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Interview mit Dr. Dirk Götting

Anmerkung aus der Polizei zur Rassismus-Debatte

Dr. Dirk Goetting referierte auch bei der 70-Jahr-Feier der GdP Niedersachsen. Foto: Uwe Robra
Dr. Dirk Goetting referierte auch bei der 70-Jahr-Feier der GdP Niedersachsen. Foto: Uwe Robra
Nienburg/Hannover.

Polizistinnen und Polizisten in Deutschland sehen sich zurzeit heftigen Vorwürfen ausgesetzt. Bei Demonstrationen, in öffentlichen Debatten und in den Sozialen Medien geht es um Rassismus und Polizeigewalt. Themen, die Dr. Dirk Götting, wissenschaftlicher Direktor und Leiter der Forschungsstelle für Polizei- und Demokratiegeschichte an der PA in Nienburg, aus historischer Sicht intensiv erforscht hat. Das GdP-Mitglied hat zur aktuellen Diskussion nun ein Statement – aus Sicht der Polizei - verfasst. Götting, der auch einer der führenden Köpfe des von der GdP begleiteten Projekts zur Stärkung der demokratischen Selbstverständnis in der niedersächsischen Polizei ist, macht darin deutlich, warum die deutsche Polizei anders ist.

Herr Dr. Götting, Sie nennen als erstes das „historische Bewusstsein“ als Grund dafür. Welche richtigen Lehren hat die Polizei aus der Zeit des Dritten Reiches gezogen und nach dem Zweiten Weltkrieg umgesetzt?

Wir verfügen aus der Zeit des Nationalsozialismus als Polizei in Deutschland über die schlimmsten Erfahrungen mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, die eine Polizei nur machen kann. Das Vertrauensverhältnis der Polizei zu den Mitmenschen hatte 1945 seinen historischen Tiefpunkt erreicht. Es war seither ein langer und schwerer Weg hin zu einer Polizei, der die Menschen wieder vertrauen können. Aber wir haben genau das geschafft. Die große Mehrheit der Menschen bringt uns mittlerweile in einem so hohen Maße ihr Vertrauen entgegen, wie es das noch nie in unserer Geschichte geben hat. Und auch wenn die aktuelle Diskussion uns ein stückweit zweifeln lässt – aber uns wird vertraut und auch wir können Vertrauen zu den Menschen haben – dazu gibt es in einer freiheitlichen Demokratie auch gar keine Alternative.

Wie sieht heute das Selbstverständnis der Polizei aus und welche Rolle spielt das bei der Ausbildung?

Unsere Ausbildung, ob als Studium oder nicht, ist darauf ausgerichtet, Kompetenzen zu vermitteln. Die Menschen in der Polizei sollen selbstständig und eigenverantwortlich entscheiden und handeln können. Diese hochanspruchsvolle Ausbildung – ganz im Gegenteil zu der in den USA – legt das Fundament für unser freiheitlich-demokratisches Selbstverständnis. Dazu gehört auch der Perspektivwechsel, der uns als Polizei in Deutschland auszeichnet. Wir sind nicht bloßer Gewaltträger des Staates, sondern verstehen uns vorrangig als Sachwalter der Rechte der Bürgerinnen und Bürger in diesem Staat.

Wie beurteilen Sie die derzeitigen Debatten über die Polizei und die zum Teil auch gewalttätigen Anfeindungen?

Es ist nicht immer einfach, den Menschen unsere Rolle als Polizei in einer freiheitlichen Demokratie zu vermitteln. Manche wollen uns auch nicht in dieser Rolle sehen. Sie pflegen viel lieber ihre eigenen tradierten Rollenbilder. Und deshalb geraten wir immer wieder einmal in ungerechtfertigte Kritik. Und dazu zähle ich nicht die Kolumne aus der „taz“. Das ist für mich reine Effekthascherei in typisch links-populistischer Manier. Zum Glück sind uns aber mittlerweile seriöse Kommentatoren zur Seite gesprungen, nachzulesen in der „Neuen Züricher Zeitung“, in der „Zeit“ und auch in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Diese Artikel zu lesen tut nicht nur richtig gut, sie bestätigen auch unser bisheriges Bemühen, eine besondere Polizei zu sein. Eine Polizei, die sich dem Schutz unserer freiheitlichen Demokratie verpflichtet fühlt.

Für wie wichtig halten Sie sowohl in der historischen Betrachtung als auch in der aktuellen Diskussion Gewerkschaften und Personalvertretungen?

Die einmalige Entwicklung, weg von einer Staats- und Unterdrückungspolizei und hin zu einer echten bürgerorientierten Polizei, diese Entwicklung ist schlechtweg ohne freie Polizeigewerkschaften und die Mitbestimmung kaum vorstellbar. Gerade das Mitbestimmungsrecht ist eine demokratische Errungenschaft, die es so nur in Deutschland und Österreich gibt. Gemeinsam mit gewerkschaftlicher Unterstützung haben wir die weltweit einmalige Möglichkeit, unsere polizeiliche Entwicklung selbst mit zu gestalten. Wir sollten uns dieses Privilegs noch viel bewusster werden und es intensiv nutzen und aufbauen.
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