale und fach- bzw. aufgabenbezogene Struktur der Polizei (PSR 2007) wurde stabsmäßig über einen längeren Zeitraum von einer Projektorganisation erfolgreich geplant und umgesetzt; die Ebenen bzw. Hierarchiestruktur mit ebenso gewichtigen Auswirkungen für die Polizei im „dunklen Kämmerlein“? Personalentwicklung muss strukturell und perspektivisch betrieben werden und ich vertraue darauf, dass die Rahmenbedingungen durch die Laufbahnverordnung der Polizei optimal und kompatibel getroffen worden sind.
Polizeistruktur und ihre Auswirkung auf die Binnenmotivation
In der Zeit nach der Umsetzung der Polizeistrukturreform machte sich ein menschliches Phlegma deutlich: Der Mensch sucht nach einfachen Lösungen und Ursachen und die latente Demotivation bekam einen neuen Namen: - Polizeistrukturreform -.
Ich war selber an der Erarbeitung im Rahmen der Projektorganisation beteiligt und ich bin der Überzeugung, dass das Ergebnis auch praxistauglich ist. Nicht nur wir Vorgesetzte sind nunmehr in der Pflicht, die Struktur, bei allen Hürden, mit Leben zu erfüllen. Wenn ich von Struktur schreibe, dann meine ich auch die Organisation. Eine Organisation ist nichts statisches, sondern muss mit viel Fingerspitzengefühl am Leben gehalten und auch am (Alltags)Leben ausgerichtet sein. Beides verbindet sich zu einer lebenden Organisation, die sich täglich den Erfordernissen stellen muss. Bereits jetzt, zwei Jahre nach der strukturellen und regionalen Neuausrichtung der Polizei, erscheinen Teilbereiche wie Flickenteppiche und meine Eingangsbemerkungen deuten daraufhin, dass eine Strukturreform nur ein ständig andauernder Prozess sein kann. Mit der auf 2020 ausgerichteten Polizeistärke wird die derzeitige Struktur den daraus resultierenden Erfordernissen nicht mehr standhalten können. Es wird meines Erachtens kein Weg mehr an regionalen, über die kommunalen Grenzen hinaus zuständigen Zentraldienststellen vorbeigehen.
Zusammenfassend steht uns eine ereignisreiche Zeit bevor, in der es gilt, neue Wege zu beschreiten. Unser Personal ist nicht nur unser Kapital, sondern es verfügt auch über Kapital. Wir alle sind gefordert, dieses Kapital zu unterstützen und zu nutzen. Mir ist die polizeiliche Führungsspitze des Ministeriums des Innern persönlich bekannt und ich bin der festen Überzeugung, dass wir dort in guten Händen sind. Wir alle sind Polizei, bringen Sie sich mit ein, fordern und gestalten Sie! Vertrauen Sie nicht den Marktschreiern, die selbst keine Lösungsvorschläge haben!
Ich habe bewusst auf Zitate und Fremdquellen verzichtet, möchte aber zum Schluss einen treffenden Auszug aus „Das Pinguin-Prinzip“ präsentieren:
Wenn genügend Vögel und Küken einer Kolonie über alle Hierarchieebenen hinweg in Bezug auf Veränderungen alle gleichermaßen im Bilde sind und am gleichen Strang ziehen, kann trotz widriger Umstände wahrlich Erstaunliches geschehen!
Menschen können (bisweilen) sogar noch klüger sein als Pinguine.
Guido Sünnemann
Kriminaloberrat und Leiter des Revierkriminaldienstes Harz
GdP-Mitglied seit 29 Jahren