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Kreisgruppe Rostock

Offener Brief an den Leiter der Polizeidirektion Rostock

ROSTOCK:.

Sehr geehrter Herr Laum, die Kreisgruppe Rostock der Gewerkschaft der Polizei wendet sich mit diesem offenen Brief an Sie, um auf die Personalproblematik in Ihrer Polizeidirektion aufmerksam zu machen. Die Ereignisse der letzten zwei Jahre ließen Ihre Beamten kaum zur Ruhe kommen. Eine polizeiliche Einsatzlage folgte der anderen. Die Kolleginnen und Kollegen standen hoch motiviert für jeden Einsatz bereit und bewältigten die Lagen tadellos ohne besondere Vorkommnisse. Was sind das eigentlich für Menschen, die sich hinter Ihren Mitarbeitern verbergen?

Es sind die Kolleginnen und Kollegen;
  • die im Wechselschichtdienst den täglichen Dienst in den Dienststellen aufrecht erhalten
  • von denen man erwartet, dass sie immer sofort die richtigen Entscheidungen treffen
  • die sich völlig unabhängig von dienstlicher und/oder privater Belastung mit voller Hingabe ihrem täglichen Dienst widmen
  • die für Opfer jeglicher Art Beistand und Stütze sind, obwohl sie oft selbst Betreuung bräuchten, weil sie sehen, was sich niemand zu sehen wünscht
  • die Zielvereinbarungen zu erfüllen und für eine hohe Aufklärung zu sorgen haben
  • die zu einem nicht unerheblichen Teil Dienstposten im mittleren Polizeivollzugsdienst bekleiden
  • die Leittragende des ständigen Personalabbaus in diesem Land sind, da ein parallel stattfindender Aufgabenabbau nicht vorgesehen ist
Es sind aber auch die Kolleginnen und Kollegen;
  • die ein Recht darauf haben, dass sie für ihren täglichen Dienst vernünftig ausgestattet werden (Schutzbekleidung, Funktechnik etc.)
  • die erwarten, dass außergewöhnliche Leistungen Beachtung und Anerkennung finden
Kurzum: Es ist der Maschinenraum der MS „Polizeidirektion Rostock“, dem es an Wartung fehlt! Das Deck wird geschrubbt und im Maschinenraum steht den Frauen und Männern das Wasser bis zum Hals.

Wir reden von Kolleginnen und Kollegen, deren Altersdurchschnitt weit über 40 Jahren liegt und deren tatsächliche Anzahl längst nicht mehr der im Stellenplan vorgegebenen Größe entspricht.

Es ist völlig egal, was uns eine neue Struktur bringt. Wir werden in der Summe nicht mehr Polizeivollzugsbeamte haben. Weder das tägliche Geschäft noch die Einsatzlagen wird uns jemand abnehmen. Da stellt sich doch die Frage: Worauf warten wir? Die Probleme haben wir jetzt und deshalb brauchen wir jetzt eine Lösung – und zwar sofort!

Am Beispiel der Fußballeinsätze verdeutlicht, wenn man den zu erwartenden Einsatzlagen entgegenblickt, wird schnell klar, dass die Belastung unserer Kolleginnen und Kollegen nicht sinkt, sondern sogar die Gefahr eines enormen Anstiegs besteht.

In der kommenden Spielsaison 2008/2009 spielt die erste Mannschaft des FC Hansa Rostock in der 2. Bundesliga und die zweite Mannschaft des FCH qualifizierte sich für die neue Regionalliga Nord/ Nordost. Nicht nur in der zukünftigen 4. Liga wird eine Vielzahl von Vereinen antreten, welche voraussichtlich zahlreichen Problemfananhang mitbringen werden, was mit Sicherheit zur Mobilisierung der Rostocker Problemfans führen wird.

Davon ausgehend, dass nun jede Woche während der Spielsaison ein Heim- und parallel ein Auswärtsspiel stattfindet, führt dieses zur Verschärfung der Aufgaben- und Einsatzbelastung. Die Spiele erfordern eine BAO, die mit erhöhtem Kräftebedarf an Mitarbeitern für Befehlsstellen, aber insbesondere einer höheren Wochenendbelastung für geschlossene Einheiten einhergeht. Darüber hinaus sind Mitarbeiter der Kriminalpolizei für die EA „Aufklärung“ sowie „KP-Maßnahmen“ und die Mitarbeiter des Verkehrsüberwachungsdienstes für den EA „Verkehrsmaßnahmen“ vorzuhalten. Das führt zwangsläufig dazu, dass die AAO geschwächt wird, originäre Aufgaben nicht mehr in dem Umfang wahrgenommen werden können, wie sie erforderlich und gefordert sind. Die Anzahl der Einsätze szenekundiger Beamten (SKB) wird sich in der kommenden Saison nahezu verdoppeln, da sie beispielsweise aufgrund der neuen Konstellation in der 4. Liga grundsätzlich zu jedem Auswärtsspiel von Hansa II durch die Spielortbehörde angefordert werden.

In diesem Zusammenhang sei die Einsatzeinheit (EE) der Polizeidirektion genannt, deren Gesamtbestand sich zu zwei Dritteln aus Kräften der Polizeiinspektion Rostock zusammensetzt. Allein von den zu stellenden Einsatzbeamten der PI Rostock sind 34 bereits über 40 Jahre alt. Auch wenn der „Erlass über die Aufstellung, Gliederung und Ausstattung mit Führungs- und Einsatzmitteln von Einheiten des polizeilichen Einzeldienstes“ unter Pkt. 2 die dehnbare Formulierung vorgibt, dass die Altersbegrenzung der Einsatzbeamten von maximal 40 Jahren nicht überschritten werden soll, hat sich der Verfasser sicherlich etwas dabei gedacht.

Die im Erlass unter Pkt. 3 genannte Zuweisung der Körperausstattung hat bisher lediglich dazu geführt, dass ein optisch funktionales Bild von der Bekleidung der EE besteht, was bei genauem Hinsehen jedoch trügt. Nach wie vor ist die dringend benötigte Konfektionsgröße L für die Herren nicht in ausreichendem Umfang beschafft worden. Zudem ist höchst zweifelhaft, ob der Zustand der bereits 15-jährigen Sitek-Bekleidung aufgrund von vielfachem Reinigen, Waschen und Reparieren noch dem ursprünglichen Schutz in vollem Umfang gerecht wird.

Unter Pkt. 5 des Erlasses ist die Gestaltung und Sicherstellung der Aus- und Fortbildung gem. PDV 201 und PDV 202 vorgeschrieben. Ist die Ausbildung der Einsatzeinheit Rostock auf aktuellem Stand? Und stehen ihr im Zeitalter von Hieb- und Stichwaffen, Molotowcocktails und Bengalfackeln auch Sanitäter und ein Brandschutztrupp zur Verfügung?

Eine jährliche Übung, wie sie die Erlasslage vorsieht, in Verbindung mit Konflikt- und Deeskalationstraining ist aus unserer Sicht ebenfalls dringend notwendig!

Bei der zu erwartenden Mehrbelastung Ihrer Mitarbeiter, wird es künftig noch mehr Einsätze der Einsatzeinheiten geben. Die Bereitschaftspolizei und die EbL werden aufgrund von Einsatzlagen anderenorts nicht immer zur Verfügung stehen. Nach Aufstellung der Einsatzeinheit wird das wieder bedeuten, dass die Aufgaben des täglichen Dienstes mit einer schwachen Besetzung durch Zurückbleibende vernachlässigt werden müssen, weil sie nicht bewältigt werden können. Wenn die Bereitschaftspolizei die Fußballeinsätze übernimmt, wer sichert dann alle anderen Veranstaltungen ab? Oder wenn die Bereitschaftspolizei Veranstaltungslagen abdeckt, wer sichert die Fußballeinsätze ab?

Es scheint, als würde man an einem Tischtuch ziehen, das nicht auf den zu großen Tisch passt. Wo auch immer gezogen wird, es deckt einfach nicht ausreichend ab!

Ein weiteres Beispiel:
Die Mitarbeiter der Polizeireviere im Bereich der Polizeiinspektion Rostock sind überdurchschnittlich beansprucht. Beispielhaft sei hier das 1. Polizeirevier (Mitte) genannt. Mit 10 bis 25 Einsätzen pro Schicht, bei einer durchschnittlichen Dienstgruppenstärke von 1:9 werden im Fall von zusätzlichen Einsatzlagen keine Möglichkeit der Erholung eingeräumt und die Einhaltung von Landesbeamtengesetz und Arbeitszeitverordnung außer Acht gelassen.

Durch arbeitsmedizinische und arbeitswissenschaftliche Studien ist erwiesen, dass der Schichtarbeiter durch die zeitlichen Veränderungen in der Lebensweise im Widerspruch zu zeitlichen Gewohnheiten der Gesellschaft steht. So sind beispielsweise die Teilnahme an vereinsgebundenen sportlichen Betätigungen, die Ausübung von Hobbies und der Kontakt zu Freunden durch zeitliche Vorgaben des Schichtsystems erschwert. Auch das Familienleben ordnet sich nicht ohne besondere organisatorische und arbeitsteilige Regelungen in den Rhythmus ein. Dabei ist den Störungen des sozialen Lebens eine ebenso große Bedeutung beizumessen wie den möglichen gesundheitlichen Folgen.

Diese Erkenntnisse dürfen nach Meinung der GdP-Kreisgruppe Rostock nicht außer Acht gelassen werden, wenn die Einsatzlagen trotz bestätigter Dienstpläne dazu führen, dass die Kolleginnen und Kollegen an mehreren aufeinander folgenden Wochenenden Dienst versehen müssen.

Gemäß dem Fürsorgegrundsatz hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten und seiner Familie zu sorgen und ihn bei seiner amtlichen Tätigkeit zu schützen.

Uns stellt sich die Frage, ob es nicht bereits alarmierend war, als die ersten Beamten ihr Entlassungsgesuch aus der Einsatzeinheit der PD Rostock einreichten, worauf sie bis heute vom Adressaten noch keine Antwort erhielten. Es waren Polizeivollzugsbeamte aus dem Wechselschichtdienst, die mit über 40 Jahren noch in der EE aufgestellt sind und sich nicht mehr in der Lage sehen, der zusätzlichen Beanspruchung gerecht zu werden.

Es werden nach einem ersten Umsetzungsgesuch eines Mitarbeiters der Polizeiinspektion Rostock weitere zu erwarten sein. Sie werden von Kolleginnen und Kollegen des Wechselschichtdienstes kommen, die nicht mehr bereit sind, sich dauerhaft dem Leistungsdruck zu stellen, der sie im täglichen Dienst in einem der städtischen Großreviere erwartet. Genau hier ist der jahrelange Personalabbau deutlich spürbar.

Warum entsteht der Eindruck, dass von Seiten der Behörde nichts unternommen wird, trotzdem die Probleme mehrfach deutlich dargestellt wurden?

Ist schon einmal darüber nachgedacht worden, wie es aus eigener Kraft möglich wäre, beispielsweise den Wechselschichtdienst zu entlasten, statt ihn durch zusätzliche Einsätze zu belasten?

Gern sind wir zu einem Gespräch oder einer Diskussion bereit.


Gewerkschaft der Polizei
Kreisgruppe Rostock
Bernd Voß

(Dieser Brief wurde dem Behördenleiter der PD Rostock in der 30.KW 2008 zugestellt)


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